David Weber

Jagd in den Feldern

I.
Fast lautlos glitt die Jagdgesellschaft durch den Wald. Sie hatten ihr gesamtes Leben im Wald verbracht, es war ihr Terrain. Die Diener des Waldes, wie sich selbst nannten, jagten aber kein Wild, sie waren auf den Fersen von Eindringlingen. Zwanzig Stunden davor waren sie auf die Spuren von Menschen gestoßen. Es konnten unmöglich Spuren von Walddienern gewesen sein, diese hinterließen nicht solch eine Schneise der Verwüstung. Es herrschte zwar Frieden im Lande, doch waren diese Fremden ohne Erlaubnis in den Wald eingedrungen, was eine Verletzung der Ehre darstellte.
Breet blieb ruckartig stehen. Die rechte Hand erhoben, worauf auch die Jagdgesellschaft erstarrte. Seine tiefgrünen Augen blickten zu den Baumkronen empor, doch waren sie in diesem Moment nicht in Gebrauch. Er war ganz und gar auf sein Gehör konzentriert. So verharrte Breet für einige Momente bis ein kleines Lächeln auf seinen Lippen spielte.
„Fährtenleser! Tritt vor! Schätze die Situation ein!“
„Nun, ich denke es dürften zwischen zwölf und fünfzehn Reiter sein. Tiefländer, wahrscheinlich auch Gardisten des Kaisers der Tieflanden. Sie haben zumindest zwei, für den Wald ungeeignete, Schlachtrösser dabei, das bedeutet, dass dies entweder Adlige oder Ritter des Ordens der Tieflanden sind.“
Der Anführer löste seinen Blick von den Baumwipfeln und sah dem Fährtenleser in die Augen.
„Was empfiehlst du. Lesaf?“
„Wir müssen sie zur Rede stellen, das unlautere Eindringen in den Wald ist eine Ehrverletzung, die erklärt werden muss! Wir sind allerdings zu wenig Mann um uns der Gefahr einer direkten Konfrontation auszusetzen. Schicken wir den jungen Waldläufer um Verstärkung zu holen. Ein Sieben Bogenschützen und ein Sieben Reiter, dazu einen erfahrenen Waldläufer. Diese Männer und zusätzlich wir fünf sollten genügen um die Situation unter Kontrolle zu halten“
Breet nickte und wandte sich zu seinen restlichen Kameraden.
„Waldläufer! Überbringe die Nachricht! Doch zusätzlich soll sich ein weiterer Waldläufer ein Sieben zusammenstellen und den Wald zwischen der Siedlung und den Tieflanden kontrollieren! Nun eile dich!“
„Waldläufer eilen sich nicht“ sagte der Jungspund lächelnd „Waldläufer sind um einiges schneller“

„So, edler Herr, führt ihr uns nun zu der Siedlung der ach so aufständischen Waldbewohner? Diese grüne Einöde drückt mir allmählich aufs Gemüt, besonders wenn der Sinn und Zweck dieser Aktion so unbestimmt bleibt“
Der junge Graf fuhr herum sein Gesicht hochrot“ Der Sinn, Ritter Bornum, liegt darin, dass mein Onkel, der große Herrscher und Graf, über eine der fünf Marken der Tieflanden, diese AKTION so angeordnet hat. Die alten Karten sind eindeutig, dieser Teil des großen Waldes ist Teil der Mark meines Onkels. Die Waldsiedlungen müssen ihm Treue schwören und die Abgaben zahlen wie alle anderen Siedlungen auch“
„Das Waldvolk hat niemals einem Tiefländer die Treue geschworen und sie werden auch ihrem Onkel nicht Treue noch Gold oder Holz geben. Ihre Karte ist gefälscht, das ist offensichtlich“
„Wollt ihr meinen Onkel einen Betrüger nennen?“
„Ich sage nur, dass ihr einem Irrtum aufsitzt, edler Herr. Mehr nicht. Und falls ihr gedenkt die Diener des Waldes zu unterschätzen, könnte sich dieser Irrtum als ein tödlicher entpuppen“
Der junge Graf Milan zügelte sein Pferd.
„Ich unterschätze niemanden Ritter, doch denke ich wir sind wohl gerüstet um diesen Aufständischen zu zeigen wer ihr wahrer Herr ist und was einen richtigen Tiefländer ausmacht“
„Allein die Wahl eures Pferdes zeigt wie ihr euch vorbereitet habt“ sagte Bornum und ritt langsam los. Er hatte ein kleines drahtiges Pferd gewählt, während Milan ein Schlachtross durch den Wald quälte.
Der Trupp der Tiefländer bestand aus dem jungen Grafen Milan und seinem Knappen, so nannte Milan den Jungen jedenfalls, der ihm zur Hand ging. Zu Milans Bedauern war er aber kein vereidigter Ritter und damit der Junge nicht wirklich ein Knappe. Allerdings war Milan sicher, dass bald der Zeitpunkt der Vereidigung anstehen würde. Außerdem dabei war Bornum, Ritter der Tieflanden, sein Knappe und zwei Krieger aus Bornums Kaserne. Des weiteren hatte Milan ein halbes Dutzend Krieger aus der Leibgarde seines Onkels mitgenommen.
Einer von ihnen, ein Hauptmann, ritt ebenfalls auf einem stattlichen Schlachtross durch den dichten Wald.
„Herr Milan, ich denke wir werden in wenigen Minuten, die erste Siedlung erreichen“
„Danke Hauptmann, macht euch bereit Männer, ich gehe davon aus, dass wir uns hier nicht lange aufhalten werden. Allerdings bitte ich euch zu bedenken, dass Verräter keine Gnade zu erwarten haben. Folgt mir nun!“
Der Knappe ritt neben Bornum und sah diesen fragend an und beugte sich zu ihm herüber „ Will er denn keinen Späher vorschicken, Herr? Ich halte das für reichlich gewagt“
„Du hast recht Pallin, es wäre klüger einen Späher einzusetzen. Ich habe diese Möglichkeit dem Grafen vorhin bereits unterbreitet, aber er will wie er sagt ,mit erhobenem Haupt und voller Ehre in der Siedlung einreiten. Es ist wohl nicht falsch wenn du dein Schwert bereits etwas lockerst.“
Bornum sah zu seinen beiden Kriegern und nickte ihnen fast unmerklich zu. Beide erwiderten die Geste.

II.
Einige Zeit später erreichten sie tatsächlich die erste eingezeichnete Siedlung. Ein dreihundert Schritt durchmessender Kreis war hier gerodet und so eine große Lichtung geschaffen worden. Spärlich über die Lichtung verteilt, waren fünf Holzhütten errichtet worden, auf den ersten Blick schien die Siedlung verlassen.
Die Tiefländer betraten die Lichtung, angeführt von Graf Milan. „Kommt heraus Bewohner dieser Waldsiedlung. Ihr bewohnt Herrschaftsgebiet des Grafen Milan VI.“
Langsam ritten sie voran. „ Hört ihr nicht! Kommt aus euren Hütten!“ Nichts rührte sich. „ Durchsucht die Hütten!“ sagte Milan scharf.

„ Erstatte Bericht, junger Waldläufer“ sagte Lesaf, als dieser lautlos auf dem Rastplatz der Jagdgesellschaft erschien. Er selbst saß auf einem kleinen Felsen und sah nicht einmal auf als der Junge erschien.
„Es sind zwölf berittene und bewaffnete Männer, sie haben die alte Holzfäller-Siedlung durchsucht und als es zu dämmern begann haben sie dort ihr Lager aufgeschlagen. Sie haben auch Feuer angezündet. Sie werden wohl die Nacht dort abwarten wollen.“
„Feuer! Das ist das zweite Verbrechen, das sie begehen. Hast du ein Wappen erkennen können?“
„Ich konnte das Wappen des Kaisers der Tieflanden erkennen. Die schwarze Festung auf weißem Grund. Ein zweites Wappen, ein stolzer Löwe auf Rotem Grund, war auch zu erkennen“.
Lesaf sah zu dem Waldläufer auf.“ Das ist das Wappen der Familie Milan. Danke.“
Lesaf erhob sich und ging zu Breet, der scheinbar teilnahmslos am gegenüberliegenden Rand des Rastplatzes saß und mit Feresen, dem Waldläufer, der mit den beiden Sieben zu ihnen gestoßen war sprach.
„Lesaf“ Breet und Feresen blickten zu ihm auf. „Setz dich zu uns und berichte was der Junge gesehen hat.“
Nachdem Lesaf geendet hatte ergriff Feresen das Wort „Der junge Waldläufer und ich werden sie die Nacht über beobachten und euch hinzu holen, sollte etwas geschehen. Kurz nach der Dämmerung des Morgens sollten wir sie zur Rede stellen“.
„Was meinst du Lesaf?“ fragte Breet.
„ Feresen hat nicht unrecht, das Morgengrauen wird der richtige Zeitpunkt sein. Nur frage ich mich was ein Abgesandter des Grafen Milan hier sucht?“
„Des Grafen Mark grenzt direkt an den Wald. Er wäre nicht der Erste der einen Besitzanspruch auf Teile unseres Waldes erhebt“ Breets Augen blitzen Lesaf an. „ Aber er wäre der Erste der dafür nicht teuer bezahlt hätte!“

Lesaf erwachte und blickte in das Gesicht des jungen Waldläufers
„ Wacht auf. Der Morgen dämmert herauf. Wir brechen auf.“
Langsam kam er auf die Beine und reckte seine steifen Glieder, er verkraftete die Nächte auf dem feuchten Waldboden nicht ganz so gut wie die meisten anderen Diener des Waldes. Langsam kam Leben in die Jagdgesellschaft und wenige Minuten später machten sie sich auf und glitten nahezu lautlos durch den Wald.

III.
„ Jetzt weiß ich ein gutes Bett wieder zu schätzen“ lachte Milan als sie die Pferde bereit machten um weiter zu ziehen. Die Sonne war gerade aufgegangen, und der feuchte Nebel löste sich nun sehr schnell auf.
„Lasst uns nun weiter ziehen Milan. Ich weiß im Gegenteil zu euch, dass der Wald auch Gefahren birgt und möchte euch unbeschadet bei eurem Onkel abliefern.“
„Oh, dies würde er euch sicher danken, doch habe ich meine Männer dabei, die mich im Ernstfall schützen werden. Außerdem vergesst nicht, dass ich im Umgang mit dem Schwert, über die Mark meines Onkels hinaus, Berühmtheit erlangt habe“
„Traurige Berühmtheit“ sagte Pallin leise zu den beiden Kriegern des Kaisers, worauf diese laut lachten.
Bornum und seine drei Gefährten hatten ihre Vorbereitungen etwas früher abgeschlossen und waren bereits gerüstet um weiter zu ziehen als sie Milans laute Stimme vernahmen. „ Bornum, wartet noch etwas.“
„Herr Milan, wir sollten uns jetzt wirklich auf den Weg machen. Löscht das Feuer und wir brechen auf.“
„Nein, werter Ritter, wir haben hier noch eine Kleinigkeit zu erledigen“
Ein Lächeln umspielte seine Lippen während er dem Hauptmann ein Zeichen gab.
„Sehr wohl, Herr“ sagte dieser „Los Männer!“
Zwei der Recken aus des Hauptmanns Garde setzten sich in Bewegung. Aus ihrem Gepäck zogen sie mehrere Fackeln. Diese entzündeten sie am Lagerfeuer und steuerten auf die Hütten zu.
„Brennt alles nieder!“ sagte Milan zufrieden.
Als der erste der beiden eine Hütte erreichte und die Fackel daran setzen wollte brach er urplötzlich zusammen, in seinem Hals steckte ein Pfeil. Die Tiefländer zogen ihre Schwerter und sahen sich nervös nach dem Schützen um.
„Mir scheint ihr werdet früher als ihr dachtet eure Kampfkunst unter Beweis stellen können“ sagte Bornum zu Milan.
Aus dem Wald traten drei Diener des Waldes auf die Lichtung.
„Haltet ein und erklärt euch! Ihr seid eingekesselt!“ Breet sprach ruhig und sicher. „Ihr habt euch zwei Verbrechen gegen die Gesetze des Waldes schuldig gemacht“
„Pah“ Milan spuckte aus. „Wir haben uns nur vor den Gesetzen der Tiefländer zu verantworten. Die Rituale von einigen Wilden interessieren mich nicht. Nicht ich bin es der sich erklären muss. Ihr habt euch den Gesetzen meines und auch eures Herren widersetzt. Hiermit fordere ich euch auf, an den Hof meines Onkels zu kommen ihm Treue zu schwören und ihm den Tribut zu entrichten der ihm gebührt“.
Breet hielt kurz inne „Wenn wir an den Hof eures Onkels kommen, dann nur um ihn nieder zu brennen, und wenn ihr eure Zunge nicht hütet werden wir euren Kopf als Reisegepäck dabei haben“.
Bornum begann, ohne ihnen den Kopf zu zu wenden, leise zu sprechen. „Sie sind uns zahlenmäßig überlegen, wenn Milan einen Kampf vom Zaun bricht, schlagen wir uns nach Rechts einen Weg durch die Waldbewohner. Reitet ohne euch umzublicken bis zum Waldrand, dort treffen wir uns wieder“.
In diesem Moment schwirrte ein Pfeil durch die Luft abgeschossen von einem der Tiefländer. Aus dem Dickicht kam taumelnd eine grün gekleidete Gestalt zum Vorschein und brach röchelnd auf der Lichtung zusammen. Kurz herrschte absolute Ruhe auf der Lichtung. Dann brach der Sturm los. Von allen Seiten stürmten einige Kämpfer aus dem Wald hervor und griffen an. Unterstützt wurden sie von surrenden Pfeilen, abgefeuert mit tödlicher Präzision. Milan fiel getroffen vom Rücken seines Schlachtrosses. Einer seiner Krieger wurde von einem anstürmenden Diener des Waldes mit einem Speer aufgespießt. Der Rest von Milans Garde verwickelte sich schnell in Kämpfe mit den Angreifern.
Bornums und seine drei Gefährten hatten sofort beim Schuss des Tiefländers gehandelt waren nach Rechts weggeprescht. Der Helm eines der Kämpfer wurde von einem Pfeil gestreift, und als sie den Rand der Lichtung erreicht hatten sprangen auch hier zwei Gegner aus dem Gestrüpp. Der erste fiel einem weiten Schwung von Bornums Schwert zum Opfer. Der zweite lief einen kleinen Bogen und versuchte einen der beiden Kriegen von seitlich hinten zu attackieren. Dieser holte kurz aus und rammte ihm den Knauf seines Schwertes mit voller Wucht auf den Kopf. Dann war der Weg in den Wald frei. Pallin ritt wie der Wind. Er ritt wie er noch nie geritten war. Zweige peitschten ihm ins Gesicht und mehr als einmal konnte er erst in letzter Sekunde einem Ast ausweichen. Nach einiger Zeit wurde sein Pferd etwas langsamer und ruhiger, doch sein Herz pochte ihm bis hoch in den Hals, er hatte noch nicht vielen Kämpfen beigewohnt und schon gar nicht einer Übermacht auf dessen Terrain. Nichtsdestotrotz war er gut im Schwertkampf ausgebildet worden, und war durchaus in der Lage sich zu wehren. Ein Ritter wie Herr Bornum suchte sich den Knappen nicht aufs gerade Wohl heraus.
So erreichte er keuchend den Waldrand, und blickte hinunter auf ein Meer von Mais.
„Die Felder“ sagte er ehrfürchtig.
„Ja die Felder“ Bornum und einer der Krieger ritten langsam neben ihn. Der Krieger war ebenfalls außer Atem, doch Bornum war keine Anstrengung anzumerken.
Hinter ihnen im Wald war leises rascheln zu vernehmen. „Da kommt ein Reiter“ sagte Mornir, der Krieger. Die drei zogen ihrer Schwerter. Kurz darauf kam der Hauptmann zum Vorschein „Los folgt mir ich werde verfolgt“ rief er ihnen zu und ritt hinab zu dem riesigen Maisfeld. Als er merkte, dass die drei anderen zögerten, ritt er zurück.
„Kommt! Wir müssen weiter, im Feld sind wir sicherer“
„Das Feld ist ebenso gefährlich wie der Wald. Ihr solltet das wissen, Hauptmann“ sagte Bornum.
„Bleibt hier wenn ihr möchtet, einen von euch haben sie schon erwischt und wenn ihr hier noch länger zaudert wird es euch nicht besser ergehen“. Pallin sah erschrocken zu seinem Herren.
Bornum blickte skeptisch über das gelb-grüne Meer. Dann ritt er los und die drei anderen folgten ihm in schnellem Galopp.
„Wir reiten tausend Schritte in das Feld und reiten dann auf die aufgehende Sonne zu. In dieser Richtung liegen die Tieflanden“. Bornum ritt voran.
Als die Tiefländer gerade in das Feld ritten traten zwölf Waldbewohner aus dem Wald, unter ihnen Lesaf, Breet und Feresen. Sie trennten sich in zwei Gruppen eine angeführt von Breet, die andere von Lesaf und Feresen. So betrat die eine Gruppe rechterhand der Tiefländer das Feld und die andere linker Hand.

IV.
Mühsam schlugen sie sich durch die engen Reihen, je tiefer sie in das Feld vordrangen desto unruhiger wurden die Pferde. Kurze Zeit später konnten sie die Tiere nur noch schwer unter Kontrolle halten. Eine bedrückende Stille lag über dem Feld, ein seichter Wind ließ den Mais ab und an leise rascheln. Das Pferd des Hauptmanns scheute mit einem mal, warf diesen ab und nahm reiß aus Richtung Wald. Dies wirkte sich auf die anderen Pferde aus, die nun ihrer Angst nicht mehr Herr waren. Zuerst mussten die drei Tiefländer absteigen, doch in Anbetracht des Lärms und dem Gebot der Schnelligkeit, ließen sie ihre Pferde laufen, als diese sich überhaupt nicht mehr beruhigen wollten.
„Sie finden ihren weg schon alleine nach Hause“ sagte Pallin
„Das hoffe ich auch“ antwortete Mornir, „doch würde mich mehr interessieren wovor bei allen Göttern sie so eine verfluchte Angst hatten“.
„Was es auch ist“ brummte Bornum „ ich kann auf eine Begegnung verzichten“ Sie setzten sich, nun zu Fuß, wieder in Bewegung.

Lesaf führte seine Gefährten durch das Feld.
Feresen blieb plötzlich stehen „Moment, da kommt was auf uns zu“
Der Boden begann leicht zu pulsieren. Mit einem Mal donnerte ein stattliches Schlachtross direkt vor ihnen aus dem Mais. Die Diener des Waldes hechteten im letzten Moment zu Seite. Doch einer von ihnen wurde von dem kraftvollen Tier einfach überritten, ein zweiter prallte ebenfalls von ihm ab. Der Waldläufer betrachtete seinen Jagdgesellen „Er ist tot, und er hier ist schwer verwundet“
Lesaf sah betroffen drein. „ Ihr zwei bringt den Toten und den Verletzten zurück in den Wald. Feresen und ich bringen diese Hunde zur Strecke“. Mit diesen Worten verschwand Lesaf gefolgt von Feresen im Mais.
Feresens geschärfte Sinne bemerkten die Tiefländer zuerst. Sie hatten nun Witterung aufgenommen und folgten den Tiefländern tiefer in die Felder. Auch sie konnten aber das beklemmende Gefühl der Unsicherheit und der Angst, dass von Moment zu Moment stärker wurde, nicht leugnen. Feresen, der Waldläufer, der sich geistig sehr nah an der Natur befand, konnte die Gefühle besonders deutlich wahrnehmen.
„ Es fühlt sich an wie eine Urangst, vor etwas, dass schon immer ein gefährlicher Feind war.“ sagte er.
„ Ja, so wie die kleinen Kinder instinktiv vor den Giftschlangen im Sumpf zurück weichen, nur geht dieses Gefühl noch tiefer“ antwortete Lesaf.
In diesem Moment erreichten die beiden eine Stelle im Mais auf der keine Pflanzen wuchsen, ihnen gegenüber standen die vier Tiefländer.
Alle zogen die Schwerter

V.
So standen sich sechs Männer in den Feldern mit gezogenen Waffen gegenüber. Leichter Wind kam auf.
„ Moment!“ Bornum ergriff das Wort. „Wir haben es hier mit einem anderen Feind zu tun, wir kommen hier nur gemeinsam raus!“
„ Was soll das heißen? Ein andere Feind“ Lesaf versuchte ruhig und besonnen zu klingen.
„Ihr spürt es auch. Eure Stimme zittert, auch ihr spürt diese Angst.“ sagt Bornum und lächelte unsicher. Die Männer wurden von Sekunde zu Sekunde unruhiger und starrten sich gegenseitig an. Nur der junge Pallin sah mit panischen Blicken in das Feld und versuchte etwas zu erkennen.
Der Wind wurde stärker, die Kleidung der Männer flatterte laut.
„Was ist das für ein Teufelswind?“ fragte der Hauptmann, „er ist so heiß, dass es mir den Schweiß aus der Haut treibt“.
Auch die anderen Männer schwitzten aufgrund des heißen Windes.
Aus der Richtung in die der Wind wehte war nun ein saugendes, zischendes Geräusch zu hören.
Mornir fuchtelte hektisch mit dem Schwert. „ Da kommt etwas!“
Das Zischen wurde langsam etwas lauter, und so wie der Wind stärker wurde, so kam das Geräusch näher.
Auf einmal war das Geräusch da.
Etwas fegte mit ungeheurer Geschwindigkeit über die Maislichtung, die Hitze war kaum auszuhalten. Die Männer wurden zu Boden geworfen, nur der Hauptmann blieb stehen. Als seine Gefährten wieder auf die Beine kamen, sank er auf die Knie. In seinem Bauch steckte ein Gegenstand, ein Dolch. Der Hauptmann fiel tot vornüber. Die Männer eilten zu ihm und drehten ihn. Der Dolch glühte.
„Was ist hier nur los? Was war das?“ Pallin war kurz davor in Panik zu geraten doch erhielt er keine Antwort.
„ Der Wind facht wieder auf“ sagte Feresen
Bornum und Lesaf begutachteten den Dolch. Er war war aus einem Metall gefertigt, dass tatsächlich so heiß war, dass es glühte. Auf dem Griff der Waffe waren Zeichen einer Schrift die keiner von beiden deuten konnte. Der Wind blies wieder heftiger und das Zischen kam bedrohlich näher.
Bornum sprang auf. „Mornir auf mein Kommando wirfst du dich zu Boden.“
Bornum stand bewegungslos am Rand der Lichtung mit dem Rücken zum Mais, das Schwert fest in beiden Händen. Neben ihm stand Mornir, der offensichtlich großes Vertrauen in seinen Herrn zu setzen schien.
Der Feind schoss von der linken Seite heran. „ Jetzt!“ schrie Bornum. Mornir ließ sich flach zu Boden fallen. Bornum drehte sich nach rechts und schlug in die vermeintliche Bahn des rasenden Geschöpfs. Als er die Drehung beinahe vollendet hatte kam dieses Geschöpf wieder mit der Hitze über die Lichtung. Und Bornum spürte wie etwas mit ungeheurer Kraft gegen seine Klinge rammte. Der Feind stieß einen lauten klagenden Laut aus verschwand raschelnd wieder im Mais. Sofort war kein Wind mehr zu spüren und die Hitze verging. Mornir erhob sich und ging hinüber zu Bornum , der in der Pose mit ausgestrecktem Arm und dem Schwert in beiden Händen verharrt war. Von seinem Schwert tropfte eine grüne Flüssigkeit.
„ Ihr habt es erwischt“ sagte Lesaf. „ Los folgt mir“
So liefen sie alle in den Mais und folgten der Spur die das gestürzte Wesen geschlagen hatte. Nach etwa hundert Schritten trafen sie auf den leblosen Körper. Erschrocken blieben sie stehen.
Sie blickten auf ein Wesen mit grünlicher Haut und echsenhaftem Gesicht. Der Körperbau war menschlich und es war etwas kleiner als der normale Tiefländer. Bekleidet war das Wesen mit einem braunen Lendenschurz aus Leder. Der Bauch war über die gesamte Länge aufgerissen als Folge auf den Hieb von Bornum. Die Organe und eine Lache grünlicher Flüssigkeit hatten sich auf dem Boden verteilt.
„ Was ist das?“ sagte Lesaf.
„ Das war ein Kind Dragostans“ stammelte Bornum „ Ein Nachfahre der Drachen, die einst die Welt beherrschten“
„Aber Dragostan ist vor zwanzig Jahren gefallen, es gibt keine Drachen mehr“ erwiderte Mornir.
Bornum sah ihn an „ Es war mir schon immer ein Rätsel, wie ihr offensichtlich Dinge leugnen könnt, Mornir“
Sie sahen alle betroffen auf den Drachen. Heißer Wind kam auf.

VI.
Die Männer standen an der Leiche während der Wind zunahm.
„ Was jetzt?“ fragte Feresen auf seine ruhige und besonnene Art. Bornum antwortete als erstes „ Früher gab es Siedlungen in den Feldern, dort wurden auch Gotteshäuser errichtet, heilige Orte. Den Geschichten nach, die ich kenne, können Drachen diese Orte nicht aufsuchen“.
„ Das wäre eine Möglichkeit“ sagte Mornir, „doch wie sollen wir so eine Siedlung finden?“
Auf einmal lief Lesaf los „Folgt mir! Ich weiß wo so ein Tiefländer Gotteshaus ist.“ Mit diesen Worten verschwand er, gefolgt von seinen Mitstreitern, im Mais. Es war mittlerweile wieder das schmerzlich bekannte Zischen zu hören.
Mornir keuchte schwer „ Der Bastard kommt näher, sind wir bald da Waldbewohner?“
In diesem Moment verließen sie die dichten Reihen des Maises und standen abermals auf einer Lichtung. Auf der Lichtung standen einige verfallene Häuser und am anderen Ende tatsächlich eine kleine Kapelle.
Die Gruppe lief hastig auf das Gebäude zu, ihnen blies heftig heißer Wind ins Gesicht, das Zischen kam mit enormer Geschwindigkeit näher. Feresen erreichte das Gotteshaus riss die Tür auf und sah sich um. Lesaf und der junge Pallin erreichten das Haus und traten erschöpft und keuchend ein. Dann kam Mornir gelaufen gefolgt von Bornum, dem Ritter. Dieser besaß zwar eine ungeheure Kraft, doch hatte sein Alter nicht vor seinen Sprinterqualitäten halt gemacht und so war er der Langsamste.
Zwanzig Schritte vor der Kapelle machte Mornir plötzlich halt und drehte sich um. Sein Herr war beträchtlich zurück gefallen.
„ Lauf weiter Mornir! Bring dich in Sicherheit!“
„Nein“ schrie Mornir und ging in Kampfposition.
Bornum rannte an Mornir vorbei , dieser hob das Schwert und schlug in die Luft. Der Drache schlug in ihn ein und Mornir wurde nach hinten geschleudert, doch auch der Drache war getroffen und stürzte zu Boden. Beide waren tot.
Bornum stand, mit Tränen in den Augen, auf der Schwelle der Kapelle. „ Er ist einen heldenhaften Tod gestorben“

„Wir verkaufen uns teurer als diese verfluchten Viecher dachten“ sagte Bornum, als er sich kurz darauf wieder gefasst hatte. „ Nun sind wir hoffentlich erst einmal in Sicherheit, und können kurz verweilen“
„ Nein!“ die Männer drehten sich zu Pallin um „wir müssen jetzt weiter, es ist windstill. Lesaf, wenn ich mich nicht täusche ist der Rand des Feldes nicht weit. Sind wir dann in den Tieflanden oder in eurem Wald?“
„ Wir kommen dann wieder in unser Reich, in den Wald“
„ Das nützt uns nichts, wir sind nur auf heiligen Boden sicher.“ warf Bornum ein.
„ Aber unser Wald ist heiliger Boden, wir haben keine Gotteshäuser bei uns ist der gesamte Wald gesegnet.“ entgegnete Lesaf.
„ Dann los“ rief Bornum und die Männer liefen wieder durch den Mais.

Nach einer Zeit konnten sie den Waldrand erkennen, der wie eine grüne Mauer vor ihnen in die Höhe wuchs je näher sie kamen. Wie eine Mauer hinter der sie Schutz suchen wollten.
„Wind kommt auf“ Feresens Sinne registrierten das bittere Zeichen als erste, „wir bleiben zusammen!“
So liefen sie und schlugen sich im rechten Winkel durch die Reihen. Der Wind blies ihnen mittlerweile stärker ins Gesicht.
Der Gegenwind erleichterte den Dauerlauf nicht gerade, und der Ritter hielt die Gesellschaft etwas auf.
„ Lauft voraus“ keuchte er „lauft schon, mit dieser Echse werd ich schon fertig.“ Niemand antwortete doch blieben sie an seiner Seite.
Sie konnten durch die Pflanzen schon die grün bewachsene Böschung erkennen, die von den Feldern hinauf zum Wald führte. Als das Geräusch näher kam und sie wussten, dass es sehr knapp zugehen würde. Hinter ihnen konnten sie das Rascheln des Feindes vernehmen und jeder rechnete damit von hinten überrumpelt zu werden.
Da surrte aus der Richtung des Waldes ein Pfeil an ihnen vorbei und der Schrei eines Drachen war zu hören, der mit großer Geschwindigkeit an ihnen vorbei schoss und an der Böschung liegen blieb.
„ Lauft weiter“ rief Bornum, „ es windet immer noch stark!“
So hasteten sie die Böschung hinauf. Der getroffene Drache war tot, aus seinem Hals ragte ein Pfeil.
Oben trat Breet aus dem Wald und legte einen weiteren Pfeil an die Sehne.
Pallin spürte wie sich ein weiterer Feind in seinem Rücken näherte. Eine Gänsehaut lief ihm Rücken hinunter und er rannte wie von Sinnen auf den Waldrand zu.
Breet schoss und erlegte einen weiteren Drachen der es auf Pallin abgesehen hatte, und dann erreichten sie den Wald. Der Wind erstarb sofort und es war ruhig, bis auf die gewohnten Waldgeräusche. Kein Zischen war mehr zu hören.
Als Bornum sich umwandte, sah er Dutzende Echsenwesen wie sie sich in den Feldern vom Wald entfernten.

VII.
„ Offensichtlich sind die Drachen noch nicht stark genug um weiter als die Grenze der Felder vorzudringen“ sagte der Kaiser der Tieflanden.
Vor ihm standen Bornum, Pallin, Feresen, Lesaf und Breet.
„ Allerdings wissen wir nicht wie lange wir diese Sicherheit noch haben, mein Kaiser“ antwortete Bornum.
„ Sicher. Sicher. Ritter Bornum. Wir werden Grenzpatrouillen aufstellen“
„Herr“ meldete sich Breet zu Wort, „ macht euch keine Sorgen unser Kriegsrat ist zu der Ansicht gelangt, dass die Drachen lediglich die Felder verteidigen wollten“.
„ Ich weiß nicht, ich habe noch gegen sie gekämpft. Sie sind durch und durch böse“ sagte der Kaiser müde und sah verträumt an die Wand
Breet räusperte sich „ Und was unser Anliegen angeht“
„Ist gewährt“ fuhr der Kaiser dazwischen. „ Ich akzeptiere die Autorität des großen Waldes als eigenständig.“
„ Danke Kaiser“ sagte Breet und verließ mit seien Gefährten die Tieflanden.

Bornum diente noch viele Jahre als Ritter.

Pallin verließ nach einiger Zeit die Tieflanden. Man sagt, dass er in den großen Wald gegangen war und dort von Feresen zum Waldläufer ausgebildet wurde.

Bis heute wurde kein Drache im großen Wald oder in den Tieflanden gesehen, doch berichten einige Siedler, die nah an den Feldern leben, dass ab und an ein sehr heißer Wind zu verspüren ist.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.07.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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