Michael Speier

Der Kühlschrank

Sonja öffnete die Augen. Blut. Das war alles was Sonja sehen konnte. Sie lag da, auf diesem Steinblock, vollkommen nackt. Sie war gefesselt, soviel stand fest. Gefesselt an diesen verdammten, eiskalten Steinblock. Über ihr erstreckte sich eine Felsdecke. Der Steinblock auf dem sie lag befand sich in einer Höhle, die nur durch das Licht von irgendwelchen Fackeln erleuchtet wurde. Sie mußte groß sein, sehr groß. Ihr Kopf war zwischen Zwei robusten Steinen eingekeilt, so daß sie nur nach oben sehen konnte. Und an der Decke, knapp 10 Meter über ihr, war dieses Blut. Es tropfte auf sie herunter. Immer wieder. Ihr Gesicht war schon ganz feucht. Und wieder sammelte sich die zähe Flüssigkeit an der Felsdecke. Wieder lief sie zu einem dicken Tropfen zusammen und wie in Zeitlupe näherte sich der Blutstropfen Sonjas Gesicht. Dann berührte er Sonjas Stirn, und sie stieß einen Schrei aus, riß die Hände schützend vors Gesicht und richtete sich auf. Sie hatte geträumt, wieder einmal. Sie fühlte über ihre Stirn die tatsächlich naß war, doch es war Schweiß, und kein Blut. Innerlich erleichtert stieg sie aus dem Bett und ging in die Küche um sich eine Tasse Milch aus dem Kühlschrank zu genehmigen. Auf dem Weg kam sie am Kinderzimmer vorbei in dem ihr 2 jähriger Sohn schlief. Sie erzog ihn alleine, denn ihr Mann Roy hatte sie kurz nach der Geburt verlassen. Sie öffnete leise die Türe und spickte hinein. Sie hatte Angst das ihr Schrei das Baby geweckt haben könnte. Doch ihre Angst war unbegründet. Er lag noch immer da in seinem kleinen Kinderbett mit der hellblauen Bettwäsche. Sie verspürte eine tiefe Befriedigung wenn sie ihn ansah. Leise und bedächtig schloß sie wieder die Türe um den Weg in die Küche fortzusetzen. Ihre nackten Füße klatschten leise auf den gekachelten Küchenboden. Irgendetwas war anders. Der Tisch in der Mitte der Küche mit seinen Vier Stühlen und der Schale mit den Äpfeln darauf, die Spüle mit dem Geschirr der letzten Zwei Tage, das sie schon am Vortag hatte wegspülen wollen, der Schrank mit dem guten Geschirr, die weiße Mikrowelle die sie als Sonderangebot beim Otto Versand bestellt hatte und natürlich der große Amerikanische Kühlschrank in tiefem Blau, Sonjas ganzer Stolz, alles war auf seinem Platz und sah unverändert aus. Und doch stimmte etwas nicht. Die Jalousie war halb heruntergelassen und ein wolkenverhangener Halbmond warf sein fahles Licht auf den Küchenboden. Sie knipste das Licht an um besser sehen zu können. Die Leuchtstoffröhre flutete den Raum augenblicklich in ein kaltes, weißes Licht. Immer noch schien ihr irgendetwas befremdlich, und doch konnte sie nicht erkennen was. Sie ging zum Kühlschrank und blieb einen kurzen Augenblick davor stehen. Hatte sie da irgendetwas gehört? Was da ein leises, kaum wahrnehmbares scharren? Es klang als würden sehr scharfe Krallen über eine glatt polierte Oberfläche kratzen. Sonja blickte sich um. Sie bückte sich, um unter den Tisch blicken zu können, doch da war nichts. Absolut gar nichts. Sie schüttelte den Kopf, wütend darüber sich zum Clown vor sich selbst zu machen, da sie einem Geräusch hinterherspürte das überhaupt nicht da war. Sie führte es auf seinen schlechten Schlaf und ihren Alptraum zurück und wand sich wieder dem Kühlschrank zu. Sie nahm eine Tasse aus dem Schrank und öffnete den Kühlschrank um sich eine Milch zu nehmen. Als sie den Kühlschrank halb offen hatte gab es einen lauten Knall, und die Leuchtstoffröhre zerplatzte in Tausend Teile. Doch es war nicht dunkel. Aus dem Kühlschrank strahlte ein grelles, grünes Licht, so unvorstellbar hell daß Sonja die Augen zusammenkneifen mußte. Sie hatte das Gefühl zu erblinden und schmiss die Kühlschranktür wieder zu während sie einige Schritte zurückwich. Das Scharren wurde leiser. Dann verschwand es völlig. Sonja konnte ihr Herz bis zum Hals schlagen hören. Schweiß rann ihr über das zierliche Gesicht. Sie sah sich den Kühlschrank an. Er stand da, ruhig und völlig normal. Nicht die geringste Abnormalität war festzustellen. Sie ging einen Schritt näher an den riesigen Apparat heran. In diesem Moment gab es einen Knall, alle Schränke zerbarsten, der Tisch und sämtliche Stühle wurden wie von Geisterhand durch die Luft geworfen und die Kühlschranktür explodierte. Sonja war viel zu erschrocken um den Blick abzuwenden. Sie sah direkt in den Kühlschrank hinein. Im Innern des Kühlschrankes erstreckte sich ein weites Feld, als wäre eine Türe aufgestoßen worden, eine Art Tor in eine andere Welt. Eine Welt, so abstrakt, so merkwürdig, das ihr Verstand nicht in der Lage war das gesehene zu verarbeiten. Die Architektur der Dinge die sie sah wirkte so unmöglich, das es absolut nicht möglich war zu existieren. Sie sah Felsen, ein Gebirge, doch der Gipfel der Berge schien gleichzeitig auch der Fuß zu sein. Und eingebettet in diese unmögliche Felsformation stand auf einer Empore eine Art Gebäude, doch es schien keinen Anfang und kein Ende zu haben. Die Wände die das Gebäude umgaben schienen aus einer nicht greifbaren Substanz zu bestehen. Und dann dieses grüne, grelle, stechende Licht. Die ganze Luft schien zu flimmern. Grün zu flimmern. Sonja wollte ihren Blick abwenden, doch es war ihr unmöglich das Gebäude (oder was immer es sein mochte) aus den Augen zu lassen. Sie betrachtete das Gebäude, und je länger sie es anstarrte, desto mehr begann ihr Kopf zu schmerzen. Alleine der Wille das Gesehene zu verarbeiten, der Versuch eine physikalische Erklärung zu finden warum dieses seltsame Gebäude nicht in sich zusammenfiel brachte sie fast an die Grenzen ihres Verstandes. Sonja begann wahnsinnig zu werden, je länger sie in den Schrank hinein starrte. Und dann war da dieser Schrei. Es war vielmehr ein Ruf, als ein Schrei. Ein Ruf, der durch Mark und Bein ging. Obwohl sie genau wußte das sie den Ruf nicht wirklich hörte, konnte sie ihn ganz genau wahrnehmen. Es war nur ein einziges Wort. Es entstand in ihrem Geist, sie konnte es genau verstehen, obwohl es nicht zu hören war. Das Wort, das sie hörte war Cthulhu. Es war das letzte was sie hörte, denn in diesem Moment fiel sie in eine dunkle, befreiende Ohnmacht.



Sonja öffnete die Augen. Blut. Das war alles was Sonja sehen konnte. Sie lag da, auf diesem Steinblock, vollkommen nackt. Sie war gefesselt, soviel stand fest. Gefesselt an diesen verdammten, eiskalten Steinblock. Über ihr erstreckte sich eine Felsdecke. Der Steinblock auf dem sie lag befand sich in einer Höhle, die nur durch das Licht von irgendwelchen Fackeln erleuchtet wurde. Sie mußte groß sein, sehr groß. Ihr Kopf war zwischen Zwei robusten Steinen eingekeilt, so daß sie nur nach oben sehen konnte. Und an der Decke, knapp 10 Meter über ihr, war dieses Blut. Es tropfte auf sie herunter. Immer wieder. Ihr Gesicht war schon ganz feucht. Und wieder sammelte sich die zähe Flüssigkeit an der Felsdecke. Wieder lief sie zu einem dicken Tropfen zusammen und wie in Zeitlupe näherte sich der Blutstropfen Sonjas Gesicht. Dann berührte er Sonjas Stirn, und sie stieß einen Schrei aus, wollte die Hände schützend vor ihr Gesicht reißen, doch die Fesseln hinderten sie daran. Sie hoffte das sie bald aufwachte, aus diesem furchtbaren Alptraum befreit würde, doch es war kein Alptraum. Dieses Mal nicht. Es war echt. Sie lag tatsächlich hier. Nackt. Gefesselt. Doch sie war nicht alleine. Um sie herum standen ungefähr ein duzend Personen, allesamt in schwarze Kapuzenmäntel gehüllt. Und sie sprachen, oder besser sie sangen, dieses eine Wort, das Sonja nicht mehr aus dem Kopf ging. Cthulhu, Cthulhu, Cthulhu, Cthulhu, Cthulhu, Cthulhu, Cthulhu, Cthulhu. Dann löste sich eine der Personen aus dem Kreis und kam auf Sonja zu. Sie konnte ihn nicht richtig sehen, aber sie hörte wie sich seine Schritte näherten. Hätte sie ihn sehen können, währe sie vermutlich noch sehr viel beunruhigter gewesen als sie ohnehin schon war. In der rechten Hand der Person blitzte ein langes Messer mit geschwungener Klinge auf. Die Klinge ging in einem Halbkreis nach links, und machte dann wieder einen Schlenker nach rechts. Das kalte Metall hatte alles in allem eine Länge von etwa 20 Zentimetern. Er blieb vor Sonja stehen, betrachtete sie einen kurzen Moment, und nahm dann die Kapuze ab. Kalte, ausdruckslose Augen sahen sie an. Dann vernahm sie die Stimme der Person. Sie klang wie Eis.

“Cthulhu, größter aller Götter, der du gefangen bist in deiner Festung zwischen den Welten, nimm dieses, unser dreiundsechzigstes Opfer an“

In diesem Moment hob die Person die beidseitig geschliffene Klinge über seinen Kopf. Die anderen Personen die noch immer im dunklen standen verfielen in eine Art Gesang. Und wieder war da nur dieses eine Wort.

Cthulhu, Cthulhu, Cthulhu, Cthulhu, Cthulhu, Cthulhu, Cthulhu, Cthulhu.

Sonja wollte die Augen schließen, doch es war ihr nicht möglich. Sie war wie gebannt. Der Mann stieß mit dem Messer zu, für sie lief diese Bewegung wie in Zeitlupe ab. Die Klinge durchstieß ihre Haut und bohrte sich in ihr Herz. Sie spürte nichts. Absolut gar nichts. Das Blut lief ihr Warm über den Brustkorb. Sie hörte wie die Männer um sie herum hysterisch lachten. Sie schloß die Augen, dann kam der Schmerz. Doch nicht lange. Denn dann wurde ihr kalt. Furchtbar kalt. Und dann verschwamm ihr Blick. Sie hörte auf zu Atmen. Es war vorbei. Cthulhu hatte wieder einmal ein Menschenopfer bekommen. Nicht mehr lange, und er hatte genug um die Grenze zwischen den Dimensionen wieder zu öffnen. Und dann kann uns nichts mehr retten... Möge Gott uns beistehen ....



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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.09.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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