Andrea Renk

Die Tränenelfe


 

 

Sie war eine ganz besonders schöne Elfe. Sie war ein kleines bisschen größer und kräftiger als die anderen. Ihre silbernen Haare fielen hin­ab bis über den Po. Ihre Flügel schimmerten ganz besonders seiden. Die Elfenjungen um­garnten sie und alle waren bemüht ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern. Sie saß immer an der einen Stelle am Seeufer, da wo der Schilf ganz besonders schön wuchs. Der Mond wachte jede Nacht von oben. Die Fische im Wasser passten auf das sie ja nicht ins Wasser fiel und ertrinken konnte. Die Spinnen webten Netze zwischen den Schilfstängeln, auf welche die Libellen Noten des schönsten Elfenliedes legten. Eine Nachtigall sang der Elfe das zauberhafte Lied und die Grillen spielten nach den Noten die Musik dazu.

Ein Teil der Elfenkinder streute Rosenblätter zu ihren Füßen aus und zwei waren ausschließlich damit beschäftigt ihr zu beiden Seiten die Trä­nen abzuwischen. Doch es half alles nichts. Die Tränenelfe hörte nicht auf zu weinen. Die Elfenältesten waren Ratlos. Auch sie konn­ten sich keinen Reim darauf machen, warum die wunderschöne Elfe so traurig war. Im Gegen­teil, das schluchzen und weinen wurde immer eindringlicher und lauter. Je heftiger sie weinte umso glanzloser wurde ihr Kleid und ihre Flü­gel wurden mit der Zeit stumpf. Wenn das so weiterginge würde die Elfe sterben. Wenn Elfen­flügel ihren Glanz verlieren stirbt die Elfe. Sie waren verzweifelt. So riefen sie den Zauberer zu Hilfe. Dieser erbat sich aus alleine mit der Elfe zu spre­chen. Die ältesten erklärten ihm, das sie noch nie gesprochen hat. Sondern das sie schon immer nur geweint hätte.

 

Der Zauberer beruhigte sie und versicherte ih­nen, dass es sehr viele verschiedene Elfen­sprachen gibt und das darunter auch welche waren die anderen Elfen nicht hören oder ver­stehen konnten. Sie wünschten ihm viel Glück und sangen zu seiner Unterstützung das Elfen­lied ihrer Vorfahren, das sie immer stärkte vor besonders wichtigen Zeremonien. Sie versammelten sich im Wald, ein gutes Stück weit von der Tränenelfe und dem Zauberer ent­fernt. Sie wollten ja beide nicht stören. Der Zauberer ging zu der Elfe. Er setzte sich zu ihr und schaute mit ihr über den See. Lange Zeit saßen sie da, ohne dass der Zauberer etwas sag­te. Die Tiere zogen sich diskret zurück. Und alle warteten, hofften doch endlich erfahren zu kön­nen, warum die Elfe so weinte und wie sie ihr helfen konnten. Die Elfe weinte weiter, unaufhörlich und mark­erschütternd. „Elfe warum weinst du so?“ fragte der Zaube­rer nachdem er eine Weile da saß. Lange Zeit sagte die Tränenelfe nichts. Er dachte schon, das sie ihn nicht verstanden oder gehört hatte. Doch dann kam ganz leise, kaum hörbar: “Ich bin doch die Tränenelfe. Und Tränenelfen sind doch da­für da, das sie weinen. Wenn wir nicht wären, wer würde dann den Kummer und den Schmerz der Erdenkinder teilen?“ Der Zauberer schaute sie ungläubig an. „Wie meinst du das? Den Schmerz der Kinder teilen?“ „Ich werde versuchen es dir zu erklären“ sprach die Elfe unter Tränen. „Ich teile der Weltenkinder Schmerz. Jedes mal wenn auf der Erde ein Kind leidet, wenn es Schmerzen hat, wenn es geschlagen oder sogar misshandelt wird, dann nehme ich dem Kind mindestens die hälfte der Schmerzen. Weißt du Zauberer, die Menschen sind dumm. Sie wis­sen nicht, was sie ihren Kindern antun, viele lie­ben ihre Kinder nicht, benutzen sie nur anstatt ihnen den Weg ins Leben zu zeigen. Und so vie­le Kinder weinen alleine und haben niemanden, dem sie von ihrem Schmerz erzählen können oder wollen. Ich lass diese Kinder nicht alleine. Ich bin bei ihnen und halte ihre Hand. Versuche sie so gut es geht zu ermutigen. So dass sie sich Hilfe ho­len. Nur sind leider viele der Kinder viel zu ängstlich, viel zu eingeschüchtert und viele wissen erst gar nicht, dass ihnen Unrecht ge­schieht, weil die armen Würmchen es nicht an­ders kennen gelernt haben.“ „Aber warum hast du den anderen Elfen nie was davon erzählt?“ fragte der Zauberer. „Die ma­chen sich ganz große Gedanken um dich. Sie haben mir auch erzählt, das du immer heftiger weinst. Und das deine Flügel und dein Elfen­kleid manchmal an Glanz verlieren. Wenn du dein Elfenleben in Gefahr bringst, dann kannst du den Schmerz der Kinder nicht mehr teilen.“

„Da hast du schon recht Zauberer. Aber weißt du, ich wollte die anderen Elfen, die davon ja keine Ahnung haben, nicht damit belasten. Sie sind so unbeschwert und lebensfroh. Ich möchte nicht, das dies ihre Lebensfreude trüb.“ Schloss die Elfe. „Sie haben mich extra gerufen, weil sie so rat­los sind.“ Wir müssen ihnen deine Tränen erklä­ren, sie machen sich sehr große Sorgen“ meinte der Zauberer. Der Zauberer rief einen Vogel herbei, der alle Elfen und Tiere zusammenrufen sollte. Sie soll­ten endlich den Grund der Tränen erfahren. Und vielleicht konnte man ja zusammen überlegen, was man tun könne, damit es der Elfe und den Kindern besser ging. Sie saßen und schwirrten und schauten alle ge­spannt auf den Zauberer und die Elfe. Es war still, keiner machte auch nur einen Mucks. Wäh­rend die Tränenelfe weinte, fing der Zauberer an ihnen die Geschichte zu erzählen.

Betretenes Schweigen.........

Lange Zeit sprach keiner ein Wort. Bis der Ober­elf sich räusperte. „Wir müssen Tränenelfe ihre Last abnehmen. Wenn so viele Menschen, so schlecht mit ihren Kindern umgehen, dann müssen wir der Elfe helfen und selbstverständlich werden wir auch mit an der Seite der Kinderseelen stehen und ihren Schmerz teilen helfen. Wenn wir alle zu­sammen unsere Kräfte bündeln, vielleicht nützt es etwas und den Kindern kann geholfen wer­den. Ich werde Boten ausschicken. Das Elfen­reich geht ja viel weiter als wir es erahnen kön­nen. Wenn sich alle Elfen der Welt den Kinder­seelen verschreiben, dann ist für jedes Men­schenkind gesorgt. Und wir Elfen könnten uns dann nicht nur um das Kind, sondern auch um dessen Eltern bemühen.“ Die Tränenelfe war gerührt. Diesmal weinte sie vor Freude und aus Hoffnung. Sie konnte sich lange nicht um jedes Kind kümmern. Und so war nun doch für jedes Kind gesorgt.

Am Anfang waren die Elfen sehr geschockt über die schlimmen Dinge, welche die Kinder ertra­gen mussten. Aber ihre unsichtbare Arbeit hatte erfolg. Die Kinder wurden einer nach dem an­deren mutiger und auch viele Eltern und Ange­hörige, Lehrer und Erzieher fingen an über ihr Unrecht nachzudenken.

Und so arbeiten sie unablässig daran, den Kin­dern eine schöne Welt zu erschaffen und zu er­halten oder zu reparieren. Und wenn ihr ganz leise seid.......so ganz leise meine ich, dann könnt ihr hören, wie sich die kleinen Elfen  freuen, wie sie singen und lachen vor Freude, wenn sie wieder eine Kinderseele gerettet haben...........

.......und die Kinder lachen mit, manche zum ersten mal!!

 

 

a.r. © 19.08.2004





 

Eine liebe Freundin, die ganz furchbar tallentiert im zeichnen ist, hat mir meine Tränenelfe gemalt. Sie hat sie sehr gut getroffen. Da sie ist sehr bescheiden ist, und ihren Namen nicht gerne öffentlich liest, werde ich darauf verzichten ihn zu nennen. Ich möchte ihr aber trotzdem DANKE sagen. Liebe Karin, es ist schön das es dich in meinem Leben gibt. Ich schätze dich sehr, du bist mir sehr lieb und wichtig geworden. Du bist ein ganz besonders liebenswerter Mensch.......ganz liebe Grüße andrea
Andrea Renk, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.08.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Alles was uns ausmacht ist das, was wir in unser Leben mitgebracht haben und was wir in ihm erleben. Die Autorin schreibt über Gefühle, die uns im Leben so begegnen: Liebe, Freude, Trauer, Leid, lachen, weinen, hüpfen, springen, fühlen und lebendig sein. Sie möchte Impulse setzen, die die Seele berühren und zum Nachdenken anregen.

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