Roman Scherer

Der Attentäter

In der Sonne war es noch warm an diesem Herbsttag. Die Blätter unter seinen Füßen raschelten, während er scheinbar ziellos durch den Park schlenderte. Von Zeit zu Zeit kickte er eine Kastanie davon und sah ihr nach bis sie irgendwo im Laub verschwand.
In der ausgebeulten Tasche seines Mantels trug er eine schwere Desert Eagle. Seine Hand legte sich um den kühlen Stahl. Er wagte es nicht die Waffe aus der Tasche zu nehmen, um den Glanz des Sonnenlichtes auf dem schwarzen Lauf zu sehen, um seine Initialen auf den perlmutenen Griffschalen zu betrachten. Er umfaßte den Griff der Pistole und fühlte sich augenblicklich unbesiegbar. Sein Kopf hob sich, er blickte den entgegenkommenden Spaziergängern direkt ins Auge; und als ob diese etwas bemerkten, schlugen sie den Blick nieder oder wichen ihm schnell aus. Keiner sah die Waffe, doch alle spürten die Kraft, die von ihr ausging.
Er spielte in der Tasche mit dem Abzug, wohl wissend, daß ihn das sein Knie kosten konnte. Es war ihm egal, die Knarre gab ihm alles was er immer wollte. Lässig bewegte er sich durch die Menschen, die in Richtung der City immer mehr wurden. Er fürchtete sich vor nichts. Keine dieser widerwärtigen Kreaturen konnte ihm etwas tun, egal wie groß, stark, schnell oder intelligent sie auch waren, niemand konnte einer kleinen Kugel widerstehen, über die er die Macht hatte. Von Zeit zu Zeit erwiderte er ein verlegenes Lächeln eines Entgegenkommenden. Die Menschenmenge war inzwischen dicht geworden. Es begann in der Geschäftsstraße schwer zu werden, den Menschen auszuweichen. Er senkte sein Tempo nicht und freute sich, wenn sich die Menge rechts und links an ihm vorbei schob, wenn er durch sie ging wie Moses durchs rote Meer. Er glaubte der Mantel blähe sich hinter ihm auf, so schnell schob er sich durch die Masse. Es begann ihm egal zu werden, wenn jemand nicht schnell genug Platz geben konnte. Erst schob er sie beiseite, dann rempelte er. Sein Gesicht erstarrte zu einer grinsenden Maske. Der Glanz in seinen Augen bannte Menschen. Eine Frau blieb plötzlich stehen und schaute ihm unsicher nach. Er glaubte ihren Blick auf seinem Rücken zu spüren. Sie drehte sich nach einiger Zeit um und ging ihres Weges, nicht wissend was sie zu dieser Reaktion bewegt hatte.
Er schob sein Kinn nach vorn, das machte ihn noch zwei Zentimeter größer. Er genoß es, die Menschen um sich zu beeindrucken. Sein Gesicht formte sich zu einem abfälligen Lächeln. Ein Kerl, mindestens zwei Köpfe größer als er kam auf ihn zu. Der Kerl schaute ihn nicht an, ihre Augen trafen nicht aufeinander, aber der große Mann machte einen balettreifen Sprung nach links, um ihm auszuweichen. Mit der Schulter streifte er den Arm des Langen. Von hinten vernahm er ein rasches „Entschuldigung.“ , er drehte sich nicht um, sein Lächeln begann zu versteinern, die ihm entgegen kamen sahen keine Augen mehr, sondern tiefe schwarze Löcher, die ihnen alle Kraft und allen Willen entzogen.
Zu seinem Gefühl von Macht und Überlegenheit gesellte sich nun auch das Ziel, das die ganze Zeit im Hintergrund gewartet hatte. Seine Schritte lenkten Ihn in eine Richtung, und je näher er seinem Ziel kam, um so schneller schien er zu werden.
Die Hände hatte er nun aus der Tasche genommen. Entgegen der Bewegung seiner Schritte schwang er seine Arme dicht am Körper entlang. Er marschierte auf sein Ziel zu. Die vorher fließenden Bewegungen wurden plötzlich sehr abgehackt, fast maschinenhaft unmenschlich. Die Menschen um ihn herum nahm er nun nicht mehr wahr, alles fokussierte sich auf das Ziel. Seine rechte Hand schob sich in die Manteltasche und entsicherte die Waffe. Das Ziel war unmittelbar vor ihm. Sein Blick fing es ein und bannte es. Das Ziel verhielt in der Bewegung, wie hypnothisiert starrte es auf ihn. Ihre Blicke begegneten sich, das Ziel verharrte wie in gespannter Erwartung. Aus der Tasche zog er die Waffe, hob sie hoch. Er drückte ab, drei mal, bis das Gesicht in das er schoss kein Gesicht mehr war, sondern nur noch eine blutige Masse.
Als der Körper fiel wie ein nasser Sack, befiel ihn zuerst eine tiefe Befriedigung, die augenblicklich einem frustrierten Erwachen wich.
Alle Macht ging ihm schlagartig verloren, --- und diese Sekunde nutzte der Bodygard und schoß ihn nieder.

Eine kurze Übung um eine Spannungskurve zu erzeugen, aber doch so gelungen, daß ich Sie mal der öffentlichen Kritik aussetzten will.Roman Scherer, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.02.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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