Christian Ganser

Der Schlafende

Ein einsamer Wanderer ging einen Weg entlang, der von einem der Berge führte, hinter denen die Sonne verschwand und der Dämmerung Platz machte. Dieser Mann war schlicht gekleidet, mit Stiefeln aus Tierfellen und Leder, langen, braunen Hosen, die ziemlich schmutzig waren und an manchen Stellen schon etwas aufgerissen. Sein, früher einmal, weißes Leinenhemd sah auch nicht besser aus als die Hose, das Meiste davon bedeckte aber eine lederne Jacke ohne Ärmel, die er immer offen trug. Das auffälligste Merkmal war jedoch sein riesiges Breitschwert, das er, auf seinen Rücken geschnallt, trug. Er war von mittlerer Größe, hatte dunkles, nicht allzu langes Haar und er sah nicht gerade stark aus, doch er konnte schon ziemlich kräftig zupacken. Der Name dieses Reisenden war Ronn, er war dreißig Jahre alt und kam von der anderen Seite der Berge, dort hat er einem Bauern bei der Ernte geholfen. Ronn hatte kein festes Zuhause, er reiste umher. Dort wo man seine Hilfe brauchte, arbeitete er und zog dann einfach weiter. Manchmal wurde er mit ein paar Silberlingen belohnt und manchmal mit Sachen die er gerade brauchte, wie mit Schuhen oder einer neuen Hose oder auch einfach mit Proviant. Mit seinem Schwert konnte er recht gut umgehen, beinahe jeden Angreifer konnte er in die Flucht schlagen. Damit umzugehen lernte er, als er bei einem Schwertmeister gearbeitet hat, doch er kämpfte nur, wenn es nicht anders ging.
Ronn war den ganzen Tag auf den Beinen gewesen, er war müde und hoffte, bald das Dorf zu erreichen, von dem der Bauer ihm erzählt hatte. Im Dorf würde er sich eine Arbeit suchen und nach ein paar Tagen wieder weiterziehen. Da es schon beinahe dunkel war musste er sich beeilen um nicht im Freien übernachten zu müssen. Ein lauter Schrei schallte plötzlich durch die hereinbrechende Nacht und riss Ronn aus seinen Gedanken. Er drang aus dem nahen Wald an seine Ohren, schnell zog Ronn sein Schwert und rannte in den Wald hinein.
Auf einer kleinen Lichtung standen drei Gestalten und in ihrer Mitte lag ein Kind auf dem Boden. „Was macht ihr da?“, rief Ronn. Eine der Gestalten drehte sich um und sah ihn an. Es war zu dunkel um genaueres zu erkennen, er sah nur, dass jede der drei Personen eine lange Kutte mit einer Kapuze trug. Das Kind in ihrer Mitte nutzte die kurze Unachtsamkeit aus und verschwand im tieferen Wald. Der, der ihn ansah fuhr herum, sagte etwas, das Ronn nicht verstehen konnte und lief in die Richtung, in der das Kind verschwunden war. Die anderen beiden folgten ihm.
Ronn wusste nicht recht was er davon halten sollte, steckte sein Schwert zurück und machte sich wieder auf den Weg ins Dorf. Am selben Abend fand er noch, bei einem Bauernhof nahe dem Dorf, Unterkunft und Arbeit als Knecht. Schlafen konnte er in einem alten, unbenutzten Geräteschuppen. Zwei Tage vergingen und nichts Ungewöhnliches geschah, doch in der Nacht des zweiten Tages klopfte es an der Tür seines Schuppens. Verschlafen und verärgert über die späte Störung wankte Ronn zur Tür und öffnete sie. Als er dann sah wer vor ihm stand, war seine ganze Müdigkeit wie weggeblasen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er den späten Besucher an: er trug einen langen dunkelgrauen Umhang mit einer Kapuze, die er weit übers Gesicht gezogen hatte, sodass man es nicht richtig erkennen konnte. Es war eine der drei Gestalten, die er vor zwei Tagen im Wald getroffen hatte – zumindest trug er das selbe Gewand.
„Durch deine Schuld ist der Dämon entkommen!“, sagte der Mann in der Kutte.
„Dämon? Wovon sprecht ihr? Wer seid ihr überhaupt?“, fragte Ronn verwirrt. Eine Weile sagte der Unbekannte nichts doch dann wandte er sich um und sprach: „Mein Name ist Drake. Folge mir!“. Ohne auf Ronns Reaktion zu warten ging er los. Ronn war jetzt etwas neugierig geworden und beschloss, dem Fremden zu folgen. „Mein Name ist Ronn.“, sagte er während er Drake folgte, doch dieser schien ihn gar nicht zu beachten. Sie entfernten sich etwas vom Hof und blieben dann vor dem Waldrand stehen. Drake drehte sich zu Ronn um und packte ihn an den Schultern. Plötzlich glaubte er ein Grinsen in Drakes, fast völlig verdecktem Gesicht zu erkennen. „Achtung, das erste Mal ist es etwas ... ungewöhnlich.“, sagte der geheimnisvolle Mann. „Das erste Mal? Wovon...“, er konnte den Satz nicht zuende sprechen, denn Dunkelheit vernebelte seine Sinne und als er wieder zu sich kam, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen: er war jetzt in einer Höhle und außer Drake waren da jetzt noch die beiden anderen, von vor zwei Tagen – zumindest glaubte er das, denn er hatte ihre Gesichter nicht gesehen und jetzt hatten sie ihre Kapuzen übergezogen. Drake stand neben ihm und deutete jetzt auf die Gestalt links vor ihm und sagte: „Das ist Raina und neben ihr steht Torn. Raina und Torn, das ist Ronn.“ Nachdem er sie vorgestellt hatte zog er seine Kapuze zurück, die anderen beiden taten es ihm gleich.
Zum ersten Mal sah Ronn die Gesichter der Drei: Drake hatte schwarzes Haar, das an ein paar Stellen schon ergraut war, auch sein Bart war schwarz mit zwei grauen Streifen darin, die von oben nach unten führten, sein Gesicht strahlte eine gewisse Güte und Weisheit aus. Er schätzte sein Alter auf ungefähr fünfzig. Raina war eine junge Frau, etwa zwanzig, vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt. Sie war hübsch, hatte lange hell-braune Haare und, obwohl die Kutte ihren Körper zur Gänze bedeckte, sah man doch, dass sie eine gute Figur hatte. Torn war ein Riese, das war ihm auch schon damals im Wald aufgefallen. Seine Hände sahen unglaublich kräftig aus, Ronn vermutete, dass er ziemlich stark sein musste, sein Gesicht wirkte hart und kantig, sein Alter konnte er nicht richtig einschätzen, aber er war etwa gleich alt wie Ronn, auf keinen Fall jünger. Doch eines an ihnen ließ Ronn den Atem stocken: nämlich ihre Augen. Die Augen der drei waren schwarz, so schwarz wie die finsterste Nacht, zuerst dachte er es wäre nur ein Schatten, doch als er genauer hinsah erkannte er, dass ihre Augen durch und durch schwarz waren.
„Wer... oder was seid ihr? Wieso bin ich hier?“, stammelte Ronn entsetzt.
„Ich sagte doch,“ antwortete Drake „durch dich konnte der Dämon entkommen.“
„Aber... ich weiß nichts von einem Dämon.“, erwiderte Ronn.
„Vor zwei Tagen, hatten wir den Dämon im Wald gestellt, du kamst und hast kurz meine Konzentration von ihm abgelenkt, diese kurze Unaufmerksamkeit nutzte er um zu fliehen. Er wurde dadurch sehr vorsichtig und wir konnten ihn kein zweites Mal fangen.“, erklärte Drake.
Ronn begann zu verstehen: „Das Kind war ein Dämon? Das wusste ich doch nicht! Ich dachte ihr wolltet einem kleinen Kind etwas antun.“
„Der Dämon hat sich als Kind getarnt und konnte so, ohne größeres Aufsehen, im Dorf umherziehen und sich seine Opfer in aller Ruhe aussuchen, um sie dann, wenn sie alleine waren, hinterhältig zu ermorden. Denn dieser Dämon lebt von den Herzen derer, die er getötet hat. Es gab schon acht Tote und er wird erst weiterziehen, wenn er das ganze Dorf ausgelöscht hat.“, erläuterte Drake und sah Ronn dabei unentwegt vorwurfsvoll an.
„Und wer seid ihr drei, wenn ich fragen darf? Menschen seid ihr doch keine, oder?“, wollte Ronn wissen.
„Oh doch! Wir sind sehr wohl Menschen, nur haben wir ... eine besondere Fähigkeit.“, dieses Mal war es Raina die antwortete.
„Eine Fähigkeit?“, hakte Ronn nach.
„Wir können die Dämonen sehen, auch wenn sie menschliche Gestalt angenommen haben. Wir nennen uns Dämonenjäger.“, sagte Drake. „Aber genug davon. Wir haben uns die letzten zwei Tage darüber beraten, ob wir dich zu uns holen und dir die Aufgabe zuteilen, den Dämon zu vernichten. Wie du siehst haben wir uns dafür entschieden.“
„Was!? Ich kann und werde das nicht tun!“, schrie Ronn.
„Ich sagte doch, dass er nicht geeignet ist.“, brummte Torn „Er hat bestimmt keine....“, Drake schnitt Torn mit einer scharfen Bewegung das Wort ab. „Schweig!“, sagte er „Er wird es tun, denn er hat keine andere Wahl ... und außerdem will er es doch, das kann ich spüren. Seine Neugier ist stärker als seine Angst.“
Ronn sah Drake etwas überrascht an und sagte: „Was, wenn ich es nicht tue?“
„Dann ... dann werden wir dich töten.“, sagte Drake ruhig, mit einer Kälte in seiner Stimme, die Ronn einen eisigen Schauer über den Rücken jagte.
Er nickte kurz und sagte: „Gut. Ich mache es, ich werde den Dämon töten. Aber wie soll ich ihn finden?“
„Geh ins Dorf.“, antwortete Raina „Geh ins Dorf und frage die Bewohner nach dem fremden Kind, sie können dir bestimmt weiterhelfen.“
Ronn konnte gerade noch hören, was Raina ihm sagte, dann übermannte ihn wieder diese Dunkelheit und als er wieder zu sich kam stand er am Waldrand vor dem Bauernhof, wo Drake ihn vorhin hingebracht hatte. Er ging zu seinem Schuppen zurück und legte sich nieder, doch Schlaf fand er keinen mehr in dieser Nacht. Zu viele Gedanken rasten durch seinen Kopf. Gedanken über Dämonen und die schwarzäugigen Dämonenjäger. Er hatte zwar schon Legenden über Dämonen gehört, doch er dachte immer nur es wären einfach Legenden und jetzt sollte er gegen einen wahrhaftigen Dämon kämpfen! Er war sich doch nicht einmal sicher, ob er den Gestalten in den Kutten Glauben schenken konnte. Doch er würde sich morgen, nachdem er seine Arbeit getan hatte, im Dorf umhören. Vielleicht hatte wirklich jemand das Kind gesehen. Ronn dachte noch viel nach in dieser Nacht und dann wurde es bald hell. Er ging wie gewöhnlich seinen Arbeiten als Knecht nach und am späten Nachmittag, als er dann alles erledigt hatte, ging er ins Dorf.
Das Dorf war eine Ansammlung von ein paar Häusern, ungefähr zwanzig, es gab auch noch drei Bauernhöfe, diese befanden sich jedoch etwas außerhalb. Ronn war die beiden Tage zuvor auch schon im Dorf gewesen, doch außer der Kneipe gab es nicht viel Interessantes und genau dort beschloss er seine Suche zu beginnen. Das Wirtshaus war aus Baumstämmen gebaut, so wie alle Häuser im Dorf, das Dach war auch aus Baumstämmen, deren Zwischenräume mit Teer verschmiert waren und über der Tür hing ein großes Schild, das bei jedem Windstoß hin und her wackelte. Auf dem Schild stand: „ZUM RASENDEN EBER“. Die Kneipe war nicht besonders groß, nur fünf Tische und ein paar Hocker an der Schank, doch es war gut besucht. Ronn begann sich vorsichtig nach dem Kind zu erkundigen und obwohl er ein Fremder war, erzählten ihm die Dorfbewohner eine ganze Menge. Fast jeder hier hatte das Kind schon einmal gesehen. Jeder beschrieb es als ein kleines Mädchen mit dunkel-braunen Haaren und einem auffälligen, roten Kleid. Das Mädchen soll vor ungefähr zwei Wochen hier aufgetaucht sein, niemand wusste, zu wem es gehört und als er nach den Toten fragte, erfuhr er, dass die Morde vor etwas mehr als einer Woche begannen und dass bei jedem das Herz herausgerissen worden war, doch seit zwei Tagen, hat niemand mehr das Mädchen gesehen und auch Todesfälle gab es keine mehr in letzter Zeit. Sie sagten nichts von einem Dämon, Ronn fragte aber auch nicht danach. Ein Mann, der an der Bar saß, meinte, dass die Morde ein Wolf begangen habe, der hier öfters gesehen worden war, doch Ronn glaubte nicht, dass ein Wolf nur die Herzen fressen und den Rest einfach zurücklassen würde, wenigstens hatten die Dorfbewohner damit eine Erklärung gefunden, die in gewisser Hinsicht, logisch zu sein schien. Aber zumindest wusste Ronn jetzt, dass die Morde und das Auftauchen des Mädchens zeitlich zusammenpassten und das mit den Herzen hatten die Dämonenjäger, wie sie sich nannten, auch erwähnt. Ob das Kind ein Dämon war, würde er erst wissen, wenn er ihm gegenüber stand. Da jedoch keiner in der Kneipe das Mädchen in der letzten Zeit gesehen hatte, musste er sich im restlichen Dorf umhören. Aber auch dort erhielt er immer die gleiche Antwort, er hatte beinahe jeden hier im Dorf befragt als er endlich einen Hinweis über den aktuellen Aufenthaltsort des Kindes erhielt.
„Ich habe das Mädchen mit dem roten Kleid erst vor kurzem gesehen.“, erzählte eine alte Frau welche die Dorfbewohner die „alte Ursel“ nannten, eine Kräuterhexe, zu der die Dörfler gingen, wenn sie krank waren oder Geister in ihrer Nähe vermuteten, aber sonst mieden sie die Alte. „Als ich heute morgen auf der Suche nach Kräutern war, habe ich sie wieder gesehen. Das Mädchen geht immer den selben Weg, bei meinem Haus vorbei und tiefer in den Wald hinein. Einmal hat sie versucht, mich zu überreden ihr zu folgen, doch irgendetwas in ihren Augen hat mich beunruhigt.“, erklärte die alte Ursel.
„Gut! Bring mich bitte zu deinem Haus und zeige mir dann wohin das Mädchen ging.“, bat Ronn. Ursel willigte ein und führte ihn zu ihrem Haus. Sie wohnte mitten im Wald, nur ein kleiner, unscheinbarer Pfad führte dorthin.
„Dort.“, sprach die Alte und deutete in den tiefen Wald hinter ihrem Haus „Dorthin ging das Mädchen, jedes Mal wenn ich es sah.“
Ronn bedankte sich bei der alten Ursel und drang tiefer, mit aufgeregt pochendem Herzen, in den Wald vor. Immer weiter kämpfte er sich durch das dichte Unterholz, es war nicht einfach voranzukommen, an manchen Stellen musste er sein Schwert einsetzten um sich einen Weg zu bahnen. Endlich tat sich vor ihm das dichte Holz auf und er befand sich auf einem baumfreien Platz. Der Boden war zwar frei, doch die Kronen der umliegenden Bäume verdeckten die Sicht zum Himmel fast zur Gänze und ließen beinahe kein Licht durch, sodass die Umgebung düster und unheimlich wirkte, mittlerweile war es auch schon etwas später geworden, bevor er in den Wald ging konnte er noch sehen, wie die Sonne hinter den Bergen versank. Auch der Nebel, der zwischen den Bäumen und Sträuchern hing, trug seinen Teil dazu bei, alles gespenstisch aussehen zu lassen.
Ronn sah sich um, doch das Kind war nirgends zu sehen. Plötzlich huschte etwas durch den umliegenden Wald, es raschelte und hinter Ronn ertönte ein leises Kichern. Er drehte sich um und da stand das Mädchen. Es musste ungefähr neun oder zehn Jahre alt sein und reichte Ronn etwa bis zu den Hüften.
„Was machst du hier?“, fragte Ronn.
„Was ich hier mache?“, das Mädchen lachte „Das sollte ich besser dich fragen, nicht?“
Ronn sah das Kind durchdringend an und sagte ernst: „Ich bin hier um einen Dämon zu erledigen. Hast du zufällig einen gesehen?“
Es lachte wieder und sagte: „Einen Dämon?“ Plötzlich veränderte sich die Stimme des Mädchens: „Ich glaube du hast Glück.“, sagte es mit einer äußerst tiefen und rauen Stimme „Es ist gerade einer in der Nähe!“
Die Augen des Dämonen begannen zu glühen und er fing an zu wachsen. Er wurde größer und größer, bis er Ronn um die Hälfte überragte, dabei hatte sich auch sein Aussehen verändert: die Haut wurde von dichtem, schwarzen Fell überwuchert, das Kleid wurde in tausend Stücke zerfetzt, sein Gesicht war jetzt das einer Bestie. In seinem Maul wurden die Zähne länger und spitzer, die oberen und unteren Fangzähne, wurden doppelt so lang wie der Rest der Zähne. Seine schwarzen Haare waren schulterlang und verfilzt, vier Hörner wuchsen am Kopf des Ungeheuers, die Hände veränderten sich zu todbringenden Klauen. Der ganze Körper des Dämonen sah muskulös und äußerst beweglich aus, seine Augen waren rotglühend und starrten ihn mordlustig an. Ronn musste jetzt schnell handeln, er zog sein Schwert und stürmte auf den Dämon zu. Er hoffte ihn überraschen zu können und ihn so zu verletzen. Der Dämon jedoch war schnell, geschickt wich er Ronns Schlag aus und traf diesen am Rücken, wodurch Ronn nach vorne taumelte und beinahe stürzte. Ronn fuhr herum und nutzte den Schwung aus um mit seinem Schwert nach dem Dämon zu schlagen, er traf ihn an der Schulter und fügte ihm einen tiefen Schnitt zu, der heftig zu bluten begann. Der Dämon heulte voller Wut und Schmerzen auf, sprang auf Ronn zu, der wollte ausweichen doch der Dämon war einfach zu flink und streifte ihn mit seinen Krallen an der Brust. Die Verletzung war nicht schwer, sie blutete nicht einmal wirklich, doch sie tat höllisch weh. Ronn versuchte, den Schmerz zu verdrängen und schlug mit seinem Schwert nach dem Dämon, dieser hatte sich bereits wieder zu ihm herumgedreht und fing den Schlag mit seinen bloßen Händen ab. Immer stärker stemmte sich Ronn gegen den Dämon, irgendwann konnte dieser dann das Schwert nicht mehr zurückhalten und genau wie Ronn hoffte, begann der Dämon auch schon an den Händen zu bluten. Doch er ließ das Schwert nicht aus, und Ronn mobilisierte noch einmal all seine Kräfte und schnitt durch die Hände des Dämonen. Blut quoll heftig aus den Wunden und ungläubig starrte der Dämon die Stellen an, an denen einmal seine Hände waren. Er hatte, voller Überraschung und Schmerzen, auf Ronn vergessen, denn dieser setzte zum letzten Schlag an. Ronn hatte sein Schwert auf die Mitte des Brustkorbes des Dämonen gerichtet. Als der Dämon ihn bemerkte war es zu spät und Ronn rammte sein Schwert in den Körper des Scheusals. Es trat am Rücken wieder aus und Ronn zog es mit einer ruckartigen Bewegung wieder heraus. Der Dämon starrte zuerst Ronn, dann seine tödliche Wunde an der Brust an. Das Glühen in seinen Augen verlosch und er fiel leblos auf den Boden. Ronn sah sein blutverschmiertes Breitschwert an, legte es neben sich auf den Boden und setzte sich erschöpft nieder. Kurz schloss er seine Augen und genoss die Stille, als er seine Augen wieder öffnete standen die drei Dämonenjäger vor ihm.
„Gut gemacht! Ich wusste, du würdest deine Prüfung bestehen.“, sagte Drake.
Ronn war verwirrt: „Prüfung? Wovon sprichst du, Drake?“
„Ich spreche von deiner Aufnahmeprüfung als Dämonenjäger. Als ich dich das erste Mal im Wald gesehen habe, wusste ich, du trägst die Seele eines edlen Dämonen in dir.“, antwortete er.
„Eines edlen Dämonen? Aber ... ich verstehe nicht ganz.“, sagte Ronn, der nicht genau wusste, was hier gerade vor sich ging.
Drake machte eine beruhigende Geste, und erklärte: „Früher waren nicht alle Dämonen böse, einige von ihnen waren gut, doch solche gibt es schon lange nicht mehr. Bevor jedoch der mächtigste von ihnen starb, sprach er einen Zauber aus, der alle Seelen der verstorbenen, edlen Dämonen in Menschen eindringen ließ. So entstanden die Dämonenjäger. Doch damit die Seele sich entfalten kann, muss ein ’Schlafender’ einen Dämon töten und seine Energie aufnehmen. So wird er dann zu einem Dämonenjäger und mit jedem Dämon den er vernichtet und dessen Energie er aufnimmt, wird er stärker. Also, nimm die Energie des toten Dämonen auf und werde einer von uns!“
Ronn stand auf und ging, wie in Trance, auf den Leichnam zu. Genau davor blieb er stehen und hielt beide Hände über ihn. Ronn wusste, das wenn er das jetzt tun würde, es kein zurück mehr gab, doch er wusste auch, das dies womöglich seine letzte Chance auf eine Veränderung in seinem Leben war.
Er konnte die kalte, dunkle Aura des Dämonen spüren und als sie in ihn floss spürte er eine Macht, die er noch nie zuvor gespürt hatte. Sie durchströmte seinen gesamten Körper und als er alles in sich aufgesaugt hatte, ging der Körper des Dämonen in Flammen auf und zerfiel zu Asche.
„Jetzt bist du endgültig einer von uns!“, sagte Raina, Torn murmelte nur etwas Unverständliches.
„Zieh umher, beschütze die Unwissenden und suche nach ’Schlafenden’, das sind deine Aufgaben. Aber zuerst solltest du dich ausruhen, ich werde dir dann mehr sagen. Versuche einmal deine Gabe einzusetzen.“, sagte Drake und verschwand, wie die anderen beiden auch, in einer dunklen Rauchwolke.
Ronn verstand, hob sein Breitschwert auf und schwarzer Nebel umhüllte ihn. Als der Nebel sich dann wieder verzog fand er sich in seinem Schuppen wieder, genau dort, wo er hin wollte. Er schlief sofort ein, nachdem er sich hingelegt hatte.
Am nächsten Morgen erwachte er, noch bevor die Sonne aufgegangen war. Hatte er alles nur geträumt? Ronn sah auf seine Brust, er konnte keine Verletzungen entdecken, sein Hemd fand er nicht, er musste es ausgezogen haben, bevor er einschlief, doch es würde bestimmt wieder auftauchen. Als er sich umwandte fiel sein Blick auf einen Spiegel, der ziemlich verstaubt war, doch er ließ ihn eines erkennen: Ronns Augen waren nachtschwarz! Erschrocken sah er weg und er wagte es für mehrere Minuten nicht mehr in den Spiegel zu blicken. Doch schließlich raffte er seinen ganzen Mut zusammen und wischte den Staub vom Spiegel. Erleichtert atmete er auf: seine Augen waren so wie immer, er musst sich das alles nur eingebildet haben.
„Nein Ronn!“, drang eine wohlbekannte Stimme an sein Ohr „Es war kein Traum.“
Drake stand neben ihm und sah ihn mit einem gütigen und weisen Ausdruck an.
„Aber die Augen...“, erwiderte Ronn.
„Ich habe dir gesagt, wenn du ausgeruht bist erzähle ich dir mehr. Unsere Augen verändern sich wenn die Sonne untergeht und werden wieder gewöhnlich wenn sie wieder aufgeht. Das hilft uns, damit wir in der Dunkelheit besser sehen können. Unsere Kräfte können wir jedoch auch am Tag einsetzen. Wunden heilen bei uns über Nacht, du musst zwar nicht schlafen, doch manchmal tut dir eine Pause bestimmt gut. Auch die Zeit ist für uns nicht so, wie sie für die Menschen ist, denn wir leben weitaus länger als ein Mensch es sich auch nur vorstellen kann.“, erklärte Drake. Sie sprachen noch eine ganze Weile, Drake erzählte ihm viel von seinem Leben als Dämonenjäger doch schließlich meinte er, dass er am besten selbst Erfahrungen sammeln sollte. Sie verabschiedeten sich von einander und Drake wünschte ihm noch viel Glück, danach verschwand er so lautlos wie er gekommen war.
Der neu erwachte Dämonenjäger verließ den Hof noch am selben Tag, er verabschiedete sich und bedankte sich für die Unterkunft, als Lohn erhielt er ein neues Hemd, da die Bäuerin sein altes völlig zerrissen fand und es weggeworfen hat. Ronn machte sich auf, zum ersten Mal in seinem Leben mit einem festen Ziel vor Augen: die Menschen vor den Dämonen zu beschützen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.08.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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