Horst Ditz

Die vier letzten Worte

Vor mir erstreckt sich eine weite Ebene – eine karge Landschaft in eisigem Grau. Hie und da erscheint ein winziges Zeichen aufbrechender Natur. Steine treten hervor, die zunehmend größer werden und mich bedrohen.
Halb vor mir schreitet mein Begleiter einher. Er sagt, er achte auf mein Wohlbefinden und meine Sicherheit. Er wolle keine weiteren Worte verlieren. Sie seien zu kostbar und er würde sie nur notfalls gebrauchen. Wenn eine Wegkorrektur erforderlich wird, wendet er sich mir zu und deutet mit stummen Gesten die Richtung an.
Plötzlich donnern zwei Vögel aus buntem Metall nur wenige Meter über unsere Köpfe hinweg. Sie machen einen höllischen Lärm. Beim Anflug steigert sich das klappernde Geräusch ihrer Flügel bis zur Unerträglichkeit. Sie feuern mehrere Garben Munition ab. Kurz darauf verstummen sie.
Da bricht neben mir die Erde auf, über die sich ein bläulich grauer Nebel wie ein Wattepolster herabsenkt. Aus mehreren Gräben und Erdspalten steigen Verstorbene in einer nicht enden wollenden Prozession auf. Viele davon kenne ich aus früherer Zeit. Es werden immer mehr. Sie drängen sich auf kleiner Fläche zusammen und singen einen Psalm in einer Sprache, die ich noch niemals gehört habe und die kein Lebender übersetzen kann.
Unvermittelt tauchen am Horizont noch einmal die Metallvögel auf und überdröhnen den Gesang des Toten-Heeres. Nur hin und wieder durchdringt der bittende Schrei eines Kindes, das von einer Kugel getroffen wurde, den bläulich grauen Nebel. Es schaudert mich. Verzweiflung wird hörbar. Mein Begleiter tröstet mich: “Wir sind am Ziel!“
Seine letzten vier Worte.

Die Geschichte beschreibt fantastisch ausgeschmückt eine wahre Begebenheit auf der Flucht vor den heranrückenden Amerikanern im Zweiten Weltkrieg durch den Odenwald.Horst Ditz, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.03.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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