Roman Scherer

Der Geruch der Wüste

Auf dem Rückweg aus den befreiten Gebieten hatte ich ein besonderes Erlebnis, das mich bis heute beschäftigt. Während die anderen sich im Schatten von trocknen Dornenbüschen von der beschwerlichen Fahrt auf der Ladefläche des Jeeps erholten und das Essen vorbereiteten, stieg ich auf einen der Hügel in dieser abstoßend menschenfeindlichen Landschaft. Vorbei an kleinen Pyramiden aus den schwarzen Gesteinsbrocken, die irgendwer, irgendwann, irgendwie, aus irgendeinem besonderen Grund hier aufgehäuft hatte, ging es bergan. Oben angekommen bot sich mir ein phantastischer Blick in die Weite der Wüste. Am Fuß des Hügels sah ich meine Mitreisenden in einem Hain von Dornenbüschen sitzen. Von hier oben konnte man deutlich den farblichen Unterschied des Bodens erkennen, der geringe Spuren von Feuchtigkeit aufwies. Das dürre Buschland wuchs auf sandigem Boden, während ansonsten ringsherum die Steinwüste, schwarzbraun verbackene Steine das Bild der Ödnis bestimmten. Ostwärts war die Sahara flach wie eine unbelegte Pizza und farblich kommt diese Charakterisierung auch recht gut hin. Im Norden und Westen setzten sich die sanften Hügelketten fort, zwischen denen von Zeit zu Zeit einige Hecken wuchsen. In weiter Ferne glaubte ich die Kamelherde zu sehen, der wir am Morgen auf der Hinfahrt begegnet waren. Aber es konnte auch eine Luftspiegelung sein. Im Süden breitete sich eine riesige Salzpfanne bis zum Horizont. Die Luft flimmerte über der Salzkruste des verdampften Sees, die abgelagerten Salzkristalle glitzerten in der Sonne und gaben dem Land etwas magisch verwunschenes. Wie Schnee lag das Salz auf knochentrockenen Landschaft.
Der Himmel über dem Land ist hellblau, ein Farbton, den er in unseren Breiten bestenfalls an einigen sehr sonnigen und heißen Hochsommertagen annimmt. In der Ferne, direkt über dem Horizont scheint der Himmel weiß, als sträube sich die Sandfarbe der Wüste gegen die Mischung mit der Farbe des Himmels. Darunter scheint der Horizont messerscharf wie abgeschnitten.
Ich setzte mich auf einen Stein, den Blick westwärts in die Hügel gerichtet und rauchte eine Zigarette. Ein leichter Wind setzte ein und plötzlich hatte ich den Eindruck am Meer zu sitzen. Der Eindruck wurde durch einen Geruch gestützt, ein Geruch nach Salz, Seetang und Meer, den der Wind aus Westen mitbrachte. Das Meer ist nun aber fast 500 Kilometer entfernt. Wieso fiel mir dieser Duft so auf. Ich dachte nach. Der Versuch sich an Gerüche zu erinnern ist bei mir nicht sonderlich gut ausgeprägt, ich kann jedoch Geruchserfahrungen an bestimmten eindrucksvollen Erlebnissen festmachen. So erinnere ich mich genau an die Überfahrt nach Korsika, als wir noch bevor wir die Insel aus dem Meer auftauchen sahen, den Geruch von Thymian wahrnahmen. Oder der Geruch von Cabol, der in den Todesblöcken von Auschwitz hing und sich mir wie ein Geruch von Tod selbst ins Gehirn brannte. Ich versuchte mich an den Geruch der Wüste anzunähern. Aber da war keiner. Unser Jeep roch nach Mensch und vielen Füßen. Unser Zelt im Hotel Polisario nach schweren Kamelhaardecken, etwas muffig. Der Staub der Wüste aber hatte ich nicht über seinen Geruch sondern über seine Konsistenz wahrgenommen.
Riecht die Wüste überhaupt? Die Schule die wir besuchten roch nach Arbeitsstreß von Kindern, Desinfektionsmittel, alten Socken und dem Staub der sich in Bibliotheken und Schulen in alten Büchern ablagert. Es fiel mir wieder ein, daß ich den grünen Garten der Schule, der einzige wirklich grüne Fleck im Umkreis von hunderten von Kilometern zuerst nicht gesehen sondern gefühlt, wahrscheinlich gerochen hatte. In dem Garten inmitten der Wüste wuchsen alle Arten von Pflanzen, die Lehrer und Kinder dort gepflanzt und bewässert hatten. Ich erinnerte mich an den auffällig starken Duft von Kerosin auf dem Wüstenflugplatz von Tindouf, - in Frankfurt und Algier, wo der Flugzeugverkehr wesentlich stärker ist war mir dieser Geruch gar nicht aufgefallen. Es mußte an der Wüste liegen. Die Wüste hat offenbar keinen echten Eigengeruch. Alle anderen Gerüche werden dadurch aber intensiver wahrnehmbar, sozusagen unverfälscht aufgenommen. So kann es durchaus sein, daß ich an diesem Nachmittag, 500 Kilometer vom Meer entfernt, eine Brise Atlantikluft in meine Nase bekam. Vielleicht war ich aber auch nur zu lange in der Sonne oder hatte zu viel schlechten algerischen Tabak geraucht. Wer weiß ?

ENDE

Ein Erlebnis, welches ich nur schwer in Worte fassen kann. Sehr gefühlsbetont, leider noch sehr unvollkommen, zumindest für meinen Anspruch. Ich würde mich freuen, wenn ihr mir kurz schreibt, wie dieser Versuch etwas ganz und gar irrationales zu beschreiben, auf euch gewirkt hat.Roman Scherer, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.02.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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