Daniel Wehowsky

Janus und seine Besucher

Es wurde ewiger November

Janus mit dem Colt ging die Schienen entlang. Sie waren eingerostet. Er wurde von einem Nebelrequiem begleitet.

Neben den Schienen waren hohe Eisengalgen. Sie waren ebenfalls verrostet. Obwohl über den Schienen noch ein summendes Gefühl hing, das einem Schauer über den Rücken jagte. Die Galgen hatte Gesichter und sie blickten voller Tristess.

Diese Galgenreihen zogen sich bis zum Horizont. Es gab in der Ferne eine Stelle ,in der die Reihe der hohen Eisengalgen durchbruchen waren. Dort wehte ein Wind von ferner Brandung her.

Dahinter kam eine bodenlose Grube und neben ihr das Denkmal seines Erbauers. Herr Dekadenz.

Noch weiter war das Ende. Der apokalyptische Tunnel. Aber dort wollte Janus nicht hin.

Über dem Himmel zog ein Schwarm von pechschwarzen Vögeln. So dicht aneinander gedrängt, das man den grauen Wolkenschleier nicht sehen konnte. Sie waren stumm, dann schwemmlte ein rauhe mächtige Klangwand an. Sie flatterten nicht , sondern wurden als riesige Federmasse in einen Richtung gezogen.

Der Schwarm war endlos und als er am Ende des Horizonts angelangt war , bildete er einen schwarzen Bogen.

**

Janus bog von den Schienen. Gleich daneben war sein Haus. Es hatte keine Türen und keine Fenster. Es bestand nur aus zwei Räumen. Einem großen Zimmer und einer Abstellkammer. In der Mitte dieses großen Raumes war ein Tisch mit Stühlen.

Janus würde Besuch bekommen.

Auf dem Tisch lag ein alter Fernseher mit einem Bildschirm , wie ein großes trübes graues Auge.

Dieser Fernseher lag auf einer schwarzen Tischdecke. Durch deren Mitte verlief ein weißer Streifen, er war vom Dreck grau geworden. Auch das Schwarze wahr tief verschmutzt.

Ringsum befanden sich auf den schimmelfarbenen Wänden, schwarze Graffittis. Die Wände waren über und über vollgesprayt.
Immer wieder.

Enslaved toybase, a pissed Eel, abandonded Horseeye

Er setzte sich auf den Stuhl und betrachtete seinen Colt. Er hatte ihn nicht zum kämpfen. Er trug ihn nicht zur Verteidigung. Er hielt ihn an seine Schläfe. In seinen russischen Roulett war diesen Colt eine Mg 42. Es rotierte mit Hochgeschwindigkeit , bis zum Knall.

Seine Stirn war voller Blut. Er grinste doppelt und lachte zweifach simultan.

Er legte den Colt auf den Tisch. Obwohl er durch diesen Revolver gerade weggeblasen werden sollte, beseitigte er ihn nicht. Er war ein Teil von ihm.

Durch ein Fenster blickte ein Eisengalgen hinein.

Unter der Decke kreisten drei nackte Lila Aasgeier.

Der Gnom aus Hundekot kam herein. Janus erkannte den Gesichtslosen am Gestank. Zur Begrüßung erbrach er zweimal simultan in beide Richtungen. Dann nochmals. Zunächst vorne und anschließend fiel der nächste Schwall hinter seinen Rücken.

Das Erbrochene war flouriszierend. Violett, neongrün, neonrot. Es verteilte sich auf dem Boden und kroch die Wände hinauf, bis der ganze Raum aussah , wie das Innere einer verdorbenen Götterspeise.

Der Hundkotgnom hatte einen Stock in der Hand. Er setzte sich und spielte nervös mit diesem Stock.
Er sprach nicht sondern spielte nervös mit diesem Stock. Er sprach nicht sondern schaltete den Fernseher ein.

Aus im klangen Kinderklagen und Wimmern.

Nach einer Weile begann der Kotgnom zu erzählen.

„Ich wollte von vorn anfangen. Ich wollte versteinern. Ich suchte also jemanden der mir dabei helfen sollte. Ich wollte nicht mehr so widerlich stinken.

Diese Zeit war so aufzehrend. Schließlich gelang es mir. Ich ging in einen Blumenladen um mich mit deren Aufzucht zu beschäftigen.
Man nahm mich.

Ich pflanzte meine erste Blume, ich goß den Samen, kümmerte mich um das Licht, Er schwieg einen Moment, Ich wurde wieder weich und besudelte die gerade erst heraus sprießende Blume mit meinem Dreck.

Ich wurde rausgeworfen.

Aus dem Fernseher klang immer noch das Wimmern eines Kindes.

„Wir können dir nicht helfen“. Sagte Janus. Seine beiden Gesichter drehten sich dabei.

Ein Geier über ihnen , trug nun die Farbe von rotem Mohn.
Weißer Speichel tropfte auf die am Boden verteilte flouriszierende Masse.

Ein neuer Gast kam herein. Es war das Latexufer, rosaschwarz .

Er setzte sich an den Tisch. Er erzählte seine Geschichte. Doch verstand ihn keiner der beiden anderen, den sein Ufer war ein Plastikkugel.

Sein Blick gierte mit dem des Lila Aasgeiers in die Bildschirmröhre. Janus und der Gnom interessierte ihn nicht.

Janus wurde wieder vom Colt angezogen. Er hielt in sich an die Schläfe und vollführte wieder eine absurde Szene.
Anschließend parodierte er den Exorzisten, auf seine völlige eigene Weise.

Letztlich kam ein Mann herein der grau und unauffällig war, aber von Sorgen und Elend, Angst gezeichnet schien. Janus kannte ihn. Für ihn war noch ein Stuhl frei. Er setzte sich. Er saß regungslos da.

Dann riß seine Bauchdecke auf und heraus starrte die Lurchendürre , mit Reptilienaugen. Sie sprach:

„An meinem 17 Lebensjahr erblickte ich das Licht der Welt

„We bring forth the monstrous birth to the worlds light“.

Doch ich erblickte nur den grauen Himmel. Das Licht das ich sehe ist kalt und tot. Aber ich fühle mich ihn ihm geborgen.

Sein Wirt verlor sein Fett. Nur die Haut blieb übrig und fiel schlaff auf die Knochen.
„Seit ich 1985 meiner bewußt wurde, ging ich nach Afrika. Dort wo ich ihm tiefen Urwald auf meinen Auftritt wartete. Hier siehst du mich. Die Zeit dieser erbärmlichen Kreaturen in der ich wohnte ist abgelaufen“.

Und Trieb war es der mich einlud. Es war der Lila Aasgeier, das Latexufer, der Rosaschwarze.

„Ihr kennt euch“. „Seiht 1985!“. Sprach Latexufer. „Unsere Liason können nicht mal die Gesetzeshüter vom Pariser Lido auseinanderbringen!“. „Seit dem spielen wir Huckepack!“. Latexufer, näherte sich rosaschwarz der Lurchendürre. Dieser sprang aus dem Bauch des Kadavers. Er sichte noch eine Sekunde. Dann lag er mit einem klaffenden Loch neben dem Tisch.

Er schwamm nun in der fluoriszierenden Masse.
„Wir kommen gleich wieder Janus!“. „Nun auf Latexufer, einmal um die ganze Welt!“.
Wo wollte sie eigentlich hin. Die Welt besteht doch nur aus dieser einen Schiene. Oder drehte sich sein Cosmos nur noch um dieses Schimmelloch.

Das war sein Zuhause. Den in der Masse seines flouriszierenden Erbrochenen, sah er manchmal grelle Blitze.

Der Kotgnom blätterte in einem Poem von Jürgen Bartsch. Er rezitierte. Auf dem Tisch lag das Rosa Dach von Latexufer.

Draußen änderte sie immer noch nichts.

Von fern näherte sich etwas raschelnd. Janus wußte wer es war. Der letzte näherte sich. Seine Pinheadgeiseln wandten sich ins Zimmer hinein und wucherten über den ganzen Raum. An einigen Stellen hingen sie lose herab.

Latexufer mit Lurchendürre im Schlepptauch kamen zurück. „Seih gegrüßt Pinheadgeisel. Ich war einmal um die Welt gekreist. Latexufer hat mich überall hingebracht.

Die schwarzen Ketten knirschten in ihrer Sprache.

„Wir sind die einzige die übrigblieben. Trümmerfragmente die sich nach verlorenen Existenzen sehnen . Auf dieser Reise um die Welt, die doch nur ihn einen Richtung ging, hast du bestimmt niemanden getroffen“.
„Nein“.
Die Pinheadgeiseln nahmen sich das letzte Menschenkadaver und zogen in die Decke hoch. Der mohnfarbenen Geier öffnete sein Maul und stach mit einer transparenten Stachel in dessen Hals. Der Kadaver zuckte.

Janus sah genauer auf die Pinheadgeiseln. Sie hatten Stacheln aus Rattenzähnen und wanden sich wie deren Schwänze.

„Wo ist dein Schmerz auf der Hölle“. Fragte Janus.
„Er bereitete sich auf seinen letzten Kampf vor. In einem fernen Sternensystem!“.

Er ließ eine Kette von der Decke in den letzten Stuhl herabsinken. Der Rattenzahn bohrte sich hinein. „Ich habe Hunger“. „Wir haben Hunger“. Diese wabberden Mauer nähren uns nicht. Auch nicht dieser Kadaver.

„Dieser ist der Preis für deine Gier“. „Was ist mit den Eisengalgen“. Fragte das Latexufer. „Warum schließen sie sich nicht uns an“.

„Sie leben untot. Nur dieser Blick von absoluter Leere verraten ihr stupores Bewußtsein, wende deinen Blick zurück in diesen Raum „. „Nichts ist absolut. Und es gab 1000 Werte die wir ablehnen konnten. Es gab keine Grenze. Jetzt ist die Grenzenlosigkeit die Grenze , die Wertelosigkeit die man nicht ablehnen kann“.
„Nur wir sind übrig!“.

So verließen die Pinheadgeiseln auf dem Boden kauernd den Raum.

Der Hundkotgnom schlug die Bartschposie zu. Keiner hatte ihm zugehört. Er drückte auf das graue Auge des Monitors.

Das Kinderwimmern riss in der Mitte ab.

Er ging dunkelbraun und stinkend davon.

Das Latexufer verließ die Lurchedürre. Diese folgte ihn sogleich. „Wohin wollt ihr?“. Zum apokalyptischen Tunnel. Und die fluoriszierende Masse zog sich zurück. Janus lass wieder von den Wänden.

„Enslaved toybase“. „a pissed eal“. „abandonded Horse eye“.

Es war Zeit zu gehen.

Er ging auf den Schienen. Ein gewaltiges Brausen, rauh wie eine Klaue ergriff wieder den trüben Himmel.

Es war der Bogen aus pechschwarzen Federn. Er hüllte Janus vollkommen ein.



Die Darsteller der apokalyptischen Allegorie :

Schizophrenie : Janus mit dem Colt
Phädophälie: Der Hundekotgnom
Tötliche Süchte: Der lila und mohnfarbene Aasgeier
Perversität, Fetish: Latexufer
Aids, HIV-virus: Lurchendürre
Krebs: Pinheadgeiseln

Nebendarsteller: Katatonie: Die Eisengalgen
Das Nebelrequiem



Hier setzte ich mich mit dem auseinader, das mich bewegt. Was ihn mir Hass auslöst,Trauer, Verzweiflung was der Tod der Liebe ist. Und mit dem was hässliche Gesichter trägt. Und mit einer der größten menschlichen Ängste. Daniel Wehowsky, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.08.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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