Manfred Gries

Das Ehepaar

In einem kleinen Haus wohnte einmal ein Ehepaar. Jeden Abend zündeten die beiden eine Kerze an und der einzige Raum in diesem Haus erstrahlte voller Wärme. Es war die Wärme, die aus den Herzen der beiden kam. Eines Tages fühlte die Frau, dass irgendetwas in diesem Haus nicht stimmte. Sie begann mit einer Großreinigung, aber trotzdem änderte sich das Gefühl nicht. Und der Mann spürte, dass etwas sich verändert hatte. Er begann zu grübeln und sie machte Pläne, wie man das Haus vergrößern könne. Schließlich kam sie zu dem Schluss, dass es am besten sei, sich ein großes neues Haus zu suchen. Und er folgte ihr, weil er sie doch liebte. So fanden sie sich in einem großen geräumigen Wohnzimmer wieder und zündeten die abendliche Kerze an. Aber die Wärme wollte sich nicht einstellen. Die Kerze brannte einfach nieder und die beiden legten sich einsam ins Bett. Traurigkeit zog in ihre Herzen. Er begann ihr Vorwürfe zu machen wegen dem Umzug und sie warf ihm vor, dass er sie nicht verstehe. Sie igelten sich ein und ihr Kopf erzählte ihnen von Liebe, die sterben kann, Partnerschaft, die zerbrechen kann, Wünschen, die nie erfüllt würden und von all diesen Dingen.

Die Zeit und die Erinnerungen an die Wärme verblassten langsam und die gegenseitigen Forderungen wuchsen. Abends stand keine Kerze mehr auf dem Tisch und die Zärtlichkeit wurde ein Fremdling in den großen hellen Zimmern. In dem kleinen Haus aber geschahen seltsame Dinge. Jeden Abend zündete jemand die Kerze an und sie wärmte die enge Stube. Und das Licht flackerte hinter dem Fenster, als wenn es rufen würde: Seht mich doch, ich leuchte euch den Weg.

Es war ein kalter Wintertag, kurz vor Weihnachten, als die beiden wieder einmal traurig in ihrem Wohnzimmer saßen. Da spürten beide, dass es nicht mehr auszuhalten ist, miteinander. Die Kluft war zu groß geworden, Erklärungen halfen nicht mehr und die Zärtlichkeit hatten sie nicht gefunden in all dieser Zeit. So beschlossen sie, sich zu trennen. Und beide verließen das Wohnzimmer, um allein zu sein. Nicht viel später fanden sie sich vor dem kleinen Haus wieder, sahen einander an und sahen die kleine Kerze flackern. Niemals zuvor hatten sie das Flackern bemerkt. Es schien so zu sein, als wenn sie immer kurz vor dem Erlöschen steht und doch brannte sie immer weiter. Und die beiden sahen etwas, was ihnen in all dieser Zeit nie aufgefallen war. Die Kerze wurde von ihnen angezündet, auch als sie nicht im Haus waren. Und sie flackerte, weil die beiden eine schwere Zeit durchlebten. Aber trotz ihrer Entscheidung, sich zu trennen, flackerte die Kerze immer noch.

Still rannen die Tränen über die Wangen der beiden und ihre Hände suchten einander. Niemals kann diese Kerze erlöschen, denn wir zünden sie zwar an, aber sie brennt nicht, weil wir das wollen, sondern weil alle Menschen in diesem Leben eine Kerze geschenkt bekommen, die ihnen den Weg zeigt.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.05.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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