Stefan Köhler-Holle

El Diabolo im Reich der Circussinne

Warum ich herauf gestiegen bin, kann ich gar nicht so genau sagen. Aber irgend etwas störte mich und über mir machte sich eine merkwürdige Atmosphäre breit.
Seit dreihundert Jahren habe ich mein Refugium in der Waller Feldmark und Sie waren wieder da. Vor zwei Jahren habe ich Sie in Ruhe gelassen. In der Hoffnung Sie mögen nie wieder kommen. Nun begann das Spektakel von Neuem. Ich war neugierig.

Ich? El Diabolo.

437 Jahre alt, 1,92 m groß, kurze Haare, rote lange und spitze Ohren - bei deren Schöpfung wurde ich zunächst für Captain Spock gehalten -, kurze aber spitze Hörner. Lieblingsfarbe: Rot, Rot, Rot!
Lieblingskleidung: mein über alles geliebter roter Umhang. Lieblingstätigkeit: Stören, ärgern und nochmals Stören und Ärgern.

Meine ungebremste Lust nach Neuigkeiten ließ mich aus meinem höllischen Thron erheben. Ich genieße diese Erhabenheit. Meine imposante Größe läßt die anderen armseligen Geschöpfe in den heißen Gemächern erschauern. Ich durchschritt die jahrhunderte alten Gemäuer und ließ eiligst die langen Flure und Tunnel hinter mir.

Um an die Oberfläche zu gelangen benutze ich seit Jahren einen stillgelegten Eingang zur Kanalisa- tion. Seitdem ich vor drei Jahren, einen Kanalarbeiter der Bremer Stadtwerke, an dieser Stelle eine Feuerfontäne um die Ohren spuckte, hat man diesen Gullydeckel still gelegt.
Ich betrat also den Storchenweg und erschauerte. Da standen an der Straße zwei kleine Knirpse - jeder mit einer Fackel in der Hand. Sie hielten sich die Fackel an den Mund und sprühten Feuerfon- tänen in die Nachtluft des Waller Parzellengebietes.
Ich dachte zunächst es handele sich um die nächsten Kandidaten für den Abstieg. Aber von der Oberleitung wurden mir diese Bilder noch nicht übermittelt. Dafür waren diese Geschöpfe viel zu jung. Sie sprühten so vor Elan, als hätten sie in dieser Nacht noch viel vor.

Ich ging den Storchenweg entlang und sorgte bei einigen Spaziergängern für viel Wirbel. Und dann viel es mir ein. Der Storchenweg führt geradewegs zur Waller Fleetkirche. Eigentlich waren es nur ein paar Schritte. Ich verfolgte die Leute. Und tatsächlich: es waren keine Spaziergänger, sondern Besucher der Fleetkirche.

Über dem Eingang der Kirche hing ein Transparent: Circus Spektakel.

Das waren sie also wieder. Circus Spektakel. So zeigte es das Transparent an.

Circus in diesen heiligen Gemäuern? Eine glänzende Idee, der Heiligkeit lustvolle Szenarien vorzu- spielen!
Einmal im Monat stört mich eine quäkende Musik und der kreischende Gesang ältlicher Frauen.
Ein schwarz gekleideter Zeitgenosse, etwas klein, aber mit Oberlippenbart und einem dicken Buch unter dem Arm erzählt Geschichten, bei deren Worten die ein oder andere Alte verständnisvoll den Kopf nicken, anderen fällt erschöpft vom langen Leben der Kopf auf die Brust.
Zukünftige Kunden? Wenn da nicht die weißen himmlischen Heerscharen wären. Ja.

Und heute? Circus in den heiligen Gemäuern.

Es war Samstag, 18.49 Uhr. Zur besten Fußball Fernsehzeit. Ich hatte gerade meinen Beitrag dazu geleistet, daß Werder in Köln null zu zwei verloren hat und die Bildzeitung wird in ihrer Sonntags- Ausgabe vermelden, daß Bremen Abstiegskandidat Nummer eins ist. Tabellenplatz 17.
In der Fleetkirche spielten einige kleinere Menschen an irgendwelchen Schaltern herum. Licht- und Glockenschalter unterschieden sich in keinster Weise. Ein Mann, aussehend, wie ein Pinguin mit Zopf brüllte herum, weil schon wieder jemand den Glockenschalter mit einem Lichtschalter ver- wechselt hatte.

Es war Samstag, 19.00 Uhr. Circuszeit in der Waller Fleetkirche!

Unter der Empore begann wuseliges Treiben. Man schlug sich in die Hände und spuckte sich zu den Worten: Toi, toi, toi, dreimal über die Schulter. So richtig wahrgenommen hatte sich noch niemand. Aber Das sollte sich ändern! Denen werde ich ihre Suppe versalzen!

Vereinzelt wurden noch gelbe Zettel angepriesen. Ich nahm mir einen und wurde das erste Mal so richtig wahrgenommen: „Eyh. Das kostet 50 Pfennige!" Ich hatte keine dabei. Also legte ich die Zettel wieder hin - aber nicht ohne vorher gelesen zu haben, daß hier ein „Schräglich netter Abend" stattfinden soll.
Das könnte ein Abend, so richtig nach meinem Geschmack werden. Ich liebe schräge Abende.

Dann wurde es auf einmal ruhiger und es setzte ein Orgelvorspiel ein. Die „Toccata in D Moll" von Johann Sebastian Bach.
Der Mittelgang des Kirchenschiffes war von einem blauen Lichtkegel erhellt. Etwas schräg vor mir stand ein Mann, in einer schwarzen Kutte. In der Programmzeitung als Horst Henken angekündigt.
Aussehen tat er wie ein Pfaffe. Jene Menschen, die El Diabolos Wesen nicht kennen und es stets verteufeln.
Mit einem dicken Buch - dem Buch der Bücher - betrat er das Kirchenschiff und nickte dabei zufrieden seiner Gemeinde zu. So voll war die Kirche wohl lange nicht mehr gewesen.
Der Pfaffe erklomm die drei Stufen zur Kanzel, legte sein Buch ab und kramte in der Hosentasche nach seiner Nickelbrille. Gerade aufgesetzt, das Buch aufgeschlagen hat es ihm die Stimme ver- schlagen; denn es wurde wahrhaft himmlisch.. Auf Wolke sieben schwebten zwei weiß gekleidete Engelchen herein. Den Pfaffen anlächelnd verschwanden sie jedoch im Raum neben dem Platz, wo normalerweise ein Altar stand.
Wollte der Pfaffe einen Gottesdienst ohne Altar abhalten? Ich dachte es wäre Circuszeit.

Doch Das, was dann passierte brachte den Pfaffen endgültig aus der Pfaffung, äh Pfassung (hmm. Irgend etwas an dem Wort ist falsch geschrieben. Ich werde noch drauf kommen!)

Es müssen so um die zwanzig kleinere und größere Wesen gewesen sein, die durch die Kirche tobten. Sie hatten weiße Keulen und Fahrräder mit nur einem Reifen dabei.
Und dann erspähte ich etwas, daß mir die Weißglut in die Adern trieb. Es hatten sich welche an meinem Spielzeug vergriffen. Dabei hatte ich die Kiste so gut verschlossen.
Um das zu verstehen, was da gerade passierte - auch ein El Diabolo ist hin und wieder verwundert; dafür aber seine Rache um so genüßlicher -, nahm ich mir die gelben Zettel - als Programmzeitung angepriesen - zur Hand und entdeckte eine riesige, dicke und schwarze Zeile: „Der Circus Spektakel holt den Teufel in die Waller Fleetkirche!"

Naja, daß hatten sie geschafft! Und sie werden es bereuen!

Unter dieser Zeile standen Worte wie „Ein dreifaches Ex & Hopp wagen Marcel Scherrer und Jonas Diestelmeier im Kirchenschiff der Waller Fleetkirche. Sie werden ihr teuflisches Werkzeug - auch Diabolo genannt - dreifacher Version durch die himmlischen Lüfte."

Naja! Mal sehen ob die Beiden mehr drauf haben am Diabolo, als El Diabolo höchstpersönlich.
Weiter steht in den gelben Zetteln: „Der Circus Spektakel ist gespannt, ob El Diabolo sich beim Anblick, von Ex & Hopp, vor Vergnügen an den Hörnern reibt."

Das, was ich dann gesehen habe war die Hölle! Ich konnte mir aber nicht verkneifen, einmal kräftig einen heißen Windhauch zu entfachen, damit eines der Diabolos herunterfällt.

Es war Samstag, 19.12 Uhr. Circuszeit in der Waller Fleetkirche!

Überhaupt gefiel es mir sehr gut in der Fleetkirche. Denn der Heizer vom Dienst meinte es gut und hat wohl voraus geahnt das ich komme. Denn er hat höllisch gut eingeheizt.

Die nächste Nummer gefiel mir außerordentlich gut. Denn ganz im Stile von Oberproli Tom Gerhard haben zwei Gestalten - in Weste und Frack, der im Frack sah aus wie ein Pinguin aus der Hippizeit. Zumindest ließen seine Deadlocks darauf schließen. - ihren Schabernack mit den vielen Leuten getrieben.
Sie versuchten die Männer - mit „Boah ey" -, die Frauen mit kreischen und die Kinder mit klatschen und stampfen zu dirigieren.
Am besten haben mir die Frauen gefallen. Wie die gekreischt haben. Manch eine schien sich wie am Eingang der Hölle zu fühlen. Ein Geräusch, sage ich Euch, lauter wie die himmlischen Himmelschöre, wenn sie ihr „Tochter Zion" jubilieren.

Und dann diese nächste rührselige Nummer. Der als Clown ausstaffierte Jan zog lustvoll mit einer Spieluhr durch die Kirche. Sein glückseliges Lächeln beim öffnen der Spieluhr veranlaßte den ein oder anderen zum schmunzeln und in diesem Augenblick entschloß ich mich ihnen diese Lust auszutreiben.
Auf leisen Sohlen schlich ich hinaus und begab mich zur Hintertür. Dort schien der Clown auf irgend etwas oder irgendwen zu warten.
Ich wollte meine ganze Gemeinheit ausspielen.
Von hinten - ganz gemein - übertölpelte ich ihn, entriß ihm die Spieluhr, öffnete den Deckel einer Mülltonne und schmiß die liebliche Melodie hinein. Und Glück gehabt. Die Spieluhr war kaputt. Der Clown schmiß sich schluchzend auf den Fußboden und im Kirchenschiff waren einzelne Buhrufe zu hören, als ich ihn auch noch verhöhnt habe: „Ha ha ha ha! Du Narr Du!" Ich hatte mein Ziel erreicht. Clown Jan schluchzend am Boden, das Publikum aufgebracht und die Spieluhr kaputt.
Und dann geschah etwas, daß mir die Zornesröte ins Gesicht trieb.
Jan öffnete den Deckel des Mülleimers. Und da war sie wieder: die lustvolle und liebliche Melodie seiner Spieluhr. Erschrocken ließ er den Deckel wieder fallen - mir verwundert in die Augen schauend. In diesem Moment verwandelte sich sein Gesichtsausdruck vom Verwunderten zum Triumphierenden.

Denn unter dem Beifall der Zuschauer nahm er den Mülleimer in den Arm, öffnete den Deckel und schwebte förmlich, zur Melodie seiner Spieluhr, durch die Kirchenreihen.
Ich zog mich grollend zurück und beschloß, daß meine Rache noch bitterer sein wird!

Dazu hatte ich gleich, bei den angekündigten Akrobatik „Kids" die Gelegenheit.

Ich, El Diabolo, wollte ja schon bei der Generalprobe verhindern, daß die ihren Dreier Schulterstand hinkriegen. Es sollte eine wackelige Angelegenheit werde.
Und nun. Floh Hannes ganz oben stand und stand und stand und stand. Und mir blieb nichts anderes übrig, als mir verwundert an den Hörnern zu reiben. Zum zweiten mal an diesem Abend. Statt dessen habe ich ihm einen Höhenrausch verpaßt.

Erschöpft zog ich mich für ein Weilchen zurück. Ich paffte eine meiner eigens von weit her importierten Dampfstengel.
Drinnen ertönte meine Lieblingsmusik. Die Musik vom Tod.
Wenn sich die langen Schlangen sündiger Leiber am Tor zur Hölle drängeln, sitzt er dort, der Mundharmonicamann und spielt seine durchdringende Musik. Und wer sie einmal gehört hat, wird sie nie wieder vergessen und ihn stets daran erinnern, wo er sich befindet.
Und nun erklang diese Melodie in den Gemächern der Heiligkeit.
Ich kramte mein Programmblatt hervor und las dort „Spiel mir das Lied vom Tod" - Scherbenläufer und Fakire.
Ich wurde neugierig. Während ich an meinem Dampfstengel zog, erlaubte ich mir einen Blick in das Kirchenschiff und was ich dort sah: einen kleinen Mann. Er erinnerte mich an einen kleinen und liebenswürdigen Waldschrat. Er saß in einem Haufen Scherben und ein finster drein schauender Typ zog ihm etwas aus den Rücken. Und jedesmal zuckte der Körper des Waldschrats zusammen und seine Gesichtsfalten verzogen sich Schmerz geplagt.

Irgendwoher kenne ich diesen finster drein schauenden Typen. Irgendwoher. Woher?

Mein Dampfstengel war aufgepfafft - äh aufgepafft. Ich, El Diabolo, betrat durch den Haupteingang die Kirche und stellte mich unter die Empore.
In der Manege mühte sich ein übrig gebliebener Hippie ab. Lange Haare, zu einem Zopf gebunden, Dreitagebart, eine Kette um den Hals und im linken Ohr einen Ohrring.
Er lieferte sich mit dem Publikum eine Farbklecksschlacht. Einige waren dabei, die verstanden dieses Spiel nicht. Denn sie warfen ihre Farben nicht in das dafür vorgesehene Zaubermalbuch, sondern zielten bewußt daneben.
Gerade als der Hippie die Farben wieder zurück geben wollte mischte ich mich ein. Aber so, daß es keiner gemerkt hat.
Ich pustete meinen teuflischen Atem leicht in das Kirchenschiff und der Hippie wollte seine nun wieder schwarz weißen Bilder zeigen. Aber der Typ hatte nicht mit mir gerechnet. Denn mein übel riechender Atem ließ auch das schwarz verschwinden.

Das geilste am Circus Spektakel sind die vielen komischen Typen.

Apropos finster drein schauender Typ. Ich glaube den habe ich schon mal in Lilienthal gesehen.

Nun war wieder meine Zeit gekommen mich einzumischen. Angekündigt waren die „Cyber Groove Gladiators". Auf der Bühne standen jedoch zwei Typen, beide überdimensional groß. Mitgekriegt hatte ich bereits, daß der etwas längere von den beiden, von den anderen liebevoll Onkel Dittmeyer genannt wird. Dabei ist Onkel Dittmeyer doch schon lange Tod. „Onkel Dittmeyer ist Tod. Es lebe Jack Daniels!"
Mit direkten Draht zu meinen höllischen Gemächern ausgestattet betrat ich hinter den beiden die Bühne.
Was dann über die Zuschauer herein brach - das war ganz nach meinem Geschmack. Die Zuschauer saßen auf ihrem Allerwertesten und ich habe ihnen meinen entgegen gestreckt, damit die höllischen Winde, die mir zu entgleiten drohten, nicht die Luft in der Manege allzusehr in Anspruch genommen haben.
Meine Bälle habe ich in rasanter Weise durch die Luft gewirbelt. Das ich mich dann auch noch auf die Fresse gelegt habe und die Zuschauer tierisch gelacht haben, hat mich schmollend in meine Gemächer zurück ziehen lassen.
Der nächste Programmpunkt war auch nicht unbedingt mein Fall, denn es ging um eine indische Liebesblume. Und für die Liebe bin ich nun wahrlich nicht zuständig. Darüber habe ich so meine eigene Philosophie.

Als ich es mir in meinen Gemächern gemütlich gemacht hatte, ging oben ein höllisches Getrampel los. Meine Spione Lucifus und Konfuzius berichteten mir, daß sich ein Clown, mit schwarzen Schuhen, die ihm viel zu groß waren, in eine Frau verliebt hat, die einen ausgesprochenen Damenbart trug, überdimensionale Füße hatte und Titten, auf denen Mann ein Bierglas abstellen könne.

Wie gesagt ich hatte es mir gemütlich gemacht und da viel mir ein Witz ein, den mir neulich mein Vetter El Teufo erzählt hatte:
Warum benutzen Postbeamten nur dreilagiges Toilettenpapier? Weil sie von jedem Scheiß zwei Durchschläge brauchen.

Aaaah! Jetzt fällt mir wieder ein, woher ich diesen finster drein schauenden Typen kenne. Er ist Postbeamter in Lilienthal!

Nun war Pause angesagt und 100 durstige und hungrige Opfer drängelten sich zur Saft- und Sektbar durch. Kleine Kinder quengelten. Reges Geplapper und Musik aus der Konserve produzieren eine Geräuschkulisse, die jeder Hölle Konkurrenz machen können. Draußen vor der Tür pafften sie und kamen ihrem und meinem Ziel wieder ein Stück näher - meinen Schmelztiegel zu füllen. Kilometerweise Asphalt schlängelt sich durch ihre Luftröhren, zwischendrin hustet einer und spuckt den anderen einen gelblich - klebrigen Klops entgegen.
Durch die ganze Szenerie schwebt ein weißer Engel. Leicht gelockt, gummierte Flügel - die sollen angeblich besser fliegen. Doch wie bei allen Gummis, wenn sie ein Loch haben, passiert ein Unglück. Einer meiner höllischen Botschafter ging am Engel vorbei und stach ihm mitten in den Flügel. Wollen wir doch mal sehen, ob dieses Wesen noch abheben kann.

Und dann war es soweit, alle hungrigen und durstigen Seelen waren abgefüllt, einzelne torkelten Richtung Stuhl, andere waren immer noch am schimpfen über die Preise der Getränke.

Die Ouvertüre. Pfaffe vorne weg und hinterher ein Engel, der erregt mit den Flügeln geschlagen hat, aber dank meiner genialen Einfälle keine Chance hatte abzuheben. In der Manege angekommen wirkte der Engel recht lustlos und schimpfte darüber, wie langweilig alles sei. „Auf Wolke 7 ist auch nichts mehr los!" sagte er. Nachdem der Engel auch noch versucht hat die Zuschauer anzustecken, kam der andere Engel und verpaßte ihm eine neue Stimme. „Düdelidüd!" tönte es durch die Kirche und der Engel war ganz verzweifelt, daß ihn keiner mehr verstanden hat. Geködert mit der neuen Stimme wurde der Engel, weil man ihm sagte Mork vom Ork könne diese Stimme verstehen. Aber den habe ich rechtzeitig um die Ecke gebracht.

Von Sirenengeheul und vier finster aussehenden Typen wurden die Engel von der Bühne vertrieben. Und was dann da abging ...... Keulen, Bälle, böse Blicke flogen von Ecke zu Ecke und das ganze Dilemma der Geschichte - so ganz nach meinem Vergnügen - verpaßten die vier ihren Zug.

Nun war Pause angesagt und 100 durstige und hungrige Opfer drängelten sich zur Saft- und Sektbar durch. Kleine Kinder quengelten. Reges Geplapper und Musik aus der Konserve produzieren eine Geräuschkulisse, die jeder Hölle Konkurrenz machen können. Draußen vor der Tür pafften sie und kamen ihrem und meinem Ziel wieder ein Stück näher - meinen Schmelztiegel zu füllen. Kilometerweise Asphalt schlängelt sich durch ihre Luftröhren, zwischendrin hustet einer und spuckt den anderen einen gelblich - klebrigen Klops entgegen.
Durch die ganze Szenerie schwebt ein weißer Engel. Leicht gelockt, gummierte Flügel - die sollen angeblich besser fliegen. Doch wie bei allen Gummis, wenn sie ein Loch haben, passiert ein Unglück. Einer meiner höllischen Botschafter ging am Engel vorbei und stach ihm mitten in den Flügel. Wollen wir doch mal sehen, ob dieses Wesen noch abheben kann.

Und dann war es soweit, alle hungrigen und durstigen Seelen waren abgefüllt, einzelne torkelten Richtung Stuhl, andere waren immer noch am schimpfen über die Preise der Getränke.

Die Ouvertüre. Pfaffe vorne weg und hinterher ein Engel, der erregt mit den Flügeln geschlagen hat, aber dank meiner genialen Einfälle keine Chance hatte abzuheben. In der Manege angekommen wirkte der Engel recht lustlos und schimpfte darüber, wie langweilig alles sei. „Auf Wolke 7 ist auch nichts mehr los!" sagte er. Nachdem der Engel auch noch versucht hat die Zuschauer anzustecken, kam der andere Engel und verpaßte ihm eine neue Stimme. „Düdelidüd!" tönte es durch die Kirche und der Engel war ganz verzweifelt, daß ihn keiner mehr verstanden hat. Geködert mit der neuen Stimme wurde der Engel, weil man ihm sagte Mork vom Ork könne diese Stimme verstehen. Aber den habe ich rechtzeitig um die Ecke gebracht.

Von Sirenengeheul und vier finster aussehenden Typen wurden die Engel von der Bühne vertrieben. Und was dann da abging ...... Keulen, Bälle, böse Blicke flogen von Ecke zu Ecke und das ganze Dilemma der Geschichte - so ganz nach meinem Vergnügen - verpaßten die vier ihren Zug.

Ich, stand mittlerweile wieder unter der Orgel und war damit beschäftigt 'nen Typen anzukucken, der ständig damit beschäftigt war, mit irgendwelchen Frauen zu flirten. Dieser Augenaufschlag ... ! Pfeifend, wie ein Gigolo, betrat er die Kirche - wurde aber zurück gepfiffen. Er mußte zwei festlich geschmückten Frauen den Vortritt lassen. Im Gepäck dieses Trios: teuflische Stäbe. Einer der Requisiten, mit der die gerade verblichenen in die höllischen Tiegel getrieben werden.

Rola Rola - noch irrer als die Stäbe - wurden in die Manege getragen. Drei Kurze bemächtigten sich ihrer und zeigten Balancen.
Währenddessen tobten immer noch die beiden Engel durch die Kirche. Sie schrien und fetzten sich miteinander. Mork vom Ork war aber immer noch nicht dabei.

Die ersten Artisten haben sich schon für das Finale fertig gemacht und ich beschloß mich noch einmal einzumischen. Laut Programmblatt waren die Engel noch einmal dran. So war es auch. Die beiden standen dort und waren immer noch damit beschäftigt sich mehrere „Düdeldidüds!" an den Kopf zu werfen. Ganz entgegen meinem Geschmack, ließ sich der eine Engel erweichen, dem anderen seine richtige Stimme wieder zugeben.
Ich beschloß mich einzumischen. Und gerade indem Moment der Stimmenumwandlung sprang ich dazwischen und verpaßte beiden ein „Düdeldidüd!". Und wie sauer die beiden waren.

Da ich der eigentliche Star des Abends war beschloß ich mich in das Finale einzumischen. vorne standen schon zwei Typen mit 'nem Seil in der Hand. Onkel Ditmeyer und der Hippie.
Bevor der erste Artist überhaupt springen konnte, drängte ich mich dazwischen - mein Temperament drohte mit mir durchzugehen - ich stürzte nach vorne und habe mich lang auf die Fresse gelegt. Dieses Gelächter darüber war die Hölle. Die sollen sich nur nicht zu früh freuen. Ich habe noch ganz andere Gemeinheiten auf Lager. Und das ist die Schließung der Fleetkirche. Für immer und ewig werden sich hier, in diesem alten und gebrechlichen Gemäuer, die Pforten schließen und die kirchliche Werbemaschinerie verstummen.

Glocken ab, Tür zu!

die idee zu dieser geschichte kam mir, als der circus spektakel (damals noch mit untertitel: das kirchenvariete) seine letzte vorstellung in einer kirche gegeben hat. und eine bremer tageszeitung titelte damals: circus spektakel bringt den teufel in die waller fleetkirche.
und tatsächlich während der vorstellung tummelte sich el diabolo persönlich und zahlreiche engel in der fleetkirche. sie haben die circusgeschichte erzählt, die spektakel in die manege gebracht hat. es war eine der schönsten vorstellungen, die diese circustruppe jemals gespielt hat.
Stefan Köhler-Holle, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.01.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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