Bettina Maria Tita

Die Sache mit den Frauen


Ja, das ist so eine Sache mit den Frauen. Jede von ihnen ist natürlich etwas ganz besonderes und jede hat etwas, was nur sie alleine besitzt. Da liegt auch schon die Schwierigkeit.
Anna, Anna war etwas ganz besonderes. Niemand verstand ihn wirklich, außer Anna. Er konnte es sich nicht erklären, wie das dann kam, irgendwann fing sie einfach an komisch zu werden. Nichts konnte er ihr recht machen, egal, wie er es anstellte, es war immer falsch. Immer Streit, jeden Tag und die Abende, die verbrachte er dann lieber woanders.
So lernte er Lisa kennen. Lisa, schlank, brünett und eine Wahnsinnsausstrahlung. Wenn die irgendwo auftauchte, drehten sich alle Kerle nach ihr um und seine Freunde meinten nur: “Mann, Tim, wo hast du die denn nur aufgetrieben!“
Lisa stritt nicht gerne, es war sehr erholsam nach dieser endlosen erzwungenen Rechtfertigungsschiene mit Anna. Sie waren immer einer Meinung und Lisa widersprach wirklich nie, die Harmonie in Person. Doch nach einiger Zeit merkte er, dass da etwas fehlte. Er fühlte sich nicht wirklich verstanden und irgendwie war ihm, als würde Lisa schon aus Prinzip immer zustimmen. Anna, die war da ganz anders, die verstand ihn wirklich und den Streit, naja, den gab es, weil sie einfach zu viel von einem Mann erwartete. Wir sind eben auch nur Menschen.
Ich bin ein Mensch, der Reibung braucht, stellte er fest. Julia sah das genauso. Mir ihr konnte er endlos diskuttieren und sie hatte ihre eigene Meinug, mit der sie ihn gerne reizte, irgendwann fiel ihm auch auf, dass Julia ihn überhaupt ziemlich reizte. Julia war ebenfalls Studentin und wirklich intelligent, da konnte schon mal garnichts schieflaufen. Es lief auch wirklich gut, ganze fünf Wochen, dann aber verstand sie ihn scheinbar nicht mehr.
Ja, ich weiß, ich bin sehr kompliziert, dachte er, und Männer und Frauen, eigentlich passen sie nicht zueinander. Warum muss sie nur immer so viel reden, alles zerredet sie und aus allem macht sie ein Riesenthema. Noch viel schlimmer als Anna, egal, was ich sage, sie kriegt es in den falschen Hals und macht mich damit stundenlang verrückt. Lisa war so anlehnungsbedürftig und wir harmonisierten eigentlich ganz toll, aber Julia, nicht die Spur. Die erträgt es doch keinen einzigen Tag ohne Stress. Befürchte, wir passen einfach nicht zusammen. Wieso gerate ich immer an solche Frauen, warum passiert das immer mir? Vielleicht sollte ich erst mal alleine bleiben.
“Das würde dir sicher nicht schaden!“, meinten seine Freunde. Also blieb er alleine und es war wirklich nicht einfach. Ich bin wohl doch ein Beziehungsmensch, stellte er fest.
Und dann, wie durch ein Wunder, traf er sie. In einer Bar, da stand sie, sie bestand nur aus Beinen, lange, schwarze Haare und ein Wahnsinnslächeln, das ihn einfach umhaute. Eine echte Schönheit, wenn man sie sich genau betrachtete und der Hintern so ganz rund, so gut hatte ihm noch nie eine gefallen.
Kein Wunder, dass das mit Julia und den anderen nicht ganz geklappt hatte, es war einfach Schicksal, denn er wußte schon immer, er würde sie irgendwann treffen und sie war es wirklich. Verdammt schwierig war es noch dazu, denn er kannte sie nicht und bis auf ein paar Blicke war da noch nichts an Kommunikation gewesen, auch die Möglichkeit fehlte dummerweise. Es wäre zu plump gewesen, einfach hinzugehen, hallo, ich bin der Tim, und dann? Diesmal war es ihm ernst, das durfte nicht vermasselt werden. Also mußte er sich eine Strategie überlegen, um sie zu erobern. So eine Frau, also eine wirkliche, echte Frau, will erobert werden.
Vielleicht wäre es noch prickelnder, wenn man es einfach auf der körperlichen Ebene belassen würde, also laufe ich ganz gezielt an ihr vorbei, sehe ihr fest in die Augen und dann werde ich sie ganz leicht streifen, nur an der Schulter, nahm er sich vor. Wow, von nahem sah sie noch besser aus, riesige, volle Lippen und große Augen, DER Männertraum, sie war ganz leicht am Tresen angelehnt und, die muss echt selbstbewußt sein, sie sah ihm auch direkt in die Augen, er spürte, wie es in seinem Bauch kribbelte, überall kribbelte, er bekam sogar Angst, dass er zittern könnte und wurde jetzt wirklich nervös, also lief er ein wenig schneller, an ihr vorbei, ohne sie zu streifen.
“Mann, was bin ich ein Idiot!“ schimpfte er sich leise, was denkt sie jetzt nur von mir, am besten drehe ich mich nochmal kurz um, bevor ich zu weit weg bin, sie kuckt ja immer noch, oh nein, jetzt kommt sie, ruhig bleiben, dreh dich um, langsam.
“Cincin!“, sagte sie und hielt ihm lächelnd ihr Glas entgegen und die Nacht, die Nacht war der absolute Oberhammer, so eine hatte er noch nie erlebt.
Er konnte das alles kaum glauben, diesmal war es wirklich ganz anders und sie war es wirklich. Deshalb war alles so super gelaufen, es ging wie von ganz alleine, fast ohne Worte. Wozu braucht man Worte, wenn man sich ohne versteht. Er musste sie anrufen, gleich jetzt, schon zwei Tage waren vergangen und er hatte nichts gemacht außer träumen von ihr und den Sachen, die sie mit ihm angestellt hatte. Geschlafen hatte er auch ziemlich schlecht, gegessen gar nicht, das konnte so nicht weitergehen.
Erst war er ein wenig erschrocken, als sie sich meldete, denn ihre Stimme war auf einmal ein wenig dünn und wollte so garnicht zu ihr passen, aber was störte das schon, sie verabredeten sich wieder für den nächsten abend und es war einfach unglaublich, diese Frau, noch nie hatte ihn eine so um den Verstand gebracht. Immer wieder machte sie es und jedesmal war es anders. Nie wieder drehte er sich nach anderen Mädels auf der Strasse um und überhaupt war er noch nie so verliebt, ganz eindeutig.
Sie war Verkäuferin in einer Drogerie, dort kaufte er jetzt immer ein und sie taten so, als würden sie sich nicht kennen und er grub sie dann so hemmungslos an, dass ihre Kollegin, die aussah, als hätte sie außer Schminke, Maniküre und Klamotten nichts anderes im Kopf, ganz neidisch kuckte. Entweder sahen sie sich dort oder abends bei ihm, ganz unkompliziert und jedesmal war ihm, als würden sie sich zum ersten Mal treffen, voller Leidenschaft und mit wenig Gerede und außen herum, davon war er seit Julia sowieso geheilt, was brauchte die echte Liebe schon Schnörkel,erkannte er.
Irgendwann beschloss er, dass sie doch mal etwas besonderes unternehmen müssten. Den ganzen Tag im Bett verbringen, das kann ja mal eine Zeit sehr nett sein, aber eigentlich, und das machte sie umso faszinierender, kannte er diese Frau nicht. Er wollte sie wirklich kennenlernen. Sie sprachen immer noch so wenig, vor allem nie von dem, was sie wirklich in ihrem Innersten bewegte. Frauen tun das doch immer so gerne, aber sie war eben anders als die anderen, dachte er und das machte ihm fast Angst, sie schien so undurchsichtig. Sie wird ein Geheimnis haben, irgendetwas, was sie verbirgt auf jeden Fall, darum ist sie immer so still, schon alleine der Name, Marina, das Meer, tief.
Ich werde schon noch dahinter kommen, ich werde sie ins Kino einladen, mal sehen was da läuft, danach unterhalten wir uns mal richtig lange, ohne gleich zu mir zu gehen, beschloss er. So taten sie auch, nach dem Film gingen sie in die gleiche Bar, in welcher sie sich damals getroffen hatten.
“Und, wie hat der Film dir gefallen?“, fragte er. Sie lächelte und zuckte mit den Schultern:
“Geiler Film!“
So ging es noch eine Weile weiter, es war wirklich schwierig, wenn das körperliche bei ihnen nicht da war. Wir sind eben zwei äußerst körperbetonte Meschen, stellte er fest.
“Und was denkst du, hätte dieser Film auch ohne Pathetik funktioniert? Ich meine, hätte man die Streicher weggelassen und die Zeitlupenaufnahmen, wäre das dann auch so unter die Haut gegangen?“, überlegte er laut.
“Hmm...“ kicherte sie. Schon wieder behielt sie für sich, was sie dachte und er wurde ein wenig wütend, das konnte sie doch nicht ewig so mit ihm machen.
“Nein wirklich, was glaubst du?“ hakte er nach.
“Ähm, ich denke schon.“ Das war alles. Konnte ja echt nicht sein.
“Wie fandest du den Schluss? Ich fand ihn zu lang und zu gezielt auf die Tränendrüse. Das machte den Film doch irgendwie so pathetisch. Nicht die Streicher.“ bohrte er weiter. Irgendwie musste man sie doch zum reden bringen. Aber es funktionierte nicht. Stattdessen wechselte sie das Thema und erzählte belangloses, um von ihrer Arbeit und der nervigen Kollegin, was sie so eingekauft habe und das sie diesen Sommer unbedingt wieder nach Ibiza möchte.
“Die Partys dort sind der Hammer!“ lachte sie. “Ich fahre jedes Jahr. Diesmal musst du mit!“
Ach, Ibiza, eine Woche Ibiza, das einzige, worauf sie sich schon die ganze Zeit freuen würde. Das würde aber erst dann gehen, wenn sie sich ihre nächste Shoppingtour durch den Brooklinpalace finanziert hätte, schließlich muss man da schick sein, und ein paar Stunden im Solarium wären auch dringend mal wieder nötig, denn so blass kann man sich da nicht hintrauen, auf keinen Fall, er könne da ruhig auch mal hingehen, das könne er vertragen und dann müsste sie unbedingt nochmal etwas neues mit ihren Haaren machen, vielleicht sollte sie mal eine Welle legen lassen, wie er das fände? Ob ihr das stehen würde? Er könne seine ja auch mal nach hinten gelen, dass stehe ihm bestimmt gut. Außerdem muss ein Mann doch ein wenig Schmuck tragen, sie habe da gestern etwas Schönes gesehen, das würde gut zu ihm passen, ist zwar vergoldet und nicht echt aber das kann man ja eh nicht unterscheiden und für seine Studentenkasse sei das ja eh zu viel. Ob er sich das überhaupt leisten könne, nach Ibiza zu fliegen?
Wieder daheim, diesmal alleine, kam ihm ein Verdacht. Sie ist dumm. Kein Geheimnis, kein tiefes Gewässer, eher ein Südseegewässer mit halbnackten Proleten, die Sangria aus Eimern saufen, übelste Dumpfbackenmusik aus fetten Lautsprechern in einer Disco voller Typen mit zu hohem Testosteronspiegel, so etwas konnte er gar nicht leiden, diese Typen, die man immer an ihren Schmalzlocken, weißen Feinripphemden und Goldkettchen entlarvt. Goldkettchen. Das mit den Haaren, naja, das könnte er schon mal ausprobieren, aber Solarium. Er sah sich schon in der blauen Röhre wie in einem Sarg verschwinden.
Julia! Sie hätte darüber gespottet. Sie verachtete das ganze Ballermann Getue und Typen mit Goldkettchen und dem Bartwuchs auf der Brust. Nie würde Julia Sangria aus einem Eimer trinken oder mit anderen Schlampen in einer Abschleppdisco abtanzen, um sich danach von einem diesen Halbaffen begatten zu lassen.
Julia hat Klasse. Sie hätte sicher interessante Details in diesem Film gefunden und jetzt würden sie immer noch hier sitzen und lange darüber reden, das Gespräch würde ausufern und dann... Jetzt wurde ihm alles klar, endlich wurden ihm die Augen geöffnet, es hatte so kommen müssen, genau so und nicht anders. Ohne Marina hätte er es nie kapiert, dass er Julia braucht, will. Er musste erst einen Riesenfehler machen, um es zu begreifen. Ob es zu spät ist? Er griff zum Hörer und wählte Julias Nummer.

Die Geschichte ist frei erfunden.
Ähnlichkeiten zu reelen Personen oder Ereignissen sind zufällig
und nicht beabsichtigt.
Bettina Maria Tita, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.08.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Die letzte Unterrichtsstunde war zu Ende, das Wochenende stand bevor. Studienrat Edmund Konrad strebte frohgemut auf seinen blauen Polo zu. Hinterm Scheibenwischer steckte der Werbeflyer eines Brautausstatters, und indem er das Blatt entfernte, fiel ihm beim Anblick des Models im weißen Schleier siedend heiß ein, daß sich heute sein Hochzeitstag zum fünften Mal wiederholte.
Gerade noch rechtzeitig. Auf dem Nachhauseweg suchte er in einem Blumenladen für Lydiadie fünf schönsten Rosen aus und wurde, ehe er sich versah, durch eine Falltür in die Tiefe katapultiert ...

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