Eugen Moser

Bruderherz

Eine sanfte Stimme drang an sein Ohr: „Malic wach auf.“
Und so wie im gesagt war so tat er auch, langsam öffneten sich seine Augenlieder und er blinzelte schwach hinauf in den Himmel.
Seine Pupillen, die so weit geweitet waren, das es schien als ob seine Augen schwarz wären, wurden ganz klein, da er nun nicht mehr ihm Dunkeln war sondern wieder im Hellen.
Wieder drang die selbe Stimme mit den selben Worten an sein Ohr, doch er reagierte nicht und sah weiter in den blauen Himmel, der nur leicht von Schäfchenwolken verdeckt war.
„Malic!“
Er drehte seinen Kopf nach rechts, so dass ihm seine schwarzen Haare ins Gesicht fielen und somit seine grün braunen Augen verdeckten.
Malic sah nichts und lächelte zu der anderen Person die er nicht erblicken konnte.
„Malic sag warum bist du so?“ fragte ihn wieder die Stimme zärtlich.
Er zuckte nur mit den Achseln und regte sich sonst nicht.
„Willst du den immer so bleiben?“
„Warum nicht, ich seh nicht Schlimmes dran.“ Entgegnete der Junge gelassen und zuckte wieder mit den Achseln.
„Du kannst aber doch nicht immer so bleiben.“ Die andere Stimme hörte sich jung an, wie von einem kleinen Kind, um genauer zu sein von einem kleinen Mädchen.
„Ich kann zwar nicht viel und hab auch keine besondere Begabung, aber ich denke ich werde mich nicht verändern, mir geht es doch gut, warum also ändern?“ er drehte wieder seinen Kopf in seine Ausgangsposition.
„Das ist aber nicht gut wenn du dich nicht änderst, jeder ändert sich ständig.“
Ein kleiner Finger bohrte sich leicht in die Seite von Malic.
„Ich änder mich nicht.“ Sprach der Junge ruhig, stich sich die Haare aus dem Gesicht und lächelte hinauf.
„Warum nicht?“
„Weil ich Malic bin, wenn ich mich änder dann bin ich nicht mehr ich selbst, dann bin ich nicht mehr Malic.“
„Hast du etwa Angst davor dich zu ändern?“ fragte ihn die Stimme besorgt.
Malic musste nicht lange überlegen bevor er antwortete: „Angst…hmm…vielleicht.“
„Also hast du Angst, dabei brauchst du gar keine Angst zu haben. Sie mich doch an ich hab mich auch geändert, bin groß geworden, bin schlau geworden-“
„Und du bist nerviger geworden.“ Unterbrach Malic die zierliche Person neben ihm und drehte wieder seinen Kopf in die Richtung der Stimme, doch diesmal ohne dass ihm die Haare ins Gesicht fielen.
Zwei große braune Kulleraugen blickten ihn leicht verärgert an, aber nur für einen kurzen Augenblick, danach verwandelte sich der böse Blick in ein liebliches Lächeln.
Ein kleines Mädchen zu der die süße Stimme passte kniete neben ihm auf dem Boden in einem weißen Sommerkleid mit roten Schleifen an den Ärmeln und an den Seiten.
Ihr Haar war strohblond und zu drei Zöpfen geflochten, die mit roten Schleifen verziert waren.
„Früher war ich mal so groß.“ Das kleine Mädchen fuhr ihre Hand aus und hielt sie vor ihre Brust. „Guck so groß war ich damals und jetzt bin ich schon viel größer.“
Das Mädchen war vielleicht 7 oder 8.
„Das ist schön Melissa.“ Der Junge der vielleicht 16 oder 17 war behielt das herzliche Lächeln auf den Lippen und betrachtete die kleine Person.
„Ja siehst du? Du findest es auch schön das ich mich verändert habe, also ist es doch gut!“
Melissa nickte heftig zu ihrem Satz und sah Malic weiter hin aus ihren Kulleraugen an.
„Das man sich äußerlich verändert ist normal.“
„Ja aber ich hab mich nicht nur äußerlich verändert, nein. Ich mag jetzt gerne Klavier spielen und ich mag keine Bohnen mehr, früher hab ich Bohnen gemocht, jetzt sind sie Bäh!“
Versuchte die Kleine zu protestieren.
„Geschmäcker ändern sich das ist auch normal.“
Der Junge blieb gelassen.
„Dann änder dich doch auch.“
„Ich bin aber kein Geschmack, ich kann mich nicht mehr ändern ich werde so bleiben.“
„Würdest du dich nicht mal für mich ändern?“
Das kleine Mädchen biss sich leicht auf die Unterlippe und sah Malic etwas traurig an.
„Ach Melissa, willst du überhaupt das ich mich ändere?“
Malic verzog etwas seinen Mundwinkel und Melissa blickte kurz hinauf in den Himmel und kratze sich nachdenklich am Hinterkopf.
„Ja…hmm…und nein.“
„Siehst du? Nicht jede Veränderung ist gut oder schön. Veränderungen können auch schlecht sein.“
Seine Stimme war immer noch ruhig und hatte keinen Hauch von Wut, Angst oder sonstigem.
„Aber du hast dich auch einmal ganz geändert und …jetzt…jetzt sollst du dich wieder ändern.“
Melissa stammelte leicht, da sie nicht wusste wie sie das sagen sollte.
„Du fehlst mir wie du warst, änder dich doch ein wenig für mich.“
„Schwesterchen, guck nicht so traurig, ich hab dich auch nie traurig angesehen. Lächle für mich.“
Sie versuchte es und schaffte es auch ein wenig.
„Schon besser so.“ Malic verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und stützte ihn somit ab.
Eine Zeitlang starrte Melissa ihren Bruder einfach nur an, mit dem leichten Lächeln im Gesicht, bis dann plötzlich eine kleine Träne über ihre Wange floss.
„Weißt du ich habe viel geweint als du dich geändert hast und ich weine heute immer noch.“
Sie senkte ihr Haupt um ihre Tränen zu verstecken und wischte sich schnell mit den Handrücken über die Augen.
„Weine nicht deswegen, auch wenn ich mich geändert habe und mich nicht mehr ändern werde, so weißt du doch wenigstens das es mir gut geht so wie es ist.“
Malic versuchte seine kleine Schwester zu beruhigen.
„Mama und Papa haben es schon fast vergessen, dass du dich verändert hast, es ist ja auch schon lange her.“ Schluchzte Melissa kaum hörbar.
„Das ist vielleicht auch besser so für die zwei.“ Er nickte und schloss für einen kurzen Moment die Augen um sie dann wieder, in Begleitung eines Seufzers zu öffnen.
„Hast du mich vergessen? Hasst du mich? Du spielst nicht mehr mit, seit dem du dich verändert hast.“
„Ich könnte dich nicht hassen und dich zu vergessen würde mir nie einfallen. Mir tut es Leid das ich nicht mit dir spielen kann, aber ich verspreche dir immer hier zu bleiben, ich werde nie weggehen. Du kannst immer zu mir kommen wenn du mich brauchst.“
Nun fing das kleine Mädchen doch an zu weinen und schluchzte nun auch lauter.
„Ich hab dich lieb, egal wie du dich änderst, egal was mit dir ist. Ich werd dich immer lieb haben.“ Sie nickte eifrig und sah ihn nun aus ihren geröteten Kulleraugen an.
„Ich dich auch meine Kleine und sei nicht so traurig wegen mir, ich lass dich nicht allein.“
Seine Stimme war voller Wärme und Liebe.
„Ach Bruderherz.“ Melissa beugte sich nach vorne zu ihm und legte ihre schmächtigen Ärmchen auf seine Brust um ihr Gesicht darin zu vergraben.
„Du fehlst mir so.“ hauchte sie nur noch.
„Ich bin bei dir meine Kleine, immer.“
Melissa fing an noch etwas heftiger zu weinen und zu schluchzen.
„Sei nicht traurig, vergiss mich bloß nie und lächle wenn du an mich denkst.“
Seine Stimme wurde leise und irgendwie hörte sie sich an wie ein Echo von weit weg.
Es wurde Still und die Zeit verstrich. Melissa weinte noch ein Weilchen, doch dann beruhigte sie sich und erhob sich langsam von dem kalten Stein.
Ihre Augen waren von den ganzen Tränen ganz rot geworden und ihr Blick immer noch traurig.
„Malic, warum musstest du dich so verändern, warum? Ich vermisse dich so sehr. Doch ich soll für dich lächeln, nicht traurig gucken, ich werde es so gut tun wie ich kann.“
Doch was ihr in der Zukunft gelingen sollte gelang ihr diesmal nicht.
„Wach auf Malic wach auf.“ Sagte sie noch leise, drehte sich um und verließ das Grab ihres Bruders.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.03.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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