Hans Pürstner

Kostendruck

Wenn man die Nachrichten der letzten Zeit so Revue passieren lässt, drängt sich einem der Eindruck auf, es herrscht Krieg. Und zwar Krieg zwischen Kapital und Bevölkerung. Alles was seit den unseligen Zeiten des Manchesterkapitalismus im 19. Jahrhundert so an sozialen Verbesserungen erreicht worden ist, wird jetzt auf den Prüfstand gestellt. Hat man eigentlich ganz vergessen, dass diese sozialen Errungenschaften nicht nur Kosten für die Arbeitgeber bedeutet haben, sondern auch zahlreiche Vorteile gebracht, wenn nicht überhaupt Vorraussetzung gewesen sind für den gewaltigen Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte?
Wer hat denn alle die neuen Produkte und Dienstleistungen gekauft, mit denen die Gewinne der Unternehmer und Aktionäre erzielt worden sind? Nur ein paar Reiche, oder „Leistungsträger“, wie man sie heute gerne nennt? Als ob die alleinerziehende Mutter von drei Kindern, die Samstags putzen geht, um den Wochenendeinkauf finanzieren zu können, keine Leistung bringen würde. Es waren im Gegenteil doch überwiegend die Durchschnittsverdiener. Sie haben die Millionen Fernseher gekauft, mit denen ein Max Grundig reich wurde, die Autos und Staubsauger. Viele von ihnen, hauptsächlich Frauen, haben diese übrigens auch produziert. Saßen acht Stunden am Fließband, hetzten danach nach Hause, um die Familie zu versorgen. Ihnen allen wird jetzt vorgeworfen, über ihre Verhältnisse gelebt zu haben. In den Fabriken geht man schon dazu über, den Arbeitern am Fließband die „Pinkelpausen“ streitig zu machen. Der Herr Vorstandsvorsitzende, der sich solche Sachen ausdenkt oder -denken lässt, braucht keine 5 Minutenpause pro Stunde. Er kann rauchen, trinken, essen wann er will. Und Pinkeln. Da werden Beschäftigten in Pflegeberufen die (gesetzlichen!)Feiertage gestohlen, einfach so. „Feiertage sind Arbeitstage“. Diejenigen, die so was entscheiden, trinken am Donnerstag vor Ostern noch ein Gläschen Sekt zum Abschied. Und wünschen frohe Feiertage! Prosten d e n Angestellten zu, die am nächsten Tag um sechs Uhr früh wieder auf der Matte stehen müssen. Dabei haben diese noch Glück, dass sie auf dem Dienstplan standen. Ansonsten wird ihnen nämlich der Feiertag als Minusstunden angerechnet. Das heisst, vom Urlaub abgezogen. Da schreit kein Herr Stoiber auf. Oder irgend ein Kirchenfürst.
Wer eigentlich wünscht sich tatsächlich die Zeiten zurück, wo Heerscharen von ausgebeuteten Arbeitern von morgens bis abends schuften mussten, um einigen wenigen Auserwählten Reichtum und Macht zu sichern? Wünscht sich das ein Arbeitgeberpräsident, ein Minister, Kanzler? Wünschen sich das Aktionäre wie Warren Buffet? Ich glaube nicht. Eher denke ich, dass sich alle haben anstecken lassen von der geradezu lächerlichen Hysterie, mit denen man heute versucht, jede erdenkliche Art von Kosten zu reduzieren. Ohne Rücksicht auf Vernunft, soziales Gewissen oder ähnliches. Lernen wir alle wieder, menschliche Arbeitskraft zu schätzen! Und ich meine wirklich alle! Auch der „Geiz ist geil“ Käufer, der Schnäppchenjäger, sollte mal überdenken, was übergroßer Preisdruck auf die Produzenten wirklich bedeutet. Zwang zu noch mehr Kostenreduzierung. Und das ist leider meistens auch noch mehr Einsparung von menschlicher Arbeitskraft!

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Hans Pürstner).
Der Beitrag wurde von Hans Pürstner auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.07.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Hans Pürstner als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Die Hosentaschenfrau: Historisch-biografischer Roman von Helga Eberle



Das kleine Mädchen Katie klettert die drei Stockwerke hoch und schaut erstaunt zu dem großen Küchenfenster hoch. Ihre Mutter schilt sie: Du rennst mir immer weg, man sollte dich anbinden!
Mutter und Kind haben ein gespanntes Verhältnis. Das Mädchen wehrt sich schon früh und will so oft wie möglich weg von daheim. In den Schulferien hat es bei Onkel und Tante Freiheiten, die es zu Hause vermisst. [...]

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (2)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Gesellschaftskritisches" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Hans Pürstner

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Der Mörder war nicht der Gärtner, Teil 7 von Hans Pürstner (Krimi)
Ali von Claudia Lichtenwald (Gesellschaftskritisches)
Eternal Love - Band 1 von Tim Klostermann (Fantasy)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen