Michael Speier

Maleficium - Opfer der Inquisition

Teil 1
Der Schmerz beginnt


Der Inquisitor betrat den Raum. William war auf einen Stuhl gefesselt worden, ohne zu wissen warum. Ein großer, muskelbepackter Mann mit einer schwarzen Lederkluft hatte seinen Kopf kahlgeschoren und ihm die Folterwerkzeuge erklärt. Zwei weitere, nicht ganz so große, aber mindestens genau so kräftige Männer standen hinter Williams Stuhl. Selbst wenn er zu einer Bewegung fähig gewesen wäre, hätten die beiden ihn daran gehindert.
“Im Angesicht Gottes müßt ihr die Wahrheit sprechen. Wisset, dies hier ist ein offizielles Verhör.“
“Was habe ich getan? Ich verstehe das nicht. Ich bin unschuldig.“
Er war kaum in der Lage zu sprechen.
“Nun, wie ich sehe leugnet ihr eure Verbrechen. Also, laßt uns die Wahrheit ans Licht bringen.“
Er wandte sich zu der Person in schwarz und nickte ihm zu, worauf er in den hinteren Teil des Raumes ging. Obwohl er so groß und kräftig war bewegte er sich mit katzengleicher Grazie
“Herr, sagt mir was hier vor sich geht. Was macht ihr mit mir? Wo bin ich?“
“Wo ihr seid? Nun, sagen wir einfach ihr befindet euch im Keller des Schmerzes.“ Der Inquisitor lachte. Ein kaltes Lachen, das vollkommen ohne Gefühl und Mittleid zu sein schien. Im gleichen Moment kam der andere Mann aus der Hinteren Ecke zurück. Er hatte ein eisernes Gerät gepackt. Es schien schwer zu sein, doch er trug es als wöge es überhaupt nichts. Als er nahe genug herangekommen war erkannte William was der Mann trug. Es waren Spanische Stiefel. Ein furchtbares Folterinstrument, das alleine durch seinen Anblick so manchen schwachen Mann zum reden gebracht hätte.
“Also gut, laßt uns mit der Befragung beginnen.“
Der Muskelmann kniete sich vor William auf den Boden. Er öffnete das furchtbare Marterwerkzeug und legte es William an. Er konnte nur zusehen wie der Schwarze die Metallmanschetten um seine Waden legte und sie langsam verschraubte. Er spürte schon die kalten, gezackten Schrauben, die sich langsam in sein Fleisch bohrten. William biss die Zähne zusammen, um nicht vor Schmerzen loszuschreien. Der Folterknecht ließ von ihm ab, und der Inquisitor neigte sein Haupt.
“Nun, wollt ihr irgendetwas sagen?“
“Ich bin der Oberste Richter dieser Stadt. Gott ist mein Zeuge, ich weiß nicht was ihr von mir wollt..“ Die Worte kamen zögernd und William mußte sich jedes Wort heraus quälen. Ferner mußte er auf die Wahl seiner Worte achten. Er wußte nur zu genau wie die Inquisition arbeitete. Hatte er selbst doch schon so manchem Verhör beigewohnt.

“Blasphemie!“ schrie ihn der Inquisitor an. “Ihr wagt es den Namen Gottes in diesem Zusammenhang auszusprechen. Der Leibhaftige sollte euer Zeuge sein, immerhin ist er es, dem eure Gebete gelten.“

Der Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen, die er so fest zusammenpresste das er helle Punkte auf der Innenseite seiner Augenlieder tanzen sah. Der Knechte hatte die Schrauben eine halbe Drehung weiter in seine Beine geschraubt, und es schien ihm Spaß zu machen.

“Ihr seid Verrückt“, schrie William den Inquisitor an. Die Angst weckte die Kräfte in ihm. “Dies ist ein großer Irrtum. Wer hat euch diese Lügen aufgetischt?“

Der Inquisitor erhob sich und ging ein wenig in dem Raum auf und ab.

“Seht euch um. Lockert das was ihr hier seht nicht eure Zunge?“

William erblickte all die Folterwerkzeuge, die mahnend an der Wand hingen. Er schüttelte langsam und bedächtig den Kopf.

“Nein, Ketten und Hacken machen mir keine Angst. Gott ist auf meiner Seite, ich bin unschuldig.“

“Wie ich sehe habt ihr eine recht sarkastische Zunge. Wenn ihr euch weigert zu sprechen könnte ich mich entschließen sie entfernen zu lassen.“

“Ich weiß nicht was ihr von mir wollt, aber ich bin unschuldig, und deshalb ängstigt ihr mich nicht.“

“Nun, wir werden sehen.“ ...




Teil 2
Opfer der Inquisition


Oh, Meine Geliebte Anne, ich schreibe diese Zeilen mit meinem Eigenen Blut, welches ich aus meinen geschundenen Fingern entnehmen konnte. Man hat mich in eine Zelle gesperrt, Gottes Hölle könnte kaum schlimmer sein. Hier sitze ich und warte auf weitere Torturen, und auf meinen sicheren Tod. Durch die nassen Steinwände höre ich die Geräusche ihrer furchtbaren Folterwerkzeuge und die Todesschreie all derer die es hinter sich haben. Oh, meine liebe Anne, ich versichere dir bei allem was mir heilig ist das ich unschuldig bin. Aber ich werde keine weiteren Qualen mehr erdulden können. Ich werde ihnen sagen, was sie von mir hören wollen, um endlich von diesen Qualen erlöst zu werden. Sie haben mir meine Kniescheiben zertrümmert, danach haben sie mir meine Finger und Zehen gebrochen, bevor sie damit anfingen mir die Nägel auszureißen. Ich frage dich, Anne, wer ist hier vom Teufel beseelt? Ich hoffe wenigstens du hast ruhige Nächte, und tausend Küsse sende ich dir in diesem, meinem letzten Brief. Ich werde sterben, werde hingerichtet, unschuldig, als Opfer der Inquisition. Bitte, Anne, flieh aus der Stadt bevor es zu spät ist. Du bist hier nicht mehr sicher. Ich hoffe dieser Brief erreicht dich noch rechtzeitig. Ich liebe dich, mehr als alles andere auf der Welt. Gott, der Herr weiß ich bin unschuldig.

Dein Dich liebender William






Teil 3
Wahnsinn


Folgende Zeilen fand man an der Wand des Kerkers in den man William nach seinem Geständnis gefangen hielt.

Der Verrückte Mann in meinem Schädel ist mit toten Augen aufgewacht. Er erweckt in mir den Wunsch tot zu sein, aber in Wahrheit wünschte ich mir er wäre tot. Er ergreift immer mehr und mehr von mir Besitz. Ich höre ihn Schreien, immerzu schreien. Ich sehe durch ihn, durch seine Augen. Ich sehe die Welt in einer absurden Art, ein Zerrbild der Realität. Ich merke wie ich dem Wahnsinn verfalle, immer mehr und mehr. Ich falle in eine immerwährende Dunkelheit. Eine Dunkelheit in der der Wahnsinn regiert. Ich spüre das es für mich zu spät ist. Ich befürchte ich bin schon Geisteskrank. Mein Körper zuckt, und ich kann ihn nicht mehr daran hindern. Gott, wenn es dich wirklich noch gibt, dann hilf mir, bitte, hol mich hier heraus. Ich flehe dich an. Hol mich hier raus.

Es ist ein weiterer Tag vergangen und noch immer sitze ich hier in diesem Loch. Niemand hilft mir, niemand fragt nach mir. Gott, ich lache dich aus. Ich sitze hier, geschunden und in Ketten gelegt, in meinen eigenen Ausscheidungen. Um das zu erleben habe ich all die Qualen und Torturen überlebt. Gott hat mich überleben lassen, um hier in dieser Zelle zu sitzen, deren Decke zu niedrig ist um sich aufrecht stellen zu können. Doch Satan lache ich auch aus, denn der wahre Satan ist die Inquisition. Die Wahre Hölle ist der Folterkeller. Sie nehmen einem das Leben, um eine falsch Wahrheit herauszufinden, um das zu hören was sie hören wollen, Wahr oder nicht. Doch warum das alles, warum? Ich habe ihnen alles gesagt was sie von mir hören wollen, und nun werde ich hingerichtet. Der Verdiente Tod auf dem Schafott. Verdient! Ich werde verbrannt. Morgen. Übermorgen. Wer weiß. Vielleicht wird irgendwann einmal jemand diese Zeilen lesen, doch wenn die Inquisition noch immer an der Macht ist, dann werden sie niemanden interessieren.

Leb wohl, Welt. Hoffentlich ist es bald vorüber.



Teil 4
Letztes Lebewohl


Zwei Wochen waren ins Land gegangen, als die Hinrichtung für William angesetzt wurde. Auf dem Marktplatz der Stadt wurde ein Scheiterhaufen errichtet und die ganze Stadt schien darauf zu warten den Mann brennen zu sehen, der selbst so viele Todesurteile ausgesprochen hatte. Er wurde an einem Kreuz festgebunden, welches man zentral im Scheiterhaufen errichtet hatte. Sein Kopf hing herab, doch obwohl es aussah als sei er bereits tot, war noch ein Letzter Funke Leben in ihm. Der Henker selbst hatte sich mittels seiner Fäuste davon überzeugt, nachdem er William festgebunden hatte. In der ersten Reihe Menschen die sich um den Scheiterhaufen versammelt hatten stand ein kleines Mädchen in einem roten Kleid. Sie hielt die Hand ihrer Mutter, die mit Tränen in den Augen auf den gefesselten blickte, der Gleich ein Opfer der Flammen werden sollte. Sie hatte den Rat ihres Vaters nicht befolgt, die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen. Doch der Mann, der dort auf dem Scheiterhaufen stand konnte nicht ihr Vater sein. Ihr Vater war ein mächtiger Mann, und dieser Mann dort schien nur noch ein Abbild eines Menschen zu sein. Er trug die Kleidung in der sie ihren Vater an jenem Abend vor knapp einem Monat aus ihrem Haus gezerrt hatten, doch sie war schmutzig, getränkt vom Blut und den Exkrementen eben jenes Mannes der in ihnen steckte. Eine Träne rann ihr über das Gesicht, als der Henker die Fackel nahm, und den Scheiterhaufen ringsherum in Brand steckte. Einige Menschen sprachen leise Gebete, und einige alte Frauen schrien Flüche. Als das Feuer die Beine des Mannes erreicht hatten, der einmal ihr Vater gewesen sein mochte, hob dieser den Kopf und sah ihr direkt in die Augen. Doch es war nicht der Blick ihres Vaters, den Anne da sah. Es war der leere Blick eines Wahnsinnigen. Als die Flammen seinen ganzen Körper überdeckt hatten begann er leise zu kichern. Sein Kichern ging mehr und mehr in ein Lachen über, je mehr die Flammen an ihm zerrten. Und mit einem hysterischen Lachen starb der Mann, der einmal ihr Vater gewesen sein mochte. Leise schluchzend wand sie ihren Blick ab, und sprach ein Lautloses Lebewohl. Warum man ihn verhaftete, quälte, einsperrt und verbrannte, das wußte niemand......


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.09.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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