Gerda Schmidt

1.1.1.1.1.1.1 Herr K. und das Tissue Komplott

Herr K . saß noch immer zusammengekauert in seiner Ecke. Erst als es ihm kalt um die Beine wurde, kehrte er in die Realität zurück. Er hatte eindeutig Halluzinationen. Einzig die Pfütze um ihn herum ließ die Annahme zu, dass das was er eben zu erleben glaubte, auch wirklich geschah. Vielleicht waren seine Nerven nur überspannt. Das wäre kein Wunder, bei dem was er in letzter Zeit alles erlebt hatte. Aber was hatte das Rumpelstilzchen damit zu tun?

Schon als Kind hatte er gerne gelesen und Märchen faszinierten ihn. Doch Gestalten, wie Rumpelstilzchen, flößten ihm schon damals große Furcht ein. Sogar heute noch durchzuckte es ihn, wenn er diesen Namen auf einem Kinderbuch las oder ein kleine, hutzelige Gestalt mit grünem Filzhut, roten Hosen und einem zotteligen Bart von einem Buchumschlag ihm zukicherte. Er konnte nicht begreifen, wie man Kindern weiß machen wollte, daß es jemanden gibt, der aus Stroh Gold spinnen konnte. Das beschäftigte ihn so sehr, bis er davon träumte. Wieder einmal hatte dieser Gnom Goldfäden gesponnen und ihn hämisch angelacht. Mit diesem Lächeln auf seinem Gesicht legte er dem jungen Herrn K. einen Strang dieser Fäden um den Hals und würgte ihn solange, bis dieser laut schreiend aufwachte. Seine herbeigeeilte Mutter schüttelte entsetzt den Kopf und befreite ihn von seinem Überschlaglaken, welches sich fast knotenartig um seinen ganzen Kopf gewickelt hatte.

Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Er war doch nicht möglich, daß er ausgerechnet jetzt begann, seine unverarbeitete Kindheit zu bewältigen. Wer war mit dem Ausruf „Mörder“ gemeint und wo kam dieser rattenartige Pelzklumpen her? In seiner Kindheit hatte er das Frettchen seiner Schwester mit einem Kissen erstickt, als dieses versuchte, zu ihm ins Bett zu kriechen. Er ekelte sich generell vor pelzigen Vierbeinern, weil sie nur Ungeziefer in ihrem Fell beherbergen, ständig am fressen sind und nachts einen Heidenlärm verursachen. Seit dieser Zeit hatte seine Schwester ihn jede Nacht in Panik versetzt, indem sie ihm Regenwürmer und Käfer unter die Matratze legte. Wenn es dunkel war, krochen sie über das Bettlaken und hinterließen schleimige Spuren. Vor Angst hatte er sogar ins Bett genässt. Seine Mutter konsultierte damals einen Arzt, der Herrn K. in jungen Jahren eine Therapie verordnete und ihm 3 x tägliche Buchweizentabletten applizierte. Was letztendlich half, blieb bis zum Ende unklar.

Permanentes Klopfen und Rufen erinnerten ihn daran, daß man versuchte, ihn aus dieser mißlichen Lage zu befreien. Jetzt mußte er sich endlich beeilen. Schnell rutschte er in die andere Ecke, in der sich seine Aktenmappe befand. Als er die Thermoskanne anhob konnte er auch dort eine Pfütze ausmachen und die Kanne meldete durch rasselnde Geräusche, daß der Glaskörper im Inneren zerschellt war. Durch die halboffene Butterbrotdose konnte man die aufgeweichten Brote erkennen. Einzig und alleine die Rolle Tissuepapier hatte nichts abbekommen. Strahlend weiß und rund lag sie neben der hingeschleuderten Tasche. Herr K. nahm sie fast zärtlich und wie zum Schutz sachte in die Hand, um sie nach kurzem Innehalten langsam Runde um Runde zu entrollen. Nach jeder 4ten Runde knüllte er das Vlies zusammen und wischte zuerst seine Ecke auf. Nach dem 7ten Trockenversuch lagen entsprechend viele Häufchen nasses Toilettenpapier auf dem Aufzugsboden, der auch noch mit den Glassplittern übersät war.

In dem Moment zwängte sich der erste Retter durch die nun halb entfernte Liftdecke. Entsetzt blieb dieser mitten in der Bewegung stehen und strafte Herrn K. mit Blicken, die ihn die Röte ins Gesicht steigen ließen. Bevor noch der zweite Helfer daneben stand sagte der erste zu allen: „Erwin, das scheint mir ein Perverser zu sein. Das ist der gleiche, der damals beim Wasserrohrbruch in der Scheiße lag und angeblich seinem Chef, der ausgerutscht war, aufhelfen wollte.“

Erwin lächelte ihn unverschämt an, musterte Herrn K. von oben bis unten und meinte dann unverhohlen: „Wieviel ist Dir denn die Freiheit wert, Junge? Ohne uns kommst Du hier nicht heraus. Wenn Du nicht mitmachst, zeigen wir Dich wegen Vandalismus und Perversion in staatlichem Eigentum an.“

Herr K. glaubte in Ohnmacht zu fallen, als sich seine Augen wie in epileptischer Manie zu verdrehen begannen. Das letzte was er sah, war Rumpelstilzchen`s dämonisches Lächeln. Mit letzter Kraft wollte er sich noch am Griff festhalten, als er, wie von unsichtbarer Hand, durch die sich plötzlich öffnende Fahrstuhltür gezogen wurde. Die beiden Handwerker blieben wie gelähmt stehen.

STAMMBAUM

Vorgänger: (6x)1 Herr K. und das Tissue-Komplott von Rumpelsstilzchen

Nachfolger: (8x)1 Herr K. und das Tissue-Komplott von Gerda Schmidt

http://www.eulenschreibkleckse.de/

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Gerda Schmidt).
Der Beitrag wurde von Gerda Schmidt auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.06.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Gerda Schmidt als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Die Töchter der Elemente: Teil 1 - Der Aufbruch von Christiane Mielck-Retzdorff



Der Fantasie-Roman „Die Töchter der Elemente“ handelt von den Erlebnissen der vier jungen Magierinnen auf einer fernen Planetin. Die jungen Frauen müssen sich nach Jahren der Isolation zwischen den menschenähnlichen Mapas und anderen Wesen erst zurecht finden. Doch das Böse greift nach ihnen und ihren neuen Freunden. Sie müssen ihre Kräfte bündeln, um das Böse zu vertreiben. Das wird ein Abenteuer voller Gefahren, Herausforderungen und verwirrten Gefühlen.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Phantastische Prosa" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Gerda Schmidt

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Die Ostereiersuchaktion von Gerda Schmidt (Zauberhafte Geschichten)
Ist Schreiben wichtig? von Christa Astl (Glossen)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen