Daniel Lohmeyer

7 Tage

Wir schreiben den 16. Mai 1618. Magdalena, eine stämmige alte Frau von 62 Jahren schritt unbeirrt durch das wunderschöne Land Frankreich. Von Stadt zu Stadt, Dorf zu Dorf und von Hof zu Hof. Viele Leute lachten über sie, spukten sie an und bewarfen sie mit faulen Obst oder Gemüse. Ihre Kleider ließen sie nicht wie eine Adlige oder wie eine gewöhnliche Bürgerin aus mittelständischem Hause aussehen. Ja, selbst die Ärmsten der Ärmsten konnten sich bessere Kleidung leisten. Sie trug einfache Lumpen die diesen Namen schon gar nicht mehr verdienten. Ein alter Kartoffelsack bedeckte ihren Leib. Stofffetzen waren um ihre Füße gewickelt. Ihr wertvollstes Gut war ein Gürtel aus feinen Leinen der um ihre Hüfte gewickelt war. Es war ihr ganzer Stolz – ihre Mutter hatte ihn vor vielen Jahren geflochten und Magdalena zu Weinachten geschenkt.

Magdalena war des Laufens Müde und setzte sich unter eine alte knorrige Eiche. Ohne weiteres schlief sie ein und träumte. Sie schrak auf! Es war ein grässlicher Alptraum gewesen der sie aus ihrem Schlaf gerissen hatte. Er verkündete Tot und Verderben für das Land Frankreich. Trotz der Angst die sie empfand wunderte sie dieser Traum nicht. Magdalena konnte Sache sehen bevor sie passierten. Und immer behielten ihre Träume recht. Sie erinnerte sich an ein Gespräch zwischen ihrer Mutter und ihr. Es lag schon viele Jahrzehnte zurück.

„Du besitzt eine göttliche Gabe mein Kind.“ sagte Magdalenas Mutter und strich ihrer Tochter durchs Haar.
„Ja Mutter, das weis ich. Die Träume sind aber kaum zu ertragen.“ antwortete sie und drückte sich fester an ihre Mutter.
„Auch wenn die Träume schlimm sind. Gott hat dich zu dem gemacht was du bist.“
„Ja Mutter.“

Und da saß sie nun unter dieser alten Eiche und konnte nichts tun. Sieben Tage! Mehr Zeit hatte sie nicht. Die Vorhersagungen in ihren Träumen waren immer nach sieben Tagen in Erfüllung gegangen. Sie musste die Obrigkeit verständigen. Schnellen Schrittes machte Sie sich auf den Weg in die nächste Stadt. Es ging gen Mittag als Sie hinter sich das galoppieren und schnaufen eines Pferdes hörte. Als sie sich umdrehte und mit den Armen zu winken begann blieb der Reiter stehen. An der Kleidung die er trug erkannte sie das es ein Adelsmann war. Wenn sie ihn überzeugen konnte hatte sie es geschafft. Einem Adligen glaubt man eher als einer alten verarmten Frau. Langsam und leicht gebeugt näherte sie sich dem Reiter.

„Was kann ich für euch tun, Weib?“ bellte er.
„Ich habe ein Anliegen an euch edler Herr.“ antwortete sie immer noch gebeugt.
„Ein Anliegen? An mich? Ihr scherzt.“ gab er lachend von sich und lies sein Pferd langsam weiter laufen. Magdalena gab nicht auf. Sie ging etwas schneller und holte den Reiter ein.
„So wartet doch. Ich bin eine Hellseherin und sehe Dinge bevor sie passieren.“
„Natürlich Weib. Und ich bin seine Majestät persönlich.“
„Hört mich doch an. In sieben Tagen wird ein Unheil über Frankreich hereinbrechen. Viele werden sterben und noch mehr werden großes Leid erfahren. Ihr müsst die Obrigkeit verständigen.“ sagt sie verzweifelt und den Tränen nahe.
„Schweigt! Das ist Blasphemie und Verrat am Vaterland. Hört auf so einen Unsinn zu reden.“ gibt er ohne sich umzudrehen von sich.
„Wie kann ich euch beweisen das ich recht habe?“
„Nun gut. Mir ist langweilig von der langen Reise. Erzählt mir von meiner Zukunft.“

Seufzend lässt Magdalena die Schultern hängen und bleibt stehen. Als der Reiter hört das ihre Schritte verstummen, schnalzt er kurz und das Pferd bleibt ebenfalls stehen.

“Was ist? Ich verlange zu wissen was mir die Zukunft bringt.“ sagt er etwas lauter.
„Das kann ich nicht. Ich sehe die Zukunft nur in meinen...“ versucht sie zu antworten doch er unterbricht sie.
„Genug! Ihr sagt ihr seit eine Hellseherin. Aber ihr könnt mir nicht sagen was vor mir liegt. Ich glaube euch kein Wort. Verschwindet oder ich werde euch hier und jetzt dafür rügen das ihr mir meine kostbare Zeit stehlt. Und zu guter letzt verständige ich die Obrigkeit damit sie euch hinter Schloss und Riegel bringt.“

Magdalena schreckt zurück. Das letzte was sie wollte war ein unfreundliches Zusammentreffen mit der Obrigkeit. Arme Leute hatten die Angewohnheit in den Kerker zu gelangen und nie wieder aufzutauchen. Und wer würde sich um eine alte Frau scheren?

„Lasst gut sein edler Herr. Es tut mir leid eure Zeit und Geduld auf die Probe gestellt zu haben und verbeuge mich in tiefster Demut“ gibt sie weinend wieder und verbeugt sich. Der Adlige gibt ohne ein weiteres Wort seinem Pferd die Sporen und reitet weiter. Magdalena sinkt am Wegesrand zu Boden und heult. Sie überlegt wie sie es noch schaffen könnte. Nach mehren Stunden des Überlegens kommt sie zu dem Entschluss die Bevölkerung direkt anzusprechen. In nicht all zu weiter Entfernung sieht sie die Rauchschwaden eines Kamins – ein Gehöft!

Die Frau des Bauern hängt gerade die frisch gewaschene Wäsche auf die gespannte Leine als sie hinter sich Schritte hört. Verwundert dreht sie sich um. Hinter ihr steht eine alte Frau in Lumpen gehüllt.
„Hier gibt es nichts zu betteln. Hinfort mit euch!“
„Wehrte Bauersfrau. Ich möchte nichts zu essen oder zu trinken. Ich bin Hellseherin und möchte euch was verkünden.“ sagt Magdalena leise
Die Frau lacht rau und heiser.
“Ich glaube nicht an solch einen Mumpitz. Aber gut. Sagt was ihr zu sagen habt und verschwindet, bevor ich die Gerte hole.
„In sieben Tagen wird großes Unheil über das Land und seine Bewohner hinweg ziehen. Viele werden sterben und noch mehr werden Leiden.“
„Natürlich. Und jetzt verschwindet! Ich habe noch viel zu tun und möchte meine Zeit nicht mit solchem Unsinn verschwenden.“ gibt die Bauersfrau von sich und wendet sich ab. Magdalena geht schweigend vom Gehöft. In den nächsten Tagen spricht sie immer mehr Leute auf das geträumte an und erntet immer das gleiche Ergebnis. Keiner glaubt ihr. Viele schlugen sie mit Gegenständen die sie zur Hand haben und vertrieben sie. Die meisten lachten und gingen wieder ihres Weges. Einer gab ihr sogar Geld für diese schaurig schöne Geschichte die sie ihm erzählt habe. Magdalena gab es auf und harrte der Dinge die da kommen mochten. Und nach sieben Tagen kam der Tot und das Verderben...

... es war der 23. Mai 1618: An diesem Tage begann der 30 jährige Krieg.

- Ende -

© 2002 by Daniel Lohmeyer

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Daniel Lohmeyer).
Der Beitrag wurde von Daniel Lohmeyer auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.08.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Daniel Lohmeyer als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Tambara und das Geheimnis von Kreta von Heike M. Major



Im zweiten Tambara-Band „Tambara und das Geheimnis von Kreta“ stürzt sich Soul in ein neues Abenteuer. Auf der Insel Kreta kommt sie einem Jahrhunderte lang gehüteten Geheimnis auf die Spur, einem Geheimnis, das das Leben der gesamten Menschheit verändern wird.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Sonstige" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Daniel Lohmeyer

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Die Kellnerin von Daniel Lohmeyer (Liebesgeschichten)
autobiographisch...mein Freund Peter von Rüdiger Nazar (Sonstige)
Die vegetarische Anna von Walburga Lindl (Autobiografisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen