Yvonne Gebauer

Mitternacht

Mitternacht

„Du weist ich brauche dich!
Von deinem Blut ernähr ich mich!
Du bist die Jungfrau und ich dein Vampyr!“

War ich komisch? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Aber welches normale 17-jährige Mädchen ist lieber auf dem Friedhof als bei ihren Freundinnen? ICH! Was sollte ich denn bei den anderen? Richtige Freunde hatte ich eh nicht, und verstehen konnten sie mich auch nicht!
Ist man automatisch ein Gruftie wenn man schwarze Haare hat und schwarze Klamotten trägt? Für meine Klasse ein klarer Fall – Natürlich! Warum sollte ich meine Zeit bei so Idioten verbringen? Keine Ahnung – und ich tat es auch nicht ...

Es war ungefähr kurz nach 23 Uhr. Ich lag in meinem Bett, doch schlafen konnte ich deswegen trotzdem nicht! Ich war alleine im Haus, meine Eltern waren übers Wochenende nach Hamburg gefahren. Ich konnte- und vielleicht auch wollte – nicht schlafen.
Meine Seele sagte mir genau- ich musste zu meinem Lieblingsplatz.
Dieser war eine Bank unter einem Kirschbaum, aber auf dem Friedhof!
Andere würden um diese Uhrzeit nicht mal für Geld einen Fuß vor die Tür setzen, doch ich liebte die Dunkelheit und hatte keine Angst vor ihr!
Es war Sommer, also zog ich mich luftig an. Nach 10 Minuten befand ich mich auf dem Weg in Richtung Friedhof. Wäre mir jetzt jemand begegnet, dieser jemand hätte mich mal wieder für verrückt erklärt!
Aber das war mir in diesem Moment echt egal, ich wollte nur noch meine Ruhe haben und zu meinem Lieblingsplatz!

Als ich am Friedhofstor ankam umspielte mich ein sanfter kühler Wind- ziemlich unheimlich ... Bevor ich über das Tor kletterte, sah ich hoch zum Himmel- es war Vollmond, und irgendwo in der Nähe hörte ich eine Eule kreischen. Was für eine tolle Atmosphäre.
Ich holte Schwung und schmiss mich übers Tor. Leise landete ich auf der anderen Seite, rappelte mich auf und stiefelte geradewegs zu meiner Bank.
Der Vollmond warf sein gleißendes Licht durch die Bäume und warf bedrohliche Schatten auf die Gräber.
Das war meine Welt, das war meine Zeit! Langsam ließ ich mich auf die Bank sinken, zog meine Beine an und legte mein Kinn auf meine Knie.
Ich schloss die Augen und genoss diese Stille.
Ein lautes Knacksen hallte durch die Nacht und ließ mich erschrocken hochfahren.
Irgendwo in der Ferne hörte ich die Turmuhr schlagen- 12x.
Ich schaute mich geschockt um- was war das? Bildete ich mir das nur ein oder hörte ich direkt hinter mir Schritte? Ich war unfähig mich zu bewegen und plötzlich bereute ich es hierher gekommen zu sein. Hinter mir war jemand, ich konnte kalte Blicke auf meinem Rücken spüren.
Ein Rascheln, ein Hauch- und plötzlich war es still! Ich warf einen vorsichtigen Blick hinter mich- nichts, nicht mal ein Vogel!
Ich drehte mich wieder um- und stieß einen spitzen Schrei aus! Neben mir saß ein Mann- ich musterte ihn genauer, wobei ich am ganzen Körper zitterte wie Espenlaub!
Er hatte schulterlange schwarze Haare, die er mit einem roten Stirnband zurückhielt. In seine giftgrünen Augen spiegelte sich das Mondlicht wieder. Er war bleich und ziemlich mager, sein Alter hätte ich höchstens auf 20 Jahre geschätzt. Er sah gar nicht mal so übel aus, ehrlich gesagt sogar ziemlich hübsch ... Ich sah in seine Augen- auch er hatte mich gründlich gemustert! Nun sprach er und seine Stimme hörte sich an wie Musik in meinen Ohren: „So spät noch auf dem Friedhof? Hast du keine Angst die Toten bei ihrem Schlaf zu stören?“ Was sollte diese Frage denn? Sie hörte sich gar nicht gut an! Aber zum Glück war ich ja nicht die einzigste Person auf dem Friedhof!
Mutig antwortete ich: „Nein, wieso? Ich bin ja schließlich nicht die Einzige hier! Wer bist du überhaupt?“ Der Typ grinste mich spitzbübisch an. „Darf ich vorstellen? Mein Name ist Jello und dies ist meine Heimat!“ Er machte eine Geste in Richtung Friedhof. „Und darf ich erfahren wie die Schönheit neben mir heißt?“ Was war das denn für ein komischer Vogel? Seine Heimat- der Friedhof? Ich beschloss im Stillen auf sein Spiel einzugehen.
„Mein Name ist Lira und komischerweise ist das auch meine Heimat.“ Diesem Jello würde der Spaß schon noch vergehen.
Er schaute mich verwirrt an, als wüsste er nicht was er sagen sollte! „Aber warum habe ich dich vorher noch nie gesehen?“ Jello schien es echt ernst zu meinen, er machte jedenfalls nicht den Eindruck als ob er scherzen würde.
Jetzt war ich diejenige, die ihn verwirrt anschaute. „Wie meinst du das?“ fragte ich Jello verunsichert.
„Du bist eine von uns wenn du hier lebst! Also, warum weis ich als Anführer nicht, das wir ein neues Geschöpf der Dunkelheit hier haben?“ Jello sah langsam ziemlich wütend aus.

Mich packte die Angst, ich wollte nur noch weg von hier! Ich sah Jello in die Augen- sie waren immer noch giftgrün, doch trotz des Mondlichtes wirkten sie jetzt kalt, ja fast tot!
Tot? Was wäre wenn Jello ...? Ach Quatsch, der Gedanke alleine war schon albern!
Jello musterte mich nun eingehend, fast so als wollte er herausfinden, ob ich „eine von ihnen“ war. So panische Angst hatte ich noch nie, doch wovor eigentlich? Ich glaubte doch nicht wirklich daran das Jello ein VAMPIR war, oder? Ich war mir da gar nicht mehr so sicher ...

Ein Schrei durchbrach in diesem Moment der Stille unserer Zweisamkeit. Jello fuhr herum, schaute in die Richtung, aus die der Schrei gekommen war, drehte sich wieder zu mir und lächelte mich charmant an. „Weist du endlich um was es hier geht?“
Ich hatte gerade gedacht, dass meine Theorie eh nicht stimmen könnte, und jetzt fühlte ich mich als hätte mir jemand in den Bauch geboxt.
Wie kam ich hier nur heil wieder raus? Ich saß auf dem Friedhof, es war mitten in der Nacht und neben mir saß ein Vampir! Hörte sich alles wie eine Horrorgeschichte an, nur das sie echt war! Ich hatte das Gefühl als ob mich Jellos Augen wie ein Pfeil durchbohren würden.
Ich fühlte mich wie eine Maus in der Falle. Ich musste hier weg, ich musste einfach!
Ich wollte jetzt noch nicht sterben, ich war doch erst 16 Jahre alt- und meine Familie und meine Freunde würden mich vermissen! Was??? Keiner würde mich vermissen- ich hatte keine Freunde und meine Familie hielt mich für eine Verrückte, weil ich nicht in ihr friedliches Weltbild passte! Eigentlich ... NEIN! Ich konnte das nicht ... Aber ich liebte doch die Dunkelheit und die Nacht. Ein harter Kampf mit mir selbst? Ja- aber selbst wenn ich mich entscheiden würde ein Kind der Dunkelheit zu werden, würde Jello das überhaupt wollen?

Ich drehte mich in seine Richtung, schaute ihm tief in die Augen- die mich magisch anzogen- und versuchte irgendetwas zu erkennen. „Du denkst darüber nach, dich zu uns zu gesellen, aber du hast Angst davor das ich das vielleicht nicht dulden würde... Stimmt das?“
Ich sah Jello bewundert an. „Ja ... woher weist du das?“ fragte ich vorsichtig.
„Eine Gabe von uns- wir können Gedanken lesen.“
Die Sache wurde langsam echt schön ... Meine Seele wollte unbedingt ein Vampir werden, doch würde ich sie hinterher noch besitzen?
Jello rutschte näher zu mir und nahm mich vorsichtig in seine erstaunlich starken Arme... Mein Herz pochte wie verrückt! „Jello ... Bitte noch nicht!“ flüsterte ich ihm zu. „Keine Angst, meine Schönheit, ich werde dich mir erst schenken, wenn du dazu bereit bist! Bis dahin ...“ er unterbrach, drehte meinen Kopf in seine Richtung und gab mir einen leidenschaftlichen Kuss, wie ich ihn noch nie erlebt hatte!

Zu dieser Geschichte gibt es eine Weiterführung sie heißt "Am nächsten Morgen"Yvonne Gebauer, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.09.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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