Die Mauerkuppe ragte bedrohlich auf. Was war zu unternehmen? Er wusste es nicht. Näher heran konnte er nicht gelangen. Das wäre sein tot. Nur ein Schritt und ewige Finsternis würde ihn umfangen. Aber stimmte das denn auch? Was wäre dann? Keiner konnte jemals sagen, was dann kommen mochte. Vielleicht ist ja alles wunderschön dort, alle erwarteten ihn
womöglich bereits, alle, die er jemals gekannt hatte. Wenn das stimmte, dann wäre der Schritt nach vorn doch die beste Lösung. All das Elend, das Blutbad, das Leid und der Tod, das wäre dann für immer vorbei.
Schon griff er den Speerschaft fester, doch Zweifel übermannten ihn. Wieder kauerte er sich hinter den hölzernen Schutzwall. Die Pfeile surrten über ihn hinweg. Einige schlugen auch in der Palisade ein.
Er würde es bestimmt bereuen, sein Leben so leichtfertig wegzuwerfen. War es nicht ein Geschenk? Das durfte er nicht tun, denn dann würde ja ewige Verdammnis auf ihn warten, ihn freudig umarmen und ins tiefste Elend und grausamstes Leid stürzen. Bis zum Ende der Zeit müsste er die schlimmsten Qualen ertragen. Welch alptraumhafte Szenerie breitete sich in seinem Kopfe aus.
Nein! Das war nicht der Weg. Aber stimmten denn die Geschichten? Gewiss, Pater Franziskus sprach stets über dergleichen Dinge und diese Botschaften brachte er direkt von Gott mit. Er las sie aus einem großen Buch vor, welches von Gott geschrieben war.
Niemand hatte ein Recht, das in Frage zu stellen, das wäre ja frevlerisch und verdammenswürdig.
Aber der Großvater sprach auch von Zeiten, da das Volk von vielen Göttern geführt wurde. Die Priester haben die alten Götter dann mit Gewalt vertrieben. Der eine Gott hatte sich als mächtiger herausgestellt und somit mussten die alten Götter weichen.
Solch einer erschreckenden Macht durfte man nicht zuwiderhandeln. Den Zorn eines so boshaften Geistes sollte man nicht leichtfertig heraufbeschwören.
Aber Pater Franziskus sprach von Gott als ein gütiger und liebevoller Vater, der die Menschen beschützt und ihnen ihre Fehler vergibt.
Aber wie konnte das sein? Warum wurde dann soviel Gewalt und Bluttat durch seine Diener und Anhänger in der Welt verbreitet? Sprach das von Güte? Vergebung gab es keine. Gnadenlose Strafe durch das Schwert war stets die Antwort der Christen gewesen, wenn jemand an seinen alten Göttern krampfhaft festhielt, da er Angst vor Veränderung hatte, ja, vielleicht sogar Angst vor dem Unbekannten. Konnte man das jemandem wirklich als Sünde vorwerfen? Nein, einem solch armen Teufel sollte man vergeben und ihn freundlich aufklären. Man musste ihm dann Zeit lassen. Am Ende würde Gott dann richten. Warum nahmen sich die Priester immer heraus, diese Aufgabe schon auf Erden verrichten zu wollen? War das nicht anmaßend? Wirklich, solch Tat verlangte nach Bestrafung und mit Sicherheit würde dies Verhalten den Zorn Gottes heraufbeschwören. Nein, einer solchen Sache wollte er nicht dienen. Er würde gehen. Seine Hand würde niemanden mehr seines Glaubens wegen in den Tod schicken, die Kinder vaterlos machen, das Weib zur Witwe. Nein! Er würde gehen!
Am Abend nach der Schlacht fand man ihn. Er lag hinter dem Schutzwall bäuchlings hingestreckt. Sie trugen ihn vom Felde, niemand wusste, wer er war. Man fragte sich nur, warum der Pfeil im Rücken steckte, warum der Mann dem Schlachtfeld abgekehrt gelegen hatte und was er wohl am Ende gefunden hatte.
Vorheriger TitelNächster TitelEine Geschichte über die Glaubenskriege des Mittelalters. Die Anfänge des Christentums ware seinerzeit von beispielloser Gewalt geprägt. Ereignisse wie das Blutbad in Verden an der Aller durch Karl den Großen, werden wohl den meisten ein Begriff sein. Die Geschichte beschäftigt sich mit dieser Thematik. Durch einige Recherchen in der Geschichte des Mittelalters wurde ich wohl ein wenig zu dieser Geschichte inspiriert.
Ich hoffe, dass sie euch gefällt und freue mich natürlich auch über Kritik (sofern sie fair und sachlich ist).
Bis dann. Jörg.
Jörg Fischer, Anmerkung zur Geschichte
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.07.2004.
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