Andrea Kilburger

Julian´s tödliche Träume

Es war Winter in Boston, die Strassen waren mit Schnee bedeckt, in der kalten Nacht. Nicht mehr viele Menschen waren in der East-Politon unterwegs. Aber Julian Moore, eine Frau, die mit ihren 33 Jahren noch sehr jung wirkte, ging durch die Strasse. Wie in Trance schlenderte sie an den Häusern vorbei. Sie nahm kein Geräusch, keinen Geruch und keine Bewegung wahr. Das ein oder andere Auto fuhr an ihr vorbei, aber sie merkte davon gar nichts. Dann, plötzlich erinnerte sie sich wieder daran, warum sie eigentlich hier war. Sie blickte auf die gegenüberliegende Strassenseite. Das Haus, Nummer 35, kam ihr irgendwie bekannt vor. Sie ging darauf zu. Vor der Eingangstür blieb sie stehen. Sie tastete auf den alten Türrahmen. Es war eher ein zärtliches streicheln. Dann kam eine Erinnerung hervor:

Eine Wiese, grün war sie, mit Gänseblümchen. Julian, 7 Jahre alt, tanzte und summte ein fröhliches Lied vor sich. Dann blieb sie stehen und pflückte einen Strauss von den Gänseblumen. "Mamma wird sich freuen", sagte sie vor sich hin. Dann hielt sie inne. Sie blickte auf und erkannte von weitem den Nachbarsjungen, Tom Tyler. Er war nicht alleine. Zwei Männer waren bei ihm. Einen vohn ihnen identifizierte Julian als seinen Vater, der andere, ein älterer Mann, er musste um die 60 sein, kannte sie nicht. Tom´s Vater schrie ihn an. Aber was er sagte, konnte sie nicht verstehen. Dann bekam Tom von dem anderen Mann einen hieb ins Kreuz. Tom sackte zu Boden. Sein Vater trat ihm mit seinem rechten Fuss in den Bauch. Noch einmal und noch einmal. Dann bekam er von seinem Vater einen Fausthieb ins Gesicht. Julian konnte erkennen, das er aus der Nase blutete. Sie legte sich ins hohe Gras um nicht entdeckt zu werden. Sie beobachtete weiter, wie die beiden Männer Tom langsam ein Kleidungsstück nach dem anderen auszogen, bis er nackt war. Dann nahm der ältere Mann seinen Gürtel von der Hose und schlug damit auf Tom ein. Er schrie. Dann hielt der Mann kurz inne und Toms Vater knebelte seinen Sohn mit einem Taschentuch, damit er nicht mehr schrein konnte. Dann fuhr der Mann fort, bis Tom regungslos auf dem Boden lag - er war tot.

Dann verblasste die Erinnerung. Julian schlug die Augen auf und ging weiter. Die vielen Alpträume, die sie in den letzten 25 Jahren hatten, hatten sich in den letzten drei Tagen verschlimmert, seid sie den Bericht in der Zeitung las, das Toms Vater, aus dem Gefängnis entlassen worden war. Der andere Mann, der Tom damals zu tode geprügelt hatte, es stellte sich heraus, dass es Toms Onkel war, hatte sich nach nur drei Monaten im Gefängnis erhengt.
Sie bog in die Amherst Street ein, wo ihre Wohnung war. Dann hörte sie von hinten Schritte. Sie drehte sich um, konnte aber nur einen Schatten erkennen. Sie dachte sich nichts dabei. Dann änderten sich die Geräusche im Schnee. Der Schatten bewegte sich schneller. Als sich Julian dann erneut umdrehte, erkannte sie ein Gesicht - es war John Tyler, Toms Vater. Sie versuchte schneller zu gehen, aber der hohe Schnee machte es unmöglich. Dann rutschte sie aus und fiel, mit dem Gesicht in den weichen Schnee, zu Boden. Als sie sich auf den Rücken drehte, stand John genau vor ihr und blickte auf sie herab. Ohne nur irgendwas zu sagen, zog er eine Waffe und schoss damit auf Julian. Insgesamt drei mal. Dann wandte er sich ab und ging die Strasse wieder runter, wo er herkam. Julian lag regungslos auf dem Boden, ihre Augen waren weit offen. Unter ihr lag eine Blutlache, die der Schne in sich aufsog. Sie hatte es geahnt, 25 Jahre lang träumte sie von diesem Augenblick, und es war alles identisch, der Winter, der Schnee, das Blut. Julian hatte geahnt, dass dies nach 25 Jahren ihr Schicksal sein würde...

Ende

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.08.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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