Yvonne Gebauer

Am nächsten Morgen

Am nächsten Morgen wachte ich schweißgebadete in meinem Bett auf- wie war ich hierher gekommen? War ich gestern Nacht nicht auf dem Friedhof gewesen und hatte dort meinen Herren der Dunkelheit getroffen? Langsam setzte ich mich auf- ich war noch komplett angezogen! Ich merkte, das es von irgendwoher zog, ich fror leicht obwohl es ein warmer Wind war. Ich drehte mich in Richtung meiner Fenster- eines stand weit offen und der Rollladen war hochgezogen worden- ich hatte doch gestern Nacht kein Fenster aufgemacht!
Ich stand auf und wollte es zumachen- da stutzte ich plötzlich!
Auf meinem Schreibtisch lag ein kleiner gelber Zettel mit 2 kleinen Löchern an der Ecke und verziert mit kleinen Blutspritzern- Jello! Ich nahm den Zettel vorsichtig in die Hand und las die Nachricht: „Guten Morgen, meine Schönheit! Wenn du diese Nachricht werde ich schön längst in meinem Sarg liegen und schlafen! Du fragst dich wohl wie du nach Hause gekommen bist- ich habe dich heimgebracht und ins Bett gelegt, nachdem du in meinem Armen vor Müdigkeit eingeschlafen bist. Heute Nacht genau um 0.00 Uhr werde ich bei der Bank auf dich warten- wenn du kommst weis ich das ich dir was bedeute, kommst du nicht werde ich weiter ein einsamer Anführer bleiben! In Liebe Jello!

Ich musste schmunzeln. Es klang komisch, aber irgendwie hatte ich mich in dieses Kind der Dunkelheit verliebt. Er war so anmutig, schön und mysteriös. Genau mein Typ, aber in dieser Situation konnte ich nicht mit ihm zusammen sein. Doch ich wusste was ich zu tun hatte. Ich musste nicht mehr lange überlegen, ich hatte mich längst dafür entschieden ...

Die Nacht war hereingebrochen. Ein leichter Wind umspielte sanft die saftgrünen Bäume, die Kreuzchen kreischten ihre Lieder und der Mond bildete mit den Sternen ein schönes Himmelbild.
Ich saß auf meinem Bett und las ein Buch- natürlich ein guter Gruselroman!
Bald würde es soweit sein, bald würde auch ich ein Nachtmensch sein, doch diesmal ein richtiger- ein Vampir, oder besser gesagt eine Vampirin!
Ein anmutiges Geschöpf der Dunkelheit, schön und doch gefährlich wie ein Raubtier! Diese Vorstellung gefiel mir, sie passte zu mir!
Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhr- 23:30 Uhr! Ich sprang auf, rannte zu meinem Schrank. Ich wusste genau was ich anziehen wollte- mein langes schwarzes Samtkleid, meine Haare wollte ich hochstecken und meine Spange mit der schwarzen Rose reinstecken. Und die passende schwarze Schminke und der Lippenstift durften natürlich auch nicht fehlen! Ich wollte schließlich gut aussehen bei meinem Einzug ins Schattenreich.

Nach knapp 15 Minuten war ich fertig. Ich begutachtete mich in dem großen Spiegel, der bei meinen Eltern im Schlafzimmer hing. Ich sah umwerfend aus, genauso wie ich mir immer eine junge gutaussehende Vampirin vorgestellt hatte! Ich war bereit- bereit für den Kuss des Todes, bereit für die Dunkelheit und bereit für ihn, meinem Jello!
Ich machte mich auf den Weg, doch nicht bevor ich nochmals von allem Abschied genommen hatte.
Meine nackten Füße trugen mich selbstsicher zum Friedhof. Wie schon sooft stand ich vor dem Tor, doch dieses Mal war es anders. Was hinter diesem Tor lag würde bald meine Heimat sein... Langsam stieg ich über das Tor, sprang auf den Boden und merkte das nasse Gras unter meinen Füßen, es tat sehr gut. Wie würden sich so normale Sachen anfühlen wenn ich erst einmal tot war?
Die Turmuhr wehte zu mir herüber, sie schlug 12x. Mein Herz fing an zu pochen als ich meinen Weg zum Kirschbaum zurücksetzte. Und da stand er- schön und anmutig wie in der Nacht zuvor. Als er mich erblickte, umspielte ein sanftes Lächeln seine Lippen und zum ersten Mal sah ich seine gleißend weißen Zähne. Die Zähne eines Raubtieres, mit denen er seine Beute fängt! Ich lächelte ebenfalls- bald durfte ich bis in alle Ewigkeit mit meinem Prinzen zusammen sein! Nach wenigen Schritten stand ich neben ihm und er hauchte mir zärtlich ins Ohr: „Ich habe auf dich gewartet, meine Schönheit! Bist du bereit meine Braut zu werden, bis in alle Ewigkeit an meiner Seite zu sein?“ Mein Herz schlug inzwischen bis zum Hals, doch nicht aus Angst- sondern aus Freude! „Ja, Geliebter, ich bin bereit für immer dein zu sein! Aber versprich mir bitte das du gut auf mich aufpassen wirst!“ Diese Aussage meinte ich ernst- wie sollte ich mich denn durchschlagen wenn ich keine Ahnung hätte wie man überhaupt seine Beute fängt?
„Sei dir gewiss, meine Schönheit, ich werde immer für dich da sein- ich bin schließlich dein Mann und Meister!“ Und mit diesen Worten ging Jello ganz nah zu mir. Er gab mir zum letzten Mal in meinem sterblichen Leben einen Kuss, der fast unendlich lange dauerte, und dann- ohne Vorwarnung oder Vorzeichen- biss Jello mich in meinen makellosen Hals.
Ich merkte wie es knirschte als mein Hals 2 kleine Löcher für meinen geliebten Jello freigab.
Das Blut spritzte und Jello nuckelte an meinem Hals wie ein Baby an seiner Flasche.
Es tat gut- ich wusste das ich keinen Fehler gemacht hatte. Ich gab mich völlig hin, doch plötzlich hatte ich ein Gefühl in meinem Körper als wollte er explodieren. Ich verlor den Erdboden unter den Füßen und fiel um wie ein Brett. Doch ich fiel weich- in Jellos Arme!

Ich sah zu ihm auf- seine Augen spiegelten seine Gier auf junges Blut wider! Er hatte aufgehört von mir zu trinken und sah mir direkt in die Augen. Und mit einem Blick als könnte er es nicht mehr länger aushalten, biss er sich in seine Pulsschlagader und ich sah wie das Blut tropfte. „Hier, mein Liebling, trink davon ...“ Und mit diesen Worten hielt er mir seinen Arm hin. Mit einem Hunger, wie ich ihn noch nie verspürt hatte und mit einer Gier wie ein Raffzahn schnappte ich mir Jellos Arm und setzte meinen Mund auf die Stelle an der sein Blut tropfte. Ich begann zu saugen- ich schmeckte das warme süße Blut in meinem Mund und auf meinen Lippen. Es tat und schmeckte gut.
Ich saugte immer heftiger, das Blut durchströmte meine Adern als würde es in meinem Körper Achterbahn fahren. Ich wollte mehr!
In diesem Moment riss Jello mir seinen Arm weg und ließ mich fallen. Ich landete unsanft auf dem Boden und blieb liegen. Ich hatte das Gefühl als würde ich jeden Moment auseinanderbrechen. Da hörte ich Jellos Stimme: „Dein Körper stirbt jetzt. Versuche es gar nicht zu beachten!“
So ein grauenhaftes Gefühl hatte ich noch nie erlebt. Ich atmete wie nach einem 1000 Meter Lauf, unregelmäßig und stoßweise.
Und plötzlich war der Moment gekommen- ich hatte aufgehört zu atmen! Ich lag tot auf der Erde. Es dauerte nur wenige Sekunden bis mich eine leichte Brise, die sich sanft in meinem Körper ausbreitete, durchfuhr.
Langsam und bedacht öffnete ich meine Augen und schaute mich vorsichtig um. So etwas Wundervolles hatte ich noch nie erlebt- der Mond schien ein Gesicht zu haben, obwohl er doch gar keins besaß. Die Blumen auf der Wiese hatten einen intensiveren Rot Ton angenommen, und doch waren sie gleichgeblieben.
Und dann sah ich zu Jello- mein Geliebter, mein Erschaffer!
Er strahlte mich förmlich entgegen, streckte die Hand aus und zog mich hoch. Als ich auf meinen Beinen stand hatte ich für kurze Zeit das Gefühl das ich wieder rückwärts umfallen müsse. Doch Jello hielt mich fest in seinen starken Armen und machte den Anschein als wolle er mich nie wieder loslassen.

Ich kuschelte mich an ihn, sah ihm tief in die Augen und flüsterte: „Ich liebe dich, Jello! Und ich bin froh das du aus mir ein Kind der Dunkelheit gemacht hast, jetzt können wir für immer zusammen sein!“ Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen, seine Augen strahlten vor Glück.
Konnte ein Vampir sich überhaupt freuen? Konnte er an manchen Tagen auch traurig sein und sich sein altes Leben zurückwünschen?
Doch bei all diesem Nachdenken und Kuscheln konnte ich ein Gefühl nicht unterdrücken- meinen unheimlich großen Hunger! Zum ersten Mal Hunger nach frischem warmen Blut ...
Ich stellte mir vor wie es war einen gut aussehenden jungen Mann das Blut aus dem Hals zu saugen! Der Effekt- ich bekam noch mehr Hunger!
„Jello, ich habe Hunger!“ flüsterte ich mit einer Stimme, die mir fremd vorkam- sie klang bösartig, ja fast verlangend. „Ja, meine Schönheit, das ist normal in deinem Zustand! Lass uns auf die Jagd gehen!“ Mit diesen Worten packte er meine Hand und ging los. Das würde eine lange Nacht werden!
Und gemeinsam verschwanden wir in der Dunkelheit ...

Der zweite Teil von Mitternacht, ich hoffe er gefällt euchYvonne Gebauer, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.09.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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