Daniel Lohmeyer

The Castle - Night without Morning - Teil 4

Die alte Standuhr in Arquettes zeigte 16 Uhr, als Gabrecht, Walter, Corinna und Denise das Büro betraten. Arquette erhob sich hinter seinem Schreibtisch. „Haben sie noch fragen, oder kann es losgehen?“ fragte er. „Wie lange sind wir da unten unterwegs?“ fragte Walter und steckte sich eine Zigarette an. „Die ganze Nacht“ antwortete Arquette. Walter schüttelte den Kopf. „Das ist keine gute Idee.“ sagte er und zog an seiner Zigarette. „Warum?“ fragte Gabrecht. Walter wandte ihm den Kopf zu und stieß den Rauch aus. „Dort unten gehen sonderbare Dinge vor. Besonders bei Nacht, Herr Gabrecht.“ antwortete Walter. „Alles Schwachsinn!“ erwiderte Arquette. Walter zuckte mit den Schultern. „Wie sie meinen. Aber wenn ich dort unten bei Nacht arbeiten soll, müssen sie mir schon etwas bieten.“ gab er von sich. Arquette schüttelte den Kopf und blickte zur Decke. „Na gut. Ihr Honorar hat sich soeben verdoppelt.“ sagte er und schaute noch mal in die Runde. „Sonst noch irgendwelche Fragen?“ Alle schüttelten den Kopf. „Dann können wir ja gehen.“ sagte Arquette und ging zum Aufzug. Die anderen folgten ihm.

* Heute *

Die fünf Polizeibeamten hockten im Gras und schauten sich um. Einer blickte in regelmäßigen Abständen zu Rudger, um sich zu überzeugen ob er noch da war. Der Wald lichtete sich hier gänzlich und die Sonne schien auf das Wasser des Waldsees. Einige Enten waren zu hören. Eine Entenmutter schwamm mit ihrem Gefolge von drei kleinen Entenbabys am Ufer vorbei. Rudger schaute ihnen zu und lächelte. „Könnte nicht alles so friedlich sein“ dachte er und drehte sich etwas zur Seite als er Schritte hörte. Beek kam den kleinen Abhang vom Ufer hinauf und rieb sich übers Gesicht. Sie waren nun schon seit zwei Stunden gelaufen, und das kalte Wasser des Sees wirkte wie ein Wunder. „Sagen sie Rudger: Warum machen sie sich Sorgen? Es ist doch ganz friedlich.“ gab er von sich und trat neben Rudger. „Glauben sie mir. Wenn es Dunkel wird, wollen sie lieber zu Hause neben ihrer Frau liegen.“ antwortete Rudger und schaute wieder auf das Wasser. Beek schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, was ich glauben soll, Rudger. Kommen sie, nach ihrer Aussage ist es noch ein ganzes Stück.“ sagte Beek und ging zu seinen Männern. Rudger nickte und wandte sich um, als hinter ihm wieder ein quaken ertönte. Rudger wendete sich wieder dem Wasser zu und sah die Entenmutter auf das Ufer zu schwimmen. Er machte zwei Schritte und rutschte den kleinen Abhang hinunter. Kurz vor dem Wasser ging er in die Hocke und streckte eine Hand aus. Die Ente kam immer näher. „Rudger!“ rief Beek. Ohne sich umzudrehen schrie er zurück „Moment! Ich will nur einen Schluck Wasser trinken.“ Die Ente war fast da. Der Wind frischte auf, wehte über das Wasser und durch die Bäume. Rudger vernahm ein Wispern. „Beeile dich Rudger. Ich warte schon“ Seine Fingerspitzen berührten den Schnabel der Ente und ein Blitz durchzuckte ihn. Bilder sprangen in seinen Kopf. Bilder von Freunden. Vor seinem geistigen Auge sah er Gloria - sein schönes Mädchen. Sie stand lächelnd im Sonnenschein. Tränen rollten über seine Wangen und er lächelte. Ein weiterer Blitz durchzuckte ihn. Der Himmel über Glorias lächelnder Gestalt wurde Dunkler und ihr Gesicht schien von Entsetzten zerrissen. Rudger stöhnte auf. Er sah wie sie losrannte und immer wieder die flüsternde Stimme. „Schneller Rudger, schneller! Hilf ihr!“ Er schloss die Augen, versuchte den aufkommenden Schmerz niederzuringen. Etwas war hinter Gloria her. Er sah den schwarzen Schatten, wie er spielerisch um sie herum flog. Rudger wusste, dass sie ihm nicht entkommen konnte. Niemand konnte das. Der schwarze Schatten drang in sie ein, verschwand gänzlich. Gloria Stimme klang schrill. „Rudger!“ Dann wurde sie in die Luft gehoben. Schwebte dahin mit herunter hängenden Armen und Beinen. Wie gerne würde er ihr helfen. Es waren noch so viele Dinge ungesagt. Dann fiel sie zu Boden und regte sich nicht mehr. Der schwarze Schatten zog sich aus ihrem Körper zurück. „Und jetzt du!“ erklang es flüsternd. Der Schatten schoss auf ihn zu und... eine Hand prallte auf seine Schulter und riss ihn hoch. Der Kontakt zur Ente wurde unterbrochen und Rudger fand sich in der Wirklichkeit wieder. Sein Gesicht glänzte vom Schweiß und seinen Tränen. „Komm schon du Entenfreund.“ erklang die Stimme von einem der Polizisten. Rudger nickte und stolperte den Abhang hinauf. Oben stand Beek und rauchte eine Zigarette. „Wo war er?“ fragte er und schaute den Polizisten hinter Rudger an. „Er war am Wasser und streichelte eine Ente.“ antwortete dieser. Beek hätte beinahe die Zigarette fallen lassen, dann lachte er leise. „Guter Witz. Kommen sie Rudger.“ sagte Beek und ging den Weg entlang. „Aber...“ setzte der Beamte an, doch Beek ignorierte ihn. Rudger klopfte dem Polizisten auf die Schulter und schloss zu Beek auf. Hinter sich hörte er wieder die Enten quaken. Es dämmerte langsam am Himmel und die Gruppe von sieben Mann verschwand wieder im Wald. Ruhig und still lag der Waldsee im Lauersforter Wald. Die Sonne brach sich auf ihm und hier und da brachte eine Windböe das Wasser in Bewegung. Und immer wieder war das quaken der Enten zu hören...

* Zwei Wochen früher *

Dunkelheit umgab Arquette, Gabrecht, Denise, Corinna und Walter. Eine Taschenlampe versuchte verzweifelt gegen die Dunkelheit anzukämpfen. Ihr Lichtstrahl reichte nur wenige Meter, danach wurde er von der Dunkelheit verschluckt. Einige Meter von der Gruppe entfernt quakten einige Enten. Glühwürmer flogen hier und da im Wald. Denise hielt sich direkt neben Walter. „Ganz schön unheimlich hier.“ sagte sie. „Finde ich auch“ gab Corinna von sich. Sie lief neben Gabrecht, der die Taschenlampe hielt. Walter berührte Denise sachte am Arm. „Zum umkehren ist es ein bisschen zu spät.“ sagte er. Gabrecht blieb stehen und leuchtete Walter direkt ins Gesicht. „Könnten sie alle die Schnauze halten! Es reicht schon das wir den ganzen Weg laufen müssen. Da brauche ich mir ihr dummes Gelaber nicht auch noch anhören.“ zischte er und ging dann weiter. „Warum sind wir nicht mit dem Wagen gefahren?“ fragte Corinna und schaute Arquette an. „Unsere Gräfin hat mich vorhin angerufen und ausdrücklich verlangt, dass wir laufen sollen. Um die Ruhe nicht zu stören.“ antwortete er und schüttelte bei dem Gedanken, was man hier stören wollte, den Kopf. Etwas platschte im Wasser und Denise blieb unvermittelt stehen. Walter der ihren Arm hielt ebenfalls. Die anderen gingen weiter. „Fehlt ihnen etwas?“ fragte er leise. Denise schaute sich ängstlich um. „Ich habe gerade etwas im Wasser gehört.“ antwortete sie und schaute in Richtung See. Walter lauschte und hörte wieder eine Ente quaken. „Das waren nur die Enten.“ sagte er. Es platschte wieder. Denise zuckte bei dem Geräusch zusammen. „Da! Schon wieder.“ flüsterte sie und Angst schwang in ihrer Stimme mit. Walter schüttelte den Kopf. „Ich habe nichts gehört. Lassen sie uns zu den anderen gehen.“ sagte er und wollte losgehen. In schneller Reihenfolge platschte es zweimal im Wasser. Denise hielt Walter wieder zurück. „Hören sie das denn nicht?“ fragte sie und wies in Richtung Wasser. Walter schüttelte den Kopf. „Nein. Aber um sie zu beruhigen schaue ich mir das mal an, okay?“ fragte er. Denise nickte. Er holte einmal tief Luft und ging in Richtung Ufer. „Was machen sie da?“ fragte Denise die Walter nun nicht mehr sehen konnte. „Was wohl? Um nach zu schauen, muss ich ans Wasser ran. Sie warten hier.“ Hörte sie die Antwort aus der Dunkelheit. „O... Okay.“ kam brüchig die Antwort. Sie schaue sich um. Den Lichtstrahl der Taschenlampe konnte sie nirgends entdecken. Sie schaute wieder auf die Stelle wo Walter im Dunkeln verschwunden war. „Walter?“ fragte sie ins Dunkel. Keine Antwort. Sie zuckte zusammen als sie ein weiteres lautes platschen vernahm. „Hallo?“ fragte sie, erhielt aber keine Antwort. Ohne es zu merken begann sie zu zittern. Eine Hand legte sich sanft auf ihre Schulter und sie fuhr erschrocken herum. Hinter ihr stehen Arquette und die anderen. „Entschuldigung wenn wir sie erschreckt haben. Wo ist Walter?“ sagte Arquette. Denise schaute wieder zum See. „ Ich habe etwas im Wasser gehört. Er ist nachschauen gegangen.“ antwortete Denise. Arquette schaute zu Gabrecht. Dieser zuckte nur mit den Schultern. „Wie lange ist das jetzt her?“ fragte Gabrecht und leuchtete mit der Taschenlampe zum See. Denise runzelte die Stirn. „So drei Minuten.“ antwortete sie. Gabrecht nickte. „Dann kann er nicht weit sein. Arquette? Sie bleiben bei den Frauen. Ich schaue nach wo er steckt.“ sagte er dann und ging in Richtung Ufer. Nach ein paar Schritten sahen die anderen nur noch den Schein der Taschenlampe.

Rudger saß auf seiner Couch im Wohnzimmer und rauchte eine Zigarette. Mehrmals schaute er, auf die an der Wand hängende, Uhr. Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und zündete sich sofort eine neue an. Nach ein paar Zügen griff er zum Handy. Schnell tippte er die Nummer ein und wartete darauf das jemand abnahm. „Ja.“ erklang Glorias Stimme am anderen Ende. „Gloria? Rudger hier. Sind die schon bei dir?” fragte er schnell und schaute wieder auf die Uhr. „Nein. Ich verstehe nicht warum die solange brauchen. Mit dem Auto sind es nur zwanzig Minuten bis zum Schloss.“ antwortete Gloria. Rudger hörte wie sie die Luft ausstieß. Gloria rauchte ebenfalls eine Zigarette. „Wie lange verspäten die sich schon?“ fragte er und überlegte wo die Gruppe solange stecken könnte. „So etwa eine Stunde. Warum willst du das eigentlich wissen?“ fragte Gloria leicht verwirrt. „Nur so.“ antwortete Rudger und zog an seiner Zigarette. „Ich warte noch 15 Minuten, dann gehe ich denen entgegen. Vielleicht haben die ja eine Panne.“ sagte Gloria. Rudger schüttelte den Kopf. „Du bleibst zu Hause. Ich kümmere mich darum.“ gab er scharf von sich. „Aber..:“ setzte sie an, doch Rudger unterbrach sie. „Keine Wiederrede! Du bleibst mit deinem Arsch zu Hause. Hast du gehört?“ sagte er laut in sein Handy. Kurzes Schweigen am anderen Telefon. „Ja“ kam es in einem gepressten Tonfall zurück. Gloria mochte es nicht wenn man ihr Vorschriften machte. „Gut. Bis dann.“ sagte Rudger und legte auf. Er überlegte einen kurzen Moment und wählte dann eine andere Nummer...

- Ende von Teil 4 -

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.09.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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