Pierre-André Hentzien

Markus, der Schäfer ©

Es war einmal ein Junge namens Markus.
Eines Tages ging Markus durch einen dunklen Wald.
Die Sonne stand schon ganz niedrig, als er auf eine Lichtung kam.
Mitten auf dieser Lichtung stand eine einzelne Eiche, unter der ein einsamer Schäfer saß und auf einer Schalmei ein trauriges Lied spielte.
Markus hatte große Angst und wollte schnell wieder in den Wald laufen, aber der Schäfer hatte ihn bereits entdeckt und rief: „Hallo junger Freund, was tust du so spät in diesem dunklen, einsamen Wald? Hast Du denn noch nie von Räubern und anderem Gesindel gehört, das Wanderern auflauert um sie zu berauben oder gar zu ermorden?“
Markus war bei den ersten Worten des Schäfers wie angewurzelt stehen geblieben. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, und er wagte nicht sich umzudrehen.
Der Schäfer hatte aber schon wieder angefangen auf seine Schalmei zu spielen, ohne auf eine Antwort von Markus zu warten.
Markus drehte sich ganz langsam um und ging vorsichtig auf den Fremden zu.
Endlich entdeckte er auch die Schafe, die in einiger Entfernung ganz friedlich grasten.
„Würden sie mir wohl sagen, wie ich ihn das Dorf Foldum komme?“, fragte Markus ängstlich.
„Das will ich dir wohl erklären“, erwiderte der Schäfer, “aber glaubst du nicht, daß es sicherer wäre, wenn du die Nacht bei mir und den Schafen verbringen würdest? Ich werde uns ein Feuer entfachen; etwas Brot und Käse habe ich auch noch, auch noch ein wenig Wein, auf daß du nicht Hunger und Durst erleiden sollst! Aber wenn du lieber durch die dunkle Nacht und den grausigen Wald nach Hause ziehen willst, dann gehe nur…“
„Nein, nein“, antwortete Markus aufgeregt, „ich will wohl bei ihnen die Nacht verbringen und mit ihnen Brot, Käse und Wein teilen, wenn ich eigentlich auch noch zu jung bin, um Alkohol zu trinken. Ich bedanke mich für ihre freundlich Einladung!“
„Es ist nicht der Rede wert“, sagte der Schäfer mit sanfter Stimme.
So teilten sie das Brot, den Käse und auch den Wein, von dem Markus ganz schläfrig würde, bis er schließlich eingeschlafen war.
Als er am nächsten Morgen erwachte, lag neben ihm die Schalmei, deren Klang ihn im Schlaf begleitet hatte und ein Hirtenhund, den er am Abend zuvor gar nicht bemerkte.
Vom Schäfer war aber weit und breit nicht die kleinste Spur zu entdecken.
Markus stand auf und wollte sich auf den Heimweg machen, aber er wollte sich doch noch einmal bei dem Schäfer bedanken, dass der ihn so freundlich unter seinen Schutz gestellt hatte.
Markus rief nach dem Schäfer, erhielt aber keine Antwort, so daß er schließlich schon gehen wollte. Als er aber den Hund erblickte, der ihn mit großen traurigen Augen ansah, da brachte er es nicht über das Herz, ihn und die Schafe ihrem Schicksal zu überlasen.
Drei Wochen hütete er die Schafe, führte sie zu neuen Weidegründen und zu frischem Wasser.
Der Hirtenhund wich ihm nicht von der Seite, folgte jedem seiner Befehle und benahm sich, als hätte er niemals einen anderen Herren gehabt.
Das Geld, das Markus in den Kleidern des Schäfers gefunden hatte, war fast aufgebracht, als ihm eines Nachts im Traum der Schäfer erschien und ihm erklärte, wie man die Schafe zu scheren habe, wo man den besten Preis für deren Wolle bekäme und wann es an der Zeit wäre sich ein warmes Winterquartier zu suchen.

Markus befolgte alle guten Ratschläge und würde immer mehr zu einem Schäfer.
Sein Zuhause hatte er indes fast völlig vergessen, und nur in lauen Sommernächten,
wenn er auf der Schalmei spielte, fiel im manchmal ein, wie er vor langer Zeit aus dem
dunklen Wald getreten war und den Schäfer auf der Lichtung sitzend getroffen hatte.
Markus war erwachsen geworden und lebte jahrelang glücklich mit seinem Hund und den Schafen.

Viele Jahre gingen ins Land und der treue Hund starb schließlich an Altersschwäche.
Am Abend des selben Tages, an dem Markus seinen treuen Hund verloren hatte, saß er auf einer einsamen Lichtung an einem Baum gelehnt und spielte auf der Schalmei.
Da kam aus dem Wald ein Junge, der mochte wohl so alt sein, wie es Markus damals gewesen war, als er selbst aus den Wald heraus auf die Lichtung getreten war.
Er kam zu Markus und fragte: „Würden sie mir vielleicht sagen, wie ich zu dem Dorf Foldum komme?“

Markus war sehr erstaunt einen Jungen aus seinem Heimatdorf zu sehen und erwiderte: „Das will ich dir wohl sagen, aber willst du die Nacht nicht lieber bei mir verbringen?“
Der Junge blieb, und als er am nächsten Morgen erwachte, da war der Schäfer fort und nur seine Schalmei, und ein schlafender Hirtenhund, den er am Abend zuvor gar nicht bemerkt hatte, lagen neben ihm…


©Copyright 21.02.1999. Pierre-André Hentzien. Alle Rechte vorbehalten. Verwendung des Textes, auch Auszugweise, nur mit schriftlicher Zustimmung des Autoren!
PAHPub© 01702965039 „Markus, der Schäfer“

Diese Geschichte entstand im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Betreuer einer russlanddeutschen Familie in Hamburg. Sie war Teil meines Nachhilfeunterrichts in Deutsch.

Man verschone mich bitte mit Benotungen, ohne eine entsprechende Kritik abzugeben (egal ob positiv oder negativ!).
Ich finde es feige eine 6 zu vergeben, nur weil man einer persönlichen Abneigung zuspricht, aber nicht den "Arsch in der Hose hat", derlei auch kurz zu begründen!
Und für all jene, die dies' dennoch so handhaben: Arm, wer ein Gesicht hat, das der Courage nicht erlaubt sich zu zeigen!
Pierre-André Hentzien, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.02.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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