Hans Pürstner

Der Mörder war nicht der Gärtner, Teil 8


Am nächsten Morgen saßen die Mitglieder der Sonderkommission schon beinahe vollzählig zusammen, als das Telefon klingelte und Britta Wilhelm sich meldete.
„Hallo Chef“, meldete sie sich aufgeregt, „tut mir leid, dass ich zu spät komme, aber ich bin gestern an der Bar des Waldschlösschens total versackt. Ich versteh nicht, dass mir so etwas passieren konnte. Dabei hab doch nur Apfelcidre getrunken!“
„Also so etwas“, antwortete Woldmann väterlich vorwurfsvoll, „das hätte ich mir von Ihnen gar nicht gedacht!“. Er konnte nur mühsam ein Lachen unterdrücken, während die Kollegen, die das Gespräch über die Mithörtaste verfolgten, ungehindert losprusteten. „Aber ich habe bei meinem Besuch dort einige Neuigkeiten erfahren!“, versuchte sie ihrem Ausrutscher etwas Positives abzugewinnen, „Das könnte uns weiterbringen bei dem Fall. Ich flitz mal los ins Büro. Bis bald, Chef!“ Woldmann legte auf und wandte sich wieder an den Lebensmittelinspektor. „Ich habe ihnen doch von dem Gift erzählt, Herr Pammer. Was glauben Sie? Könnte jemand das Atropin in die Originalflasche injizieren, vielleicht mit einer Spritze durch den Korken?“ Pammer wiegte den Kopf hin und her und meinte skeptisch „Ich glaub gar nicht, dass man es so kompliziert machen muss. Bei diesen teuren alten Weinen wird ohnehin oft gemauschelt. Man entfernt den Korken, um sicherzugehen, dass der Wein nicht muffig ist und verschließt die Flasche mit einem neuen Korken und versiegelt ihn. Außerdem hab ich gehört, dass der Wein von dem Servierpersonal sowieso erst in ein Dekantiergefäß abgefüllt worden ist“.
„Ja, das war der alte Bellmann“, sagte Woldmann, „der arbeitet als Gärtner bei den Rabbisch. Und der hatte früher einen Weinhandel. Langsam kommen wir der Sache offensichtlich näher. Wenn ich bloß wüsste, was für ein Motiv der Alte haben könnte!“
Während er noch vor sich hin sinnierte, wurde er durch lautes Hallo aufgeschreckt. Britta Wilhelm war eingetroffen und entsprechend lautstark begrüßt worden. „Na Britta, ein Gläschen Wein gefällig? Man soll ja mit dem weitermachen, mit dem man aufgehört hat!“
Die Arme musste sich noch so manch anderen Flachs gefallen lassen von den Kollegen, bevor es ihr zu bunt wurde. „Die müssen mich mit Absicht betrunken gemacht haben, sonst wäre mir das nie passiert!“ rechtfertigte sie sich mit rotem Kopf. „Na, dann sei froh, dass du noch lebst“, schallte die Antwort zurück „Vielleicht hat man dir auch Atropin in den Wein gemischt, wie dem alten Rabbisch!“. Sie wurde bleich und fragte „Und ihr meint, dass das Gift mit dem Wein an Rabbisch verabreicht wurde?“ Woldmann beruhigte sie und legte väterlich den Arm um ihre Schulter. „Komm Britta, jetzt setz dich erst mal zu mir und erzähl genau, was gestern abend im Restaurant war. Und ihr lasst sie endlich in Ruhe. Habt ihr nichts besseres zu tun? Ich kann euch ja losschicken und die Giftschränke in allen in Frage kommenden Apotheken überprüfen lassen!“ Sofort hatten sich alle schuldbewusst tief in ihre Akten vergraben und Britta Wilhelm fing an zu berichten. „Sie hatten das Waldschlösschen gerade aufgemacht, als ich ankam. Jean, der Koch stand vor dem Haus und schrieb mit Kreide das Abendmenü auf die Schiefertafel. Als er mich erkannte, war ich mir nicht ganz sicher, ob seine Verlegenheit mir galt oder dem Besuch der Polizei. Ich denk mal, von beidem etwas. Auf jeden Fall beendete er auffallend hastig seine Malarbeit an der Tafel und ging eilends in seine Küche. Nicht ohne vorher in Richtung Tresen ein paar französische Worte zu rufen. Es hörte sich an wie ein leises Fluchen. „Merde.....“ und so weiter. Mehr konnte ich nicht verstehen.“ Einer der Kollegen, der Britta Wilhelm zugehört hatte rief feixend „Französisch ist wohl nicht deine Stärke, oder? Zumindest nicht sprechen!“ Verächtlich winkte sie ab. „Ihr mit euren sexistischen Späßen, kümmert euch lieber um die Ermittlungen!“ Woldmann pflichtete ihr bei und sie erzählte weiter. „Ich habe mich dann an den Tresen gesetzt und bei der Frau Scholz eine Apfelschorle bestellt. „Probieren sie doch einmal unseren Cidre, das ist ein französischer Apfelwein, wir bekommen ihn von einem befreundeten Bauern aus der Normandie!“. „So hab ich mich halt überreden lassen. Er schmeckte ja auch wirklich zu gut. Vom Alkohol merkte man nichts. Den hab ich erst zu spät gemerkt!“, fügte sie entschuldigend hinzu. Woldmann versuchte nachzuhaken, „Wer war denn sonst noch im Restaurant?“ „Das wollte ich doch gerade erzählen. An einem kleinen Zweiertisch ganz hinten in der Ecke saßen zwei ältere Männer. Erst später erkannte ich in ihnen den Herrn Bellmann und den Wilfried Scholz. Sie waren ganz versunken in ihre Unterhaltung und als Bellmann einmal aufschaute und mich am Tresen erkannte, war er sichtlich erschrocken. Scholz versuchte die Situation zu retten und lud mich jovial ein, an ihrem Tisch Platz zu nehmen, was ich auch dann tat. Dem Bellmann war das gar nicht recht. Er schob einen dringenden Arzttermin vor und verabschiedete sich eiligst.“ Woldmann guckte überrascht und fragte „Hat denn der Scholz wenigstens noch etwas interessantes erwähnt?“ „Klar, Chef, lassen sie mich doch weitererzählen! Er redete gar nicht lange um den heißen Brei herum. „Sie wundern sich bestimmt, was wir hier so zu besprechen haben, Frau Kommissarin? Der Alwin ist ein ganz alter Freund aus gemeinsamen Tagen in Süddeutschland. Er hatte in Trier einen Importhandel für französische Weine und ich in Idar-Oberstein ein Restaurant. „Le Provencal“ hieß es.“ Britta Wilhelm redete munter weiter, es sprudelte nur so aus ihr heraus. „Was glauben sie, Chef, wer der Hauptlieferant von Bellmann war? Ich sag es ihnen, sie erraten es sowieso nie. Jean Paul Morell, der heute im Waldschlösschen kocht. Die drei hatten sich bei einer Verkaufsveranstaltung von Morells Weingut im Bordeaux kennengelernt. Später trafen sie sich öfters in Scholz´s Restaurant in Idar-Oberstein“. „Da fehlt ja nur noch ein einziges Bindeglied in der Kette“, meinte Woldmann. „Ja, Chef, es geht gleich weiter. Inzwischen war auch die Vorspeise gekommen, Herr Scholz hatte mich zum Essen eingeladen. Ich weiß, ich hätte das nicht annehmen dürfen. Aber er war so offen und freundlich. Erzählte fast von alleine alles, was ich eigentlich fragen wollte. Ich war beim Cidre geblieben, bis er mir einen Calvados anbot. Der passt gut zum Apfelwein, wird ja auch daraus gebrannt, meinte er. Na ja, ich hab mich erst geschüttelt. Aber bald wurde mir ganz komisch im Magen das letzte, woran ich mich noch erinnern kann, war, dass Bellmann früher der Exklusivlieferant für französische Weine in den Rabbisch Märkten war.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.08.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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