Heiko Buchmeier

Der zweite Schatten

Kurzes Rowa-Gras, ab und an ein paar Torawi-Bäume, und eine Unmenge von Senken und Hügeln,
Steppenland von Druna, Heimat der Schatten und ihrer schlimmsten Feinde, den Schattenjägern.
Es war eine klare kühle Nacht. Der Druna-Mond schien hell auf die Steppe, und liess das Feuer,
an welchem zwei Schattenjäger eine späte Mahlzeit zu sich nahmen, etwas schal und irgendwie
fehl am Platze wirken.
Sie sahen nicht besonders glücklich oder zufrieden aus, und sie waren es auch nicht. Im Gegenteil,
zwischen den Bissen in das halbrohe Bumi-Fleisch, das sie immer mal wieder in die Flammen hielten,
konnte man ihre Stimmen vernehmen, mürrisch und laut, und reichlich missgestimmt.
“Verdammte Wingidry, das darf doch nicht wahr sein. Das ist nun der zweite Schatten, der davonkam,
weil du deine Augen wer weiss wo hattest. Mögen die Götter von Voka dir den Zopf verbrennen.“
Das kam vom männlichen Exemplar der Schattenjäger, und blieb nicht lange unerwidert.
Die Wingidry spuckte das Fleisch, das sie grad zwischen ihren Zähnen hielt in die Flammen, wo es zischend verkohlte.
“Ach ja..? Dann sollen die Zwerge von Luta dir den Sack abreissen während du schläfst, du dreimal verfluchter Mandragar....“
Die Mandragar mögen die Wingidry nicht besonders, und umgekehrt ist es kaum anders.
Die Mandragar würden die Windigry für ihr Leben gern töten, aber sie benötigen sie nun einmal um sich fortzupflanzen. Und den Windigry gefält es ebensowenig, einen stinkenden Mandragor über sich zu lassen, aber das war nun einmal nötig, um ihr Volk zu erhalten.
Diese beiden beschimpften sich noch eine weile, dann warfen sie die abgenagten Knochen ins Feuer,
und streiften die Schattenfelle von ihren Körpern. Schließlich fielen beide knurrend und beissend übereinander her,um sich direkt neben der Feuerstelle zu Paaren.

Anschliessend sassen sie keuchend und ausser Atem, zerkratzt und mit Bisswunden übersäät, aber auch um einiges ruhiger, nebeneinander und wärmten sich an der Glut des inzwischen herabgebrannten Feuers.
“Naja, “ knurrte der Mandragar, “Das Fell dieses zweiten war nunmal besonders schön und dunkel.
Aber naja, morgen nehmen wir die kralischen Lichtlanzen,und werden ihn aufspüren und erlegen“
“Ja“,erwiderte sie müde,“ morgen dann.“

Sie legten sich erneut nieder, diesmal jedoch,um zu schlafen. Die aufgeschürte Glut hielt die blutsaugenden Skirrfliegen von ihnen fern, und schon bald hörte man sie so laut schnarchen, wie sie sich noch kurz zuvor beschimpft hatten.
Und ausserhalb des Lichtkegels, hinter einem Gebüsch kleinwüchsiger Torawis, lag lauernd und wartend der Schatten, der zweite,dem je die Flucht aus den Fellzuchtanlagen von Sopar gelungen war, solange er zurückdenken konnte, und das war sehr lange.

Der erste war ein Druna-Wurmjäger, er war gelenkig und schnell, aber nicht schnell genug.
Letztlich erlag er den schweren Verletzungen, welche die Geschosse der Lichtlanzen an ihm verursacht hatten.
Er starb zwischen den Hügeln der Steppe, in den Armen dieses zweiten ,und dieser Schatten war ein Krieger.Ein frei Geborener,listig,stark,und mit einem Fell,das auch die hellsten Strahlen der Druna-Sonne absorbieren konnte. Er war ziemlich sicher, auch eine Lichtlanze überleben zu können, wenn ihn nicht gerade ein Volltreffer erwischen würde.

Er liess sich gefangen nehmen, liess sie denken, sie hätten ihn erwischt,indem er sich in eine ihrer Fallen begab. Aber er suchte und witterte, bis er fand, was er suchte, und das war diese Windigry, deren Lichtlanze gemeinsam mit der ihres Befruchters für den Tod seines entflohenden Schattenbruders sorgte.
Der Schattenkrieger wusste, wie man dafür sorgte, die Aufmerksamkeit der Windigry abzulenken, und es erfreute ihn, hatte es doch zugleich einen netten Nebeneffekt.
Er tat, was zu tun war, und dann floh er, wohl wissend das sich diese beiden auf seine Spur setzen würden, die zu verwischen er sich kaum die Mühe machte.

Die Windigry begann zu stöhnen und zu fluchen. Der zweite Schatten rückte näher an das Gebüsch heran, um besser sehen zu können. Er wusste, das Windigry schon ab etwa einer Stunde nach der Befruchtung durch ihren Mandragor ein neues Leben gebähren konnte.Er wusste auch, das Schattenwesen
ihren Müttern etwas mehr Zeit liessen.Bei artfremden “Wirten“ konnte man das nie so genau sagen.
Die Windigry würde einen Mandragorsäugling liebend gerne töten, währe sie nicht viel zu schwach, durch die Strapazen der rasend schnellen Schwangerschafft. Die Mandragor würden eine neu geborene Windigry ebenfalls gerne tod sehen, wagten sich jedoch selten an sie heran, da Windigry mit messerscharfen Zähnen und einem unbezähmbaren Lebenswillen zur Welt kamen.
Es kam eben in jedem Fall darauf an,wessen Gene sich durchsetzen würden.
Keinesfalls jedoch währe mit “Muttergefühlen“ zu rechnen,sollte die Windigry feststellen,das...

Der Schatten wartete lauernd, bereit beide Jäger zu töten, gegebenenfalls auch die Brut.
Der Mandragor erwachte, und sah den den dick gewölbten Bauch seiner Gefährtin mit grossen Augen und angewidertem Interesse an.
Es dauerte etwa 20 minuten, dann riss die Windigry die Augen auf, und stiess einen gewaltigen Schrei aus.
Dieser galt nur zu einem geringen Teil dem Entbindungsschmerz. Im gleichen Moment, als das Feuchte Bündel aus ihrem Schoss glitt, sah sie den Schatten aus dem Gebüsch gleiten, gross und dunkel, und unheimlich schnell.
Er schoß auf die beiden zu, und seine Krallen zerteilten die Nackenwirbel des Mandragor gerade rechtzeitig, ihn noch sehen zu lassen, was seine Windigry, dieses verfluchte Miststück, da gebar.
Dann fiel der Schattenjäger auf die Seite, und nur ein paar reaktionen seines Körpers liessen seine Muskeln noch eine weile weiterzucken.
Die Windigry schrie noch ein oder zwei Sekunden weiter, bevor ihr die Kriegerkralle des Schattens die Bauchdecke zerteilte, sie der Länge nach aufschnitt, und lange Darmstränge aus ihrem Körper drängten, um neben ihrem sterbenden Körper über das stumpfe Gras zu sickern.
Dann nahm der zweite Schatten das kleine dunkle Wesen vom Steppenboden auf, und verbarg es in den Tiefen seiner Fellbewachsenen Hautfalten.
Er würde seinen Sohn “Der dritte Schatten “nennen, ihn zu einem Krieger erziehen, und gemeinsam würden sie ihre Jagd fortsetzen.


ENDE

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.05.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Dieses Buch ist ein Teil meines Lebens, das ich schrieb, als ich gerade mein zweites Kind verloren hatte. Bis dahin war mir unbegreiflich, warum es gerade immer mich traf, dieses viele Pech und Unglück. Mir alles von der Seele zu schreiben, war eine große Erleichterung für mich, zu vergleichen mit einer Therapie. Es half mir einfach . In dem Moment , als ich alles Erlebte niederschrieb, durchlebte ich zwar alles noch einmal und es schmerzte, doch ich hatte mir alles von der Seele geschrieben und fühlte mich erleichtert. Genau dieses Gefühl, möchte ich an Leser heranbringen, die auch vom Pech verfolgt sind, damit sie sehen, das es trotzdem doch immer weiter geht im Leben. Ebenso möchte ich es an Menschen heranbringen, die nicht soviel Pech im Leben hatten, aber sich gar nicht mit anderen Sorgen von Fremden belasten wollen. Und wenn es nur ein einfaches Gespräch oder ein guter Rat ist, das hilft schon sehr viel.

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