Michael Speier

Der Auftrag - Eine kleine Geschichte von den Assassinen

„Man hat mir mitgeteilt das ihr der Beste seid, und aus diesem Grunde seid ihr hier. Entspricht es der Wahrheit das ihr der Beste seid?“
Der Angesprochene stand im Schatten. Er trug einen langen wollenen Mantel dessen Kapuze er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Er stand da wie eine Statue, ein Schatten, kaum zu erkennen wie er gebaut war oder ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte.
„Wenn mich jemand bei der Arbeit gesehen hat und in der Lage ist eine solche Auskunft zu erteilen, dann, Pater, dann bin ich offenbar nicht halb so gut wie ich es sein möchte.
Seine Stimme klang tief und beruhigend. Man hatte ihn hierher gerufen weil es galt eine ganz bestimmte Aufgabe zu erledigen, und nur ein Profi war in der Lage sie zu bewältigen ohne das es Spuren gab. Und der große Mann in dem dunklen Mantel war ein Profi. Aus eben diesem Grund hatte Pater Sebastian ihn auch rufen lassen.
„Ihr wisst worum es geht?“
Der Schattenmann nickte lediglich. Worte waren im Moment nicht von Nöten. Er sprach nur wenn es nötig war, und nun war ein Nicken absolut ausreichend um die Frage zu beantworten.
„Und ihr traut es euch zu? Immerhin ist es kein Zuckerschlecken.“
„Wenn es das wäre, dann wäre ich wohl kaum hier, Pater.“
Wie recht er hatte. Pater Sebastian hatte mehrmals versucht den Auftrag von jemand andrem erledigen zu lassen, aber bisher war es niemandem geglückt. Aus diesem Grund hatte er entschlossen den letzten Schritt zu wagen. Der Mann war teuer, er kostete 50 Goldstücke pro Auftrag, und auf seinen Kopf war sogar die doppelte Menge ausgesetzt. Aber niemand hatte es bisher gewagt zu versuchen sich dieses Geld zu verdienen. Er war ein Attentäter, ein Assassine. Er hatte alleine mehr als Einhundert Menschen getötet, auch wenn nicht ein einziger davon irgendwelche Spuren hinterlassen hatten die zu ihm führten. Man wusste es einfach. Die Morde trugen seine Handschrift. Aber hier ging es nicht einfach nur um einen Auftragsmord, hier ging es um mehr.
„Es gibt nur eine Möglichkeit die Zielperson zu erwischen.“
„Nein, es gibt mit Sicherheit Hunderte, aber ihr wünscht eine ganz bestimmte, nehme ich an.“
Pater Sebastian nickte.
„Der Tag der Hinrichtung. Sie nennen es Hexenprobe, aber im Grunde ist es eine Hinrichtung. Ihr seid mit der Probe vertraut?“
„In etwa.“
„Man wird das Mädchen so fesseln das es sich nicht mehr bewegen kann. Anschließend wird sie ins Wasser geworfen. Geht sie unter, so ist ihre Seele rein, aber schwimmt sie auf der Oberfläche, so ist ihre Seele verdammt und das reine Wasser stößt sie ab. Dann wird man sie verbrennen.“
„Und ihr möchtet nicht das es zu dieser Probe kommt, Pater?“
„Nein. Es ist zu ungewiss. Es gibt viele Faktoren die hier eine Rolle spielen können, und ich möchte ausschließen das es soweit kommt das die Bevölkerung etwas sieht was sie nicht sehen soll. Es muss in dem Moment geschehen in dem man das Mädchen ins Wasser stößt. Werdet ihr das schaffen?“
Der Fremde nickte. Pater Sebastian nickte ebenfalls. Ihm war bange, aber er musste vertrauen.

Der Tag der Hinrichtung, oder besser gesagt, der Tag der Hexenprobe war gekommen. An die Zwanzig Männer und Frauen hatten sich an dem kleinen See versammelt. Unter ihnen fand sich auch Pater Gilbert. Als einer der Inquisitionsrichter musste er diesem Spektakel beiwohnen, aber er hätte es sich auch nicht nehmen lassen wenn ihr nicht von Amtswegen dazu verpflichtet wäre hier zu sein. Der See war nicht sehr tief, aber stehen konnte man in ihm nicht. Man hatte ein kleines Boot am Ufer vertäut, mit ihm würde man die vermeintliche Hexe gleich in die Mitte des Sees rudern und dort über Bord kippen. Beziehungsweise, man würde darauf verzichten, wenn alles so lief wie er geplant hatte. Alle warteten gespannt auf das Mädchen. Und dann kam es schließlich. Sie trug ein weißes Kleid, ebenso weiß war ihr auch ihr Gesicht, nur war es eingefallen und die Augen waren rot unterlaufen. Man hatte sie gefoltert, geschlagen, gestreckt, und weiß Gott was noch alles. Die Qual war ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. Alle achteten auf das einst wunderschöne Mädchen mit den roten Haaren welche ihr in dieser kleinen Stadt zum Verhängnis geworden waren. Ein Jubel brach aus als der Wagen endlich angerollt kam. Links und rechts patrouliert von zwei Inquisitoren in schwarzen Lederanzügen mit breitkrämpligen schwarzen Hüten. Das Mädchen war bereits gefesselt worden, man wollte schnell zur Sache kommen, Planung war alles. Die Masse starrte wie gebannt auf das Geschehen als man sie vom Wagen zerrte und auf das Boot brachte. Niemand beachtete den schwarzgekleideten Mann der etwas Abseits mit einer kleinen Handarmbrust an einen Baum gelehnt stand.

Das Ruderboot setzte sich in Bewegung. Die Männer und Frauen am Ufer schrieen Beleidigungen in die Mitte des Sees. Man wollte die Hexe lieber brennen als ersaufen sehen. In der Mitte blieb das Boot stehen. Man zerrte das Mädchen auf die Beine und verlas nochmals die Anklagepunkte, anschließend wurde nochmals auf die Prüfung eingegangen. Am Ufer konnte man den Inquisitor kaum verstehen, aber das war auch nicht nötig, denn es ging hier nur darum Recht zu sprechen. Das war der Moment in dem der Assassine zielte. Der Inquisitor packte das Mädchen an den Schultern um es in den See zu werfen, da drückte er ab. Der Bolzen sauste aus der Armbrust, flog schneller als das Auge sehen konnte quer über den See und bohrte sich tief in die Stirn des Inquisitors, etwas unterhalb des breiten Schlapphutes. Niemand hatte es bemerkt, erst als der Mann zu taumeln begann und nach hinten aus dem Boot kippte wurden die Zuschauer aufmerksam. Das Boot wankte, und beinahe wäre das Mädchen ebenfalls über Bord gegangen. Da sprang der zweite Inquisitor auf.
„HEXEREI!“ brüllte er laut. Er packte das Mädchen und wollte es ins Wasser werfen, aber da kam ein Wurfmesser angeflogen und bohrte sich in den Hals des zweiten Hexenjägers. Er röchelte und sank leblos auf dem Boot zusammen. Das Mädchen schrie vor Angst laut auf, und auch die Zuschauer am Ufer begannen panisch umherzulaufen. Da trat Pater Gilbert mit erhobenen Händen vor sie und rief mit donnernder Stimme.
„Da seht ihr es. Es ist der Wille unseres Herrn das dieses Mädchen freikommt. Sie ist nicht mit dem Teufel im Bunde, wir haben uns geirr...“
Weiter kam er nicht, da wurde er bereits von der Wütenden Masse niedergeschlagen und zusammengetreten.
„Sie ist eine Hexe! Sie ist eine Hexe! Verbrennt sie! Sie hat die beiden Männer mit der Macht der Hölle getötet!“
Nicht die Macht der Hölle war es gewesen, sondern die Hand eines einzelnen Mannes, aber dieser hatte die allgemeine Verwirrung zu seinen Gunsten ausgenutzt und sich davon gemacht. Er blickte noch kurz zu Pater Gilbert. Zum Glück hatte er ihn bereits im Voraus bezahlt. Seine unerfüllte Liebe blieb auch weiterhin unerfüllt. Aber darauf kam es dem Assassinen nicht an.

Sein Pferd hatte er etwas abseits angebunden und war nun zu Fuß zu seiner Bleibe zurückgekehrt die weitaus ärmlicher war als er sich hätte leisten können. Er ging langsam und leise die schmalen Stiegen zu seinem Zimmer hinauf. Die Tür war nur angelehnt. Das machte ihn stutzig. Alle Sinne angespannt drückte er die Türe langsam auf und warf einen Blick in die dunkle Kammer. Dort saßen zwei Männer, schmutzig und etwas verwahrlost. Sie starrten den Neuankömmling an. Einer von ihnen hielt einen Steckbrief in den Händen.
„Das ist er tatsächlich.“
„Sag ich doch.“
Aus den beiden konnte man deutlich den Alkohol heraushören. Der Assassinen schloss die Türe hinter sich.
„Hier steht das ein gewisser Graf Ubiert einhundert Goldstücke für deinen Kopf zahlt, Fremder. Was hältst du davon?“
Der Assassinen zuckte nur mit den Schultern, zog seinen Mantel aus und warf ihn auf das improvisierte Bett. Auch als er ihnen scheinbar den Rücken zudrehte ließ er sie nicht aus seinem Blickfeld. Er war ein Profi.
„Weißt du was? Wenn du jedem von uns einhundert Goldstücke gibst, dann lassen wir dich vielleicht am Leben.“
Der Angesprochene drehte sich langsam um und lächelte.
„Und warum sollte ich euch das Geld geben, wenn ich absolut davon überzeugt bin das ich auch noch weiterleben werde wenn ich sie euch nicht gebe?“
Einer der beiden sprang auf, riss einen Dolch hervor und stürmte auf den Mann in Schwarz los. Dieser ballte seine Faust, ein kurzes klacken erklang, und aus seiner Armschiene schnellte eine Zwanzig zentimeterlange Klinge nach vorne. Er musste sich nicht einmal bewegen, der Angreifer fiel förmlich in das Messer hinein und sank röchelnd an seiner ausgestreckten Hand auf den Boden. Der Zweite saß noch immer da und beobachtete, nun wesentlich beunruhigter, was sein Kollege gerade getan hatte. Er lächelte. Der Assassinen putzte das Blut der Klinge an einen Tuch ab und klappte sie wieder in seine Armschiene hinein. Sie war nun nicht mehr zu sehen. Eine typische Assassinenwaffe, dachte der Fremde der noch immer auf dem Stuhl saß und den Assassinen beobachtete.
„Und nun“, begann der Fremde zu sprechen „bist du an der Reihe.“
Der Zweite, er schien sogar noch schmutziger zu sein als sein Kollege, saß einfach nur da und starrte den Assassinen an. Dann zog er seine Jacke beiseite und offenbarte die kleine Armbrust welche er die ganze Zeit über auf den Attentäter gerichtet hatte. Dieser nickte anerkennend.
„Nicht schlecht für einen Amateur, wirklich. Aber das Gold werde ich dir dennoch nicht geben.“
„Ach. Dann wird Graf Ubiert es wohl tun, nicht wahr?“
Der Assassine schlich langsam durch den Raum und nahm zwei Tonkrüge aus einer Kiste, nahm einen Trinkschlauch von der Wand und füllte die beiden Krüge bis zur Hälfte mit Met. Den einen Krug reichte er dem Fremden der noch immer mit der Armbrust auf ihn zielte.
„Trinken wir erst einmal. Dann lässt es sich besser reden.“
Der dreckige Kerl griff mit der freien Hand nach dem Krug und führte ihn zum Mund, hielt jedoch kurz bevor er seine Lippen berührte inne.
„Der Wein ist vergiftet, nicht wahr?“
Der Assassine lächelte ihn an, nahm seinen Krug und leerte ihn in einem Zug. Der Kerl dachte kurz nach, immerhin hatte er gesehen wie der Attentäter den Wein aus seinem Trinkschlauch eingefüllt hatte, und wenn er davon trank, so konnte auch er davon trinken. Er führte den Krug zum Mund und leerte seinen Krug ebenfalls. Fast in der gleichen Sekunde fühlte er sich als drücke ihm jemand die Kehle zu. Die Armbrust entglitt ihm aus den Händen, und während seine Augen sich mit Tränen füllten und er nur noch verschleiert wahrnahm was sich im Raum abspielte kam der Attentäter auf ihn zu, hob die Armbrust auf und entspannte sie langsam und vorsichtig.
„Nein. Im Wein war kein Gift. Aber in dem Becher den ich zuunterst in der Truhe aufbewahre.“
Dann kippte der schmutzige Kerl zur Seite von seinem Stuhl und blieb regungslos auf dem Boden liegen. Er war halt ein Profi.


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.04.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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