Hans Pürstner

Der Mörder war nicht der Gärtner. Teil 4


4.Kapitel
Auf der Fahrt zurück ins Büro gingen sie noch einmal die spärlichen Fakten durch. Woldmann holte seine Aufzeichnungen aus der alten Ledertasche, die er zum leisen Gespött seiner Kollegen überallhin mitschleppte und sah sich auf dem Tischplan aus dem Hause Rabbisch an, wer bei dem fraglichen Essen sonst noch alles dabei gewesen war. Danach wandte sich an Britta Wilhelm, „Sagen sie mal, Frau Wilhelm...“ Er kam nicht dazu weiterzusprechen denn die Angesprochene fiel ihm ins Wort „Sie können ruhig Britta zu mir sagen, Chef. Dieses „Frau Wilhelm“ macht mich ganz nervös. Das erinnert mich an meine vorherige Dienststelle, dort ging es so furchtbar förmlich zu!“. Lächelnd antwortete er „Gerne, Britta, aber dann nenne mich bitte auch Albert“. Sie guckte ihn freundlich an, meinte aber etwas verlegen „Nee, Chef, ich bleibe lieber bei dieser Anrede. Die Kollegen machen das ja auch so!“. Er ließ sich die Enttäuschung nicht anmerken und erwiderte scherzhaft „Ist schon gut, Britta, ich weiß ja, dass ich viel älter bin. Es fällt wohl schwer, einen so alten Sack zu duzen?“. Nun war sie es, die ein wenig konsterniert war. „So war das nicht gemeint, aber mir ist es einfach lieber so!“ Damit war das Thema erledigt und er konnte nun endlich seinen Satz zu Ende bringen. „Der Kollege Pallhuber ist doch bei den Grünen. Er hat mir von einer Bürgerinitiative erzählt, die sich besonders den Kampf gegen die schleichende Vergiftung von Lebensmitteln auf die Fahnen geschrieben hat. Deshalb haben sie schon mehrmals vor Filialen von Rabbisch Märkten demonstriert. Vor ein paar Wochen gab es sogar einen Polizeieinsatz deswegen. Der Filialleiter hatte uns gerufen, weil er darin eine Geschäftsstörung sah.“ Britta schaute ihn fragend an und Woldmann fuhr fort, „ Die könnten uns vielleicht einige wertvolle Hinweise geben, so viele Verdächtige haben wir bis jetzt ja eh nicht. Und ein Motiv schon erst gar nicht.“
„Und da soll ich mich nun als eine Art verdeckter Ermittler einschleichen, oder was?“. Ihre Miene zeigte deutlich, dass sie davon alles andere als begeistert war. Woldmann antwortete ärgerlich, „Es geht doch nicht darum, irgendjemand zu verraten. Mensch, Britta, dir steckt wohl immer noch das Gefühl, ein Judas zu sein in den Knochen. Wie im Dezernat für Interne Ermittlungen. Aber hier geht es doch nicht um Kollegen!“. Britta Wilhelm zeigte sich trotzdem noch immer nicht gänzlich überzeugt von der Aufgabe, aber versprach, sich über die Termine zu informieren, an denen die Initiative sich regelmäßig zu treffen pflegte.
Inzwischen waren sie in der Dienststelle angelangt und parkten das Auto in der Tiefgarage.
Sie fuhren mit dem Aufzug in den dritten Stock und meldeten sich im Büro zurück. Oberkommissar Pallhuber hatte sie schon erwartet und deutete auf Woldmanns Schreibtisch. „Der Bericht vom Gerichtsmedizinischen Institut ist gekommen, Chef. Es war eindeutig eine Vergiftung, aber den genauen Stoff können sie leider noch nicht bestimmen“, rief er ihnen zu. „Sie müssen noch eine etwas langwierige Analyse machen, das geht angeblich nur in einem darauf spezialisierten Institut. Vielleicht solltest du die Ärztin anrufen und ein bisschen Druck machen?“ Woldmann seufzte und nahm sich das Gutachten selbst noch mal vor. Penibel ging er Punkt für Punkt der Expertise durch, konnte aber auch nicht mehr finden als Pallhuber schon gesagt hatte.
„Was soll’s, machen wir eben so weiter. Roland, komm doch mal her!“, rief er den anderen Kollegen zu sich, „Bei dem Rabbisch, da arbeitet ein gewisser Herr Bellmann als Gärtner. Und seine Frau kocht normalerweise. Aber im Moment soll sie krank sein. Bitte überprüfe das doch mal. Wie lange die Beiden schon im Hause arbeiten und so. Und seit wann die Frau krank ist. Wenn dem Rabbisch einer das Gift ins Essen geben wollte, muss er doch gewusst haben, dass es diesmal vom Waldschlösschen kommen sollte. Wenn es nicht eh der Jean Paul war. Aber das kann ich mir nicht vorstellen!“
Roland Emmerich schrieb sich die Namen und die Telefonnummer von der Rabbisch Villa auf und ging zurück an seinen Schreibtisch, um den Auftrag auszuführen.
Pallhuber hatte während ihrer Abwesenheit eine Magnettafel an die Bürowand gehängt und die bisher vorliegenden Fakten darauf befestigt. Die Tatortfotos waren eher spärlich, da man den alten Rabbisch ja noch im Notarztwagen behandelt hatte, wenn auch vergeblich. So war auf den Bildern nicht viel mehr zu sehen als der alte riesige Eichentisch mit vierzehn Gedecken und den üblichen Getränkeflaschen, Blumenvasen und Kerzenleuchtern. Woldmann klebte nun kleine gelbe Haftzettel mit den Namen der Teilnehmer anhand der Tischordnung rund um das Foto vom Esstisch. Bei der Gelegenheit fiel ihm ein, dass er Frau Eibel, die Haushälterin vergessen hatte zu fragen, ob ihr jemand beim Servieren geholfen hätte. Kurzentschlossen rief er in der Villa an.
„So, so, der alte Bellmann hat sich um die Getränke gekümmert“, murmelte er vor sich hin, nachdem er den Hörer wieder aufgelegt hatte. „Hast du schon was rausgefunden, Roland, wegen des Ehepaares Bellmann?“ rief er quer durchs Büro dem Kollegen zu. „Ja, Chef, Hab ich!“, antwortete dieser und berichtete weiter „Sie hat sich erst einen Tag vor dem festlichen Abendessen krankgemeldet. Deshalb ist die Küche des Waldschlösschen kurzfristig als Essenslieferant eingesprungen. Frau Eibel hat sich nur gewundert, dass die Bellmann noch überhaupt nichts eingekauft hatte für das Essen. Das macht nämlich sonst sie und nicht die Haushälterin, aber nur bei solchen Anlässen. Genau so, als ob sie vorher schon gewusst hätte, dass sie kurzfristig krank würde. Übrigens ist sie wegen Grippe krankgeschrieben!“, beendete Emmerich seinen Bericht.
„Ja, das hört sich schon etwas eigenartig an“, gab ihm Woldmann recht. „Ich glaube, ich fahre mal zu ihnen, dann kann ich mit beiden sprechen. Frau Eibel hat nämlich gesagt, dass der alte Bellmann heute gar nicht arbeitet. „Und der Kollege Pallhuber, wo ist der eigentlich wieder? Er soll den Winfried Scholz befragen, der war vorhin nicht in seinem Lokal. Er war ja bei der Tafel anwesend. Außerdem kam das Essen von seinem Restaurant. Ich fahr jetzt los, tschüß!“ Sprach´s und verschwand.
Britta Wilhelm war inzwischen die Liste der Anwesenden bei der Tafel durchgegangen und versuchte, einen nach dem anderen telefonisch zu befragen. Bei den zwei engen Geschäftspartnern von Rabbisch war ihr das zwar gelungen, aber sie erzählten alle genau die gleiche Geschichte, die man schon kannte. Darüber hinaus waren ansonsten nur Familienangehörige dabei gewesen. Die einen ließen sich entschuldigen wegen der Vorbereitungen für die Beerdigung, andere wieder gaben wichtige geschäftliche Termine vor oder ließen sich überhaupt verleugnen. „Diese reichen Pinkel!“, schimpfte Britta Wilhelm, „eine Kripobeamtin ist ihnen wohl nicht gut genug. Sollen wir etwa den Polizeipräsidenten bitte, sie zu vernehmen?“ Die Kollegen trösteten sie so gut es ging und schlugen vor, die Beerdigung abzuwarten. Vielleicht ergab sich ja danach eine Gelegenheit, ein paar Fragen zu stellen. „Aber falls sich nur der geringste Verdacht gegen einen von der ehrenwerten Familie ergibt, dann wird Woldmann sich schon darum kümmern. Der ist sowieso ganz heiß auf so was!“ Britta beruhigte sich etwas und meldete sich dann aus der Dienststelle ab. „Ich geh jetzt zu der Öko-Versammlung. Die Leute sind mir sowieso lieber. Vielleicht krieg ich ja von denen noch einpaar Informationen, die uns weiterhelfen!“
Mittlerweile war Woldmann in der Palmaille angekommen, eigentlich eine noble Gegend mit zahlreichen Reedereibüros. Nicht gerade die klassische Gegend, wo Hausangestellte wohnen. Aber es gab auch einige Wohnhäuser hier und in einem dieser wohnte der alte Bellmann mit seiner Frau. Woldmann klingelte unten an der Haustür und nachdem sich in der Sprechanlage eine mürrische Männerstimme gemeldet hatte, stellte er sich vor und bat, hinaufkommen zu dürfen.
Frau Bellmann öffnete die Wohnungstür und stotterte verlegen „Mir geht es ja schon wieder viel besser, Herr Kommissar!“. „Ja, ja, ist schon gut, Frau Bellmann. Ich bin nicht von der Krankenkasse“, beruhigte er sie. „Aber etwas seltsam ist es schon, dass sie genau an dem Abend krank geworden sind. Das müssen sie zugeben, oder?“ Sie antwortete ärgerlich „Ich wüsste nicht, was meine Grippe mit dem Tod des gnädigen Herren zu tun haben sollte. Was glauben sie, wie unangenehm mir das war. Und der Herr Rabbisch war ganz schön sauer. So musste er für teures Geld das Essen aus dem Waldschlösschen kommen lassen. Wo er doch so geizig ist, oder war...“fiel ihr gerade noch rechtzeitig ein. Unterdessen war ihr Mann dazugekommen und bot Woldmann einen Stuhl an. „Sie sollten lieber seine feinen Verwandten durchleuchten, Herr Hauptkommissar. Da gibt es so einige, die nicht ganz unglücklich sind über den plötzlichen Tod des Alten. Immerhin hat er ja eine große Neuigkeit angekündigt anlässlich der Einladung zum Abendessen.“
Bis jetzt habe ich noch keinen getroffen, der über Rabbisch´ Tod besonders traurig gewesen wäre, sinnierte Woldmann und fragte weiter,
„Wie lange arbeiten sie denn eigentlich schon im Hause Rabbisch?“. „Was heißt schon arbeiten“, brummelte Bellmann, „Ausgenutzt hat er uns doch nur, wie so viele andere!“. Er sah, dass dem Beamten diese Antwort nicht genügte und fuhr fort „Vor drei Jahren hat meine Frau angefangen, bei Gesellschaften zu kochen. Die Frau Eibel kocht auch nicht schlecht, aber bei zehn Gästen oder mehr wird ihr das zuviel. Kochen und servieren. Und dann noch der ganze Abwasch. Der Alte ist ja sogar zu geizig eine Spülmaschine zu kaufen. „Da leidet doch der Goldrand von dem guten Porzellan!“, hat er immer als Ausrede gebraucht. Dabei wurde meistens eh aus normalem Geschirr gegessen. Nur für seltene Anlässe kramte man den alten Plünn noch mal hervor.“ Woldmann wunderte sich, warum die beiden dann überhaupt in der Villa gearbeitet haben, wenn es denn so schlecht da gewesen wäre.
Bellmann schien seine Gedanken erraten zu haben.
„Meine Frau ist eine Schulkollegin von Frau Eibel, der Haushälterin. Die hat sie immer wieder angefleht ihr zu helfen. Und irgendwann fand sie Gefallen daran, ein paar Mark extra zu verdienen zu dem bisschen Rente, das wir kriegen. So habe ich dann sogar der Bitte von Rabbisch entsprochen, seinen geliebten Garten zu pflegen. Weil er mit seiner Bandscheibe sich nicht mehr bücken konnte.“
Woldmann war noch nicht ganz zufrieden. „Wo haben sie denn zuvor gelebt, Herr Bellmann?“ „Wir wohnten in Süddeutschland, in Trier“, antwortete dieser “Dort besaß ich eine Weinimportfirma, spezialisiert auf französische Weine. Leider bin ich in Insolvenz gegangen, und da hat mir ein alter Bekannter aus Frankreich, der jetzt in Hamburg lebt, angeboten, in seiner Fünf Zimmer Wohnung zwei Zimmer billig bewohnen zu dürfen. Für ihn war sie eh zu groß. Und auch zu teuer natürlich.“
Und wie heißt dieser Franzose?“. Die Antwort darauf gab ihm jetzt allerdings zu denken. „Jean Paul Mortillon, er arbeitet als Küchenchef im Waldschlösschen“

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