Werner Gschwandtner

Das Einsatzteam, Fall 4

« War es Mord? »

 

„Eine wunderbare Predigt Herr Pfarrer.“

Die dickliche Simone Reuter, schüttelte dem weishaarigen kleinen Priester der St. Petrus Kirche am Keplerplatz, die Hand.

„Vielen Dank Frau Reuter. Ich habe Herrn Teufler heute gar nicht gesehen?“

„Dem Herrn geht es seit ein paar Tagen nicht so gut. Ich habe von ihm verlangt, dass er zuminderst Heute das Bett hütet.“

„Dann bestellen Sie den guten Mann einen recht Herzlichen Gruß von mir. Ich hoffe es geht ihm bald wieder besser.“

„Das hoffe ich auch Herr Pfarrer. Einen schönen Sonntag noch.“

Die Frau presste ihre Handtasche fester an sich und stieg die wenigen Treppen der Kirche hinunter. Es war ein schöner Juni Tag. Die Sonne stand bereits jetzt hoch am Himmel und unzählige Vögel sangen in den Bäumen, die den nahen Park einzäunten.

Die Frau stieg in die U-Bahn und nahm Platz, nicht sehr viele Leute waren zu dieser Zeit unterwegs. Ihre Fahrt ging nach Kagran, deswegen holte sie aus ihrer Handtasche einen Krimi hervor und blätterte die 25e Seite auf.

„Wo bin ich noch gewesen?“

Flink suchte ihr Finger die Stelle, wo sie beim letzten Mal auf gehört hatte, wenige Augenblicke später war sie schon in den spannenden Fall vertieft.

 

Frau Reuter stellte in dem Vorzimmer ihre Handtasche ab. In der geräumigen Wohnung war es still. Nachdem sie sich ihren Mantel entledigt hatte, schritt sie in die Küche und begann das Mittagsmahl her zurichten. Es war wenige Minuten nach 11h.

Die Vorbereitung dauerte nicht sehr lange. Als Frau Reuter den Braten in den Elektroherd schob, hatte sie noch vierzig Minuten auf 12:30 Uhr. Das war die gewohnte Zeit, in der Herr Rudolf Teufler zu Essen pflegte.

Am Nachmittag würde seine Tochter, zusammen mit ihren verkommenen Mann, zum Kaffee erscheinen. Frau Reuter rümpfte verächtlich die Nase. Sie konnte diesen Playboyverschnitt nicht ausstehen. Und da stand sie nicht alleine mit dieser Empfindung.

Ein Blick auf die Uhr sagte der vierundvierzig Jährigen, das es an der Zeit war für die Medizin des Herrn. Rudolf Teufler litt seid einer Woche an einem steigenden Schwächeanfall. Gut, der Herr war schon über Sechzig Jahre alt, aber bisher war er noch sehr Robust und körperlich Fit gewesen.

Voller Sorge dachte die dickliche Haushälterin an den gesundheitlichen Zustand ihres Arbeitgebers.

Mit einem Tablett, auf dem ein Glas Wasser und die Ärztlichen Tropfen standen, klopfte Frau Reuter an die Schlafzimmertüre des Herrn. Keine Antwort. Simone Reuter klopfte noch einmal. Wieder blieb es still.

„Herr Teufler?“, rief Frau Reuter, während sie die Türschnalle bewegte, „sind Sie wach?“

Das Schloss gab nach, die Türe war nicht verschlossen. „Also müsste der Herr wach sein“, dachte die Haushälterin bei sich, „da ansonsten immer abgeschlossen ist.“

Vorsichtig trat die Frau in das Schlafgemach. Die Vorhänge waren zu gezogen und das Licht abgeschaltet. Verunsichert blieb Frau Reuter in der offenen Türe stehen. Was sollte sie nun unternehmen? Weiter gehen? Oder umkehren? Sie entschied sich für das erstere. Mutig ging sie auf das Bett zu, knipste die Nachttischlampe an und sah Herrn Teufler. Sie schrie auf, das Tablett rutschte aus ihren Fingern und krachte scheppernd  zu Boden. Wie eine Furie lief sie aus dem Zimmer. Der alte Mann, in dessen Brust ein Jagdmesser steckte, blieb alleine zurück.

 

12:30 Uhr. Die zuständige Wache hatte flüchtig den Vorfall überprüft, es war oberflächlich gesehen eindeutig Mord. Daher wurde entschieden, die Kripo ein zuschalten.

Während einer der Beamten die Zivilkollegen verständigte, versuchte Inspektor Lammbein die vollkommen aufgelöste Frau Reuter zu beruhigen.

„Nehmen Sie einen Schluck“, der Beamte reichte ihr ein großes Glas mit Cognac, „dieser Anblick war wahrlich nicht schön, aber wir brauchen dringend ein paar Informationen von Ihnen.“

Die Frau nahm mit zitternder Hand das Glas und nippte an dem starken Getränk. Nach ein paar Minuten hatte sie sich so weit gefangen, so dass sie auf die Fragen des Inspektors langsam Antworten konnte.

„Nein Herr Inspektor, als ich zur Kirche gefahren bin, habe ich alle Türen versperrt.“

„Es blieb nichts offen?“

„Nein, alle Fenster sind mit Gittern versehen und die Einganstüre habe ich abgeschlossen. Selbst die Alarmanlage war scharf, obwohl Herr Teufler im Bett lag. Er schlief.“ endete die Frau noch immer geschockt.

Wann gingen Sie außer Haus?“

„Ungefähr Zehn Minuten vor Acht. Ich schaute noch einmal nach Herrn Teufler, er lag schwach im Bett. Aber die Medizin, die ich ihm am Morgen verabreicht hatte, hatte der Herr brav genommen.“

„Hatte noch jemand einen Schlüssel für dieses Haus?“ setzte der Beamte die Befragung fort.

Schweigend nickte Frau Reuter, hastig nahm sie einen größeren Schluck und antwortete dann.

„Ja Herr Inspektor. Herrn Teuflers Tochter, Sandra Böck.“

„Ich verstehe, sonst niemand?“ nach einer Pause, in der Frau Reuter den Kopf schüttelte, setzte er fort. „Können Sie uns sagen, ob irgendetwas gestohlen worden ist?“

Simone Reuter überlegte. „Zu Frage eins, wie schon angedeutet, nein. Es gibt meines Wissens keine weitere Person, die einen Schlüssel zu diesem Haus besitzt. Und Frage zwei. Ich habe nichts bemerkt. Aber auch nicht nach Kontrolliert. Daran habe ich noch gar nicht gedacht.“

„Aber nach ihrer Bemessung ist nichts abhanden gekommen?“ Lammbein nickte der Frau zu konnte gut nachvollziehen, das auf den Schock hin, sie nicht an eine Wertkontrolle gedacht hatte.

„Nein Herr Inspektor.“ Antwortete sie.

Ein Martinshorn heulte in der Ferne auf und näherte sich rasch. Reifen quietschten, dann wurden Wagentüren geöffnet und ein lautes Stimmengewirr wurde hörbar. Kurz darauf betrat das Einsatzteam 2 der Kripo, Abteilung Gewaltverbrechen, das prunkvolle Haus.

„Kommissar Wimmer, wer hat hier das sagen?“

Paul Lammbein hob zwei Finger grüßend an die Mütze und legte einen verbalen Bericht ab.

„Wir haben nichts angerührt. Die Todesursache ist ein Jagdmesser, das in der Brust des Opfer steckt, so sieht es zuminderst gegenwärtig aus.“ endete der Inspektor.

„In Ordnung Kollege, Sie und ihre Männer können abrücken. Wir übernehmen.“

Inspektor Lammbein rief seine Belegschaft zusammen und während die Beamten der Wache, insgeheim aufatmend, abzogen, überschwemmten die Spurenexperten und der pathologische Arzt die Villa.

Kommissar Eugen Wimmer, der mit seinen Männern gleich nach Oberinspektor Bachmann stand,

 nahm sich noch einmal der Haushälterin an. Noch einmal musste die dicke Reuter ihre Aussage machen. Indessen beschäftigte sich der Arzt mit der Leiche im ersten Stock.

„Ich denke, ich habe jetzt alles, nur noch eine Frage.“

„Bitte Herr Kommissar.“

„Haben Sie die Adresse von Frau Böck?“

„Natürlich“, Simone Reuter nickte, „Sandra Böck wohnt mit ihrem Schleimbeutel ebenfalls im 22. Bezirk. Markomannenstrasse 15.“

„Vielen Dank.“

Kommissar Wimmer wollte sich zum gehen wenden, da gab Frau Reuter noch eine Bemerkung von ihr.

„Aber das Ehepaar Böck wird heute Nachmittag noch zum Kaffee erwartet. Sie werden kommen. Ganz sicher.“

Wimmer nickte. Die Frau sank erneut in sich zusammen. Jetzt schien sie wieder das Bild des Todes vor sich zusehen. Während der Kommissar in den ersten Stock hinauf stieg, dachte er über die Aussage der Haushälterin nach. Sie war glaubwürdig, aber wenn ansonsten niemand einen Schlüssel hatte, dann bleibt ja nur das Ehepaar, oder zumindest einer von den beiden als Täter übrig.

„Wäre nicht das erste Mal“, sinnierte Wimmer bei sich, „das eine Anverwandte sich ihre Erbschaft beschleunigt besorgen wollte.“

„Ah Eugen“, der Polizeiarzt deckte soeben den Toten auf der Barre zu und gab seinen Prosekturdienern den Wink, die Leiche in den Wagen zu schaffen. „Das ist eine ganz schön harte Nuss, die du da hast.“

Wimmer war langsam näher getreten und blickte den Pathologen unsicher an. Der Polizeiarzt und er waren schon seit der Jugend befreundet und daher nahm sich keiner von den beiden, vor dem anderen, ein Blatt vor den Mund.

„Du sprichst in Rätseln alter Freund. Was soll an einer Stichwunde schon hart sein? Höchstens wer es war und da bin ich mir auch sicher, das es entweder die Tochter war, oder eben ihr Mann.“

„Das kann ich nicht wirklich bestätigen“, der Pathologe zog sich die Gummihandschuhe aus, „deine Schlussfolgerung könnte weit fehlen. Denn die Tatsache“, sprach der Pathologe weiter, „das dieser“, fragend schippte er mit den Fingern.

„Rudolf Teufler.“ gab Wimmer lächelnd an.

„Ja, Teufler. Das Herr Teufler also bereits seit ungefähr vier Stunden tot war, bevor er das Messer in die Brust bekam, das scheint mir doch eine sehr harte Nuss zu sein.“ Der Arzt lachte, als er das verdutzte Gesicht Wimmers sah.

„Ist das Sicher?“ Wimmer schüttelte ungläubig den Kopf.

„So gut wie sicher. Den absoluten Beweis bekommst du nach der Autopsie.“

„Erläutere wenigstens deinen Verdacht?“

„Ganz einfach“, der Pathologe führte aus, „die Wunde hat nicht mehr geblutet. Und“, fügte der Arzt hinzu, „die Leichenstarre hatte bereits begonnen. Wenn du mich fragst, wurde hier ein toter Mann noch einmal getötet. Also wäre für diese Person höchstens Leichenschändung anklagbar.“

Kommissar Wimmer kratzte sich verlegen hinter dem Ohr. Was sollte er von dieser Sache halten?

„Wann kann ich den Obduktionsbericht haben?“

„Gegen Abend. Damit empfehle ich mich. Noch viel Spaß beim entwirren dieser Knoten.“ Feixte der Arzt.

Es war nun 13:40 Uhr. Der recht einfache Fall hatte soeben einen unvorhersehbaren Aspekt bekommen.

„Wie würde wohl Herb diesen Umstand sehen?“ fragte sich Kommissar Wimmer. „Schön blöd dass Bachmann gegenwärtig auf einer Interpol Sitzung ist, seine Meinung wäre hier sehr von Hilfe.“

 

Die große Bodenvase zerbarst in tausend Stücke. Sandra Böck kreischte hysterisch auf.

„Halts Maul du Miststück“, ein großer Mann, nicht gerade jemand den man um Mitternacht in einer verlassenen Gasse treffen möchte, verpasste der jungen Frau eine schallende Ohrfeige. Zwei andere rückten mit Basketballschlägern der Einrichtung zu Leibe.

„Wo ist er?“

Erneut zum Schlag ausgeholt, stand der bullige Schläger über der zierlichen Blondine und funkelte sie böse an.

„Er ist weg gegangen. Ich weiß nicht wann er wieder nach Hause kommt.“

Es krachte. Die gläserne Schrankvitrine, mit dem kristallenen Wein und Sektgläsersortiment wurde Opfer ihrer brutalen Zerstörungswut.

„Hat er das Geld?“

Die Frau begann zu weinen. Dann schrie sie auf, da sie wieder eine saftige Ohrfeige erhalten hatte.

„Mach die Fresse auf, oder ich schlag dir alle Zähne aus. Wird’s bald?“

Sandra Böck hob abwehrend die Hände, ihr Gesicht zeigte rote Flecken. Vom weinen, genau so wie von den Schlägen des Bulligen.

„Er wird es bald haben. Mein Vater ist heute verstorben. Er war stink reich.“

„500 000 Schilling. Die sind bis Morgen um Mitternacht zu beschaffen. Wenn nicht“, der Schläger ließ die beiden anderen einhalten, „dann kann sich dein Herr Supergroß überlegen was ihm lieber ist. Eine Kugel in den Kopf, oder ein Messer in die Rippen.“

Ohne ein weiteres Wort entfernten sich die Geldeinreiber. Sandra Böck blieb am Boden liegen, ihr Körper zitterte am ganzen Leib. Wie lange würde das noch gut gehen?

 

Noch bevor die Polizei in der Villa Teufler erschienen war, erlebte Sandra Böck die Zusammenkunft mit den Schlägern von Erwin Sandmann. Jetzt gegen 13h, als ihr Mann, Samuel Böck nach Hause kehrte, war die Blondine gerade dabei unter heftigen Tränen, die Scherben zu beseitigen.

Böck sah auf einen Blick was Vorgefallen war. Er schlug sich mit der Faust in die hohle Hand und knirschte zerdrückt.

„Sandmanns Schläger?“

Sandra Böck nickte schweigend. Ihr Gesicht war mittlerweile blau angelaufen.

„Verzeih’ mir mein Liebling, aber bald haben wir es hinter uns. Ich weiß, es war ein Fehler mir von Sandmann Geld zu leihen, aber wir hatten es damals bitter nötigt und die Bank hatte ja auf stur geschalten. Ich hätte nicht soviel Kredit aufnehmen sollen, aber die 200 000 Schilling habe ich bald zusammen.“

„Daraus wird nichts“, Frau Böck goss sich einen doppelten Whisky ein und kippte den ex. Samuel Böck blickte die Frau bekümmert an. „Was meinst du damit?“

„Ganz einfach. Sandmann will jetzt 500 000 Schilling haben. Andernfalls bist du gegen Morgen Mitternacht tot.“

„Was“, Herr Böck verlor seine Beherrschung, „ist dieser miese Heuchler noch bei Sinnen? So viele Zinsen verlangt nicht einmal die Bank. Das ist Betrug.“

„Ja, das ist es. Doch versuch’ mal dagegen an zukommen. Du hast dir das Geld von Sandmann geliehen, du hast Geld nach seinen Bedienungen genommen und nun erntet dieser Schweinehund unser sauer verdientes Geld.“

Samuel Böck dachte nach, ob eventuell der Anwalt etwas ausrichten konnte?

„Ob unser Anwalt da was machen kann?“

„Was sollte er den tun? Sandmann und seine Kumpane umlegen? Das schafft keiner. Das einzige was Herr Janna zuwege bringen könnte ist, das uns die Versicherungsgesellschaft einen höheren Vorschuss auf die Vertragssumme gewährt.“

„Warum musste sich dieser alte Sturkopf auch selber umbringen? Wie, wie hat er das überhaupt gemacht? Wenn ich nicht an dem Wasserglas geschnuppert hätte und einen eigenartigen Duft wahrgenommen hätte, dann wäre es mir nicht einmal aufgefallen. Ich hielt es zuerst für einen natürlichen Tod.“

„Ich weiß es nicht“, antwortete Sandra auf Böcks erste Frage, „Dad verlangte nur von mir, das ich mich von dir trenne. Sollte ich das nicht tun, so würde er mich Enterben.“

„5 Millionen Schilling, weißt du was wir mit diesem Geld alles machen könnten?“

„Klar“, Frau Böck lachte höhnisch, „wir könnten damit Sandmanns gierigen Rachen stopfen.“

Ja, das auch“, Samuel Böck winkte ab, „aber es bleibt dennoch noch immer eine geheure Summe übrig. Überlege mal. 5 000.000 Schilling und dann kommt noch die Summe der Lebensversicherung dazu, das sind auch gute 2 000.000. Unsere Sorgen wären für immer vergessen.“

„Heute beim Kaffee hätte ich meinem Vater meine Entscheidung mitteilen sollen, wenn ich alleine gekommen wäre und sofort am Montag in die Scheidung eingewilligt hätte, dann wäre ich Erbberechtigt geblieben. Andernfalls stünde ich ohne einen Schilling da.“ Sandra Böck ging nicht auf die Aussage ihres Mannes ein, sondern blieb bei der nüchternen Wahrheit.

„Das hast du schon einmal gesagt“, etwas ungeduldig begann Samuel Böck in der zertrümmerten Wohnung auf und ab zu gehen.

„Wir sind deswegen ja zu ihm gefahren, als die fette Reuter in der Kirche war. Es gab nur den einen Weg, nämlich deinen alten Herrn aus dem Weg zu räumen. Aber er war bereits tot, sicher schon für eine Stunde. Aber warum? Es gab zu diesem Zeitpunkt keinen Grund für den Suizid.“

„So lange hast du aber nicht Medizin studiert, das du dass auf einen Blick feststellen könntest.“ Sandra schaute ihren Mann etwas verächtlich an. Nicht wahr?“ höhnte sie.

„Ich habe immerhin drei Semester absolviert“, Samuels Blick wurde finster, „das langt allemal um eine ungefähre Todeszeit bestimmen zu können. Außerdem hat die Wunde nicht mehr geblutet.“ endete Böck leicht erzürnt über Sandras Anspielung.

„Eine andere Frage“, Sandra Böck erhob sich und strich ihr Haar aus der Stirn, „sollen wir trotzdem zu meinen Vater fahren?“

„Na klar, wenn wir ohne einen begründeten Vorwand fernbleiben, gestehen wir doch ein, dass wir bereits von seinen Tod wissen. Und woher sollten wir das wissen?“ fragend blickte der Mann seine Frau an, diese nickte.

„Auch wieder wahr, dann versuche ich nun mein Gesicht zu über schminken. Es braucht nicht ein jeder sehen, das ich verprügelt worden bin.“

Samuel Böck stimmte seiner Frau zu. Während Sandra duschte und ihr Make up erneuerte, kontaktierte Herr Böck den Anwalt Richard Janna. In Notfällen war er für seine Kunden auch am Sonntag zu sprechen und für Samuel Böck war es mehr als nur ein Notfall. Ihm stand das Wasser bis zum Hals. Es fehlten nur mehr wenige Tropfen, dann würde das Fass überlaufen und Samuel Böck würde für immer in den tiefen der Finsternis verschwinden. Wenn er es nicht schaffte, bis Morgen um Mitternacht das geforderte Geld zu beschaffen, dann war er tot.

„Besser“, die Überlegungen Böcks waren berechtigt, „im Gefängnis wegen Betrugs, als eiskalt im Leichenschauhaus.“

 

Für Kommissar Wimmer hatte sich an diesem Nachmittag nichts mehr Neues ergeben. Die Zusammenkunft mit Herrn und Frau Böck erzielte keinerlei Ergebnisse. Beide sagten aus, dass sie gemeinsam zuhause gewesen wären und ihre Wohnung erst gegen 14h verlassen hätten.

Wimmer hatte keine Veranlassung den beiden nicht zu glauben, vor allem da er ja wusste, das Herr Teufler allem Anschein nach, schon Stunden vor dem Messerstich tot gewesen sein musste.

Jetzt saß der schlanke Kriminalist an seinen Schreibtisch und überflog den Autopsiebericht der Prosektur.

„Im Magen und Verdauungstrakt wurden reichlich Spuren des schnell wirkenden Giftes Curare gefunden. Dieses wurde Oral, in einem Getränkt, eingenommen und zwar vermischt mit einfachen Beruhigungstropfen.“

Wimmer lass die Todesursache ein zweites mal.

„War es nun Mord? Oder Selbstmord? Und hatte da womöglich die Haushälterin nachgeholfen? Doch wozu, was hätte sie davon? Das sind hier die Fragen.“ Wimmer las den Befund zu Ende.

„Die Sterbezeit wurde auf 08:10 Uhr festgelegt. Die Untersuchung der Stichwunde ergab, dass erst gegen 09:30 Uhr das Jagdmesser zum Einsatz kam.“

„Zwanzig Minuten“, sinnierte Wimmer, „nur Zwanzig Minuten nachdem Frau Reuter die Villa verlassen hatte. Sofern ihre Aussage der Wahrheit entspricht, aber falls das so ist, dann ist Frau Reuter aus dem Rennen.“

Nun nahm sich er Kriminalist die Spurenunterlagen vor. Nirgends im Haus wurden fremde Fingerabdrücke gefunden. Es gab nur die von dem Haus Eigentümer und welche, die zu Frau Reuter gehörten. Der oder die Täter hatten also Handschuhe getragen. Das war nicht weiter verwunderlich und irritierte den Kriminalisten auch nicht.

„Kunststück“, murmelte der Kommissar, „Heutzutage weiß beinahe jedes Kind das man bei solchen Aktionen Handschuhe benutzt.“

Dann, am Ende des Berichts, stand, dass im Nachtkästchen des Verstorbenen ein kleines Fläschchen gefunden worden war. In dem sich winzige Reste von Curare befanden. Hierauf wurde nur ein Daumenabdruck von Herrn Teufler sichergestellt. Weiteres wurden Spuren desselben Giftes im Wasserglas, das ebenfalls Elemente der Beruhigungstropfen Baldrian enthielten, vorgefunden. Auf dem Glas waren die Spuren von Frau Reuter, überdeckt von denen des Hausherrn.

„Selbstmord“, Wimmer richtete sich auf, „es kann nicht anderes sein. Diese Erkenntnis lässt keinen anderen Schluss zu. Stellt sich nun nur noch die Frage, weshalb wurde der Tode so präpariert, das es wie Mord aussah?“

 

Kommissar Wimmer hatte sich noch am selben Abend mit der Rechtsanwaltkanzlei Braker, Braker & Heiner in Verbindung gesetzt. Michael Braker Senior gab unmissverständlich zu verstehen, dass das Testament des Herrn Teufler erst einen Tag nach dessen Tod geöffnet und verlesen werden dürfe.

„Herr Teufler war ein sehr eigensinniger Mensch, unsere Kanzlei hat ihn all die Jahre gut Beraten. Ich möchte nun nicht von dieser Norm Abweichen, aber“, fügte der Mann mit rauchiger Stimme hinzu, „ich gestatte ihnen, das Sie an der Verlesung des Testaments, Morgenfrüh, Punkt 10h teil haben. Im Sinne der Gerechtigkeit.“

„Vielen Dank Herr Braker, Entschuldigen Sie die Störung und einen schönen Abend noch.“

Wimmer legte auf. „Wenn es wahrhaftig ein Selbstmord war, von wem und weshalb wurde die Leiche nach mehr als einer Stunde mit einem Jagdmesser noch einmal getötet?“ abermals stellte sich der Kommissar diese Frage. Die Testamentseröffnung könnte da Aufschluss darüber geben.

 

„Meine Damen und Herren. Liebe Kollegen und Herr Kommissar.“

Michael Braker Senior hatte sich erhoben und nach dem er sich kurz geräuspert hatte, begann der alte kauzige Mann seine Ansprache.

Es war Montag, wenige Minuten nach 10h. Kommissar Wimmer hatte sich schon gegen halb zehn im Büro der Anwaltkanzlei eingefunden. Herr und Frau Böck erschienen auf dem letzten Drücker.

„Wir haben uns hier versammelt um den letzten Willen und Testament unseres lieben Kunden, Vater und Schwiegervater zu verlesen.“

Herr Braker hustete, dann fuhr er mit seiner rauchigen Stimme, die stellenweise knarrte, wie eine alte verrostete Eisentür, weiter.

„Gestern, kurz nach 08h fand Herr Teufler den Tod. Gott möge seiner Seele gnädig sein.“

Samuel Böck neigte sich zu dem Ohr seiner Frau und raunte.

„Ich habe gestern Abend noch mit Anwalt Janna gesprochen, er wird dafür sorgen, dass ich gegen 22 Uhr die halbe Million habe.“

Es war eigentlich nur ein Flüstern, keiner der anwesenden, außer Sandra Böck konnte die Worte vernehmen. Diese lächelte nun sanft. Kommissar Wimmer bemerkte die Aktivität, er beobachtete das Paar, konnte aber keine Veränderung ihrer Mine erkennen. Ihm war nur aufgefallen, dass die Böcks nicht sehr erfreut bei seinem Anblick gewesen waren. Doch das musste nichts bedeuten.

„Darf ich nun fort fahren?“ Herr Baker nickte den beiden Eheleuten zu. „Es liegt ja auch ihn ihrem Interesse.“

„Natürlich Herr Anwalt“, Frau Böck koogedierte gelassen, „tun Sie ihre Pflicht.“

„Also, ich öffne nun den Umschlag.“

Baker brach das Siegel, der dass Pergament verschloss, auf und ließ zwei gefaltete Briefbögen heraus gleiten.

„Mein letzter Wille“, begann Baker das erste Schriftstück zu verlesen, „ich, Rudolf Teufler. Im Besitz meiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten gebe folgende Bestimmung in meinen Testament an. Erstens“, Baker hustete, dann trank er einen weiteren Schluck Wasser und setzte die Verlesung fort.

„Mein Barvermögen, sowie alle gütlichen Besitztümer gehen an meine Tochter Sandra.“

Herr und Frau Böck erwachten zum regen Leben. Für sie schien nun alles in Butter zu sein.

„Allerdings nur dann, wenn sie am Montag den 05. Februar 1998 um Punkt 08h ihre Ehe mit dem Spieler und Möchtegerne Playboy Samuel Böck annulliert hatte. Widrigenfalls erhält mein gesamtes Vermögen die Zentralverwaltung der Österreichischen Krankenhäuser.

Sandra Böck und ihr Mann erstarrten. Damit hatten sie nicht gerechnet.

„Aber“, stotterten sie, „aber das war ja heute. Heute um Acht.“

„Punkt Zwei“, unbeirrt fuhr Michael Baker fort, „unabhängig von der getroffenen Entscheidung meiner Tochter, gehen 250 000 Schilling an meine sehr verehrte Haushälterin Frau Simone Reuter. Weiteres wird ihr das Gehalt bis zum Lebensende ausbezahlt.“

Frau Reuter wurde rot. Man konnte ihr Ansehen, das sie von diesem Aspekt nichts gewusst hatte. Tränen liefen über ihre Wangen.

„Und Punkt drei, meine Lebensversicherung in der Höhe von 2 000.000 Schilling wird anhand des beiliegenden zweiten Schreibens nicht Ausbezahlt und verbleibt bei der Versicherungsgesellschaft.“

„Weswegen denn das?“ Samuel Böck war erregt aufgefahren. „Wenigstens diese Summe muss meiner Frau zuerkannt werden, wovon sollen wir den nun leben?“

„Das mein Herr ist nicht meine Sorge“, der Anwalt wandte sich an die junge Frau, „was Frau Teufler“, weiter kam Baker nicht, Sandra Böck schüttelte den Kopf und flüsterte. „Nein, nicht Teufler, ich heiße Böck.“

„Nun, was Frau Böck“, begann Herr Baker noch einmal, „zuerkannt wird oder nicht, das liegt alles in diesem Testament bei. Und so wie es aussieht, wird ihr nichts zuerkannt.“

Samuel Böck stand mit geöffnetem Mund da. Seine Stimme überschlug sich. Das alles musste ein böser Traum sein.

„Das Testament wurde aufgesetzt von Michael Baker Senior, das bin ich. Als Zeuge unterschreiben Michael Baker Junior, mein Sohn und Peter Ernst Heiner, unser Partner. Aufgesetzt am 30. Januar 1998, um 17:15 Uhr. Beglaubigte Unterschrift von Rudolf Teufler.“

Kommissar Wimmer war bei dem Absatz, was die Lebensversicherung anbelangte Hellhörig geworden, neugierig bat er nun darum, den zweiten Brief zu verlesen.

„Anhang zu meinen letzten Willen“, Michael Baker Senior musste erneut husten, seine rauchige Stimme klang nun ein wenig blechern.

„Dieses notarielle Schreiben wurde unter der Schweigepflicht der Anwälte Baker und Baker, so wie des Notars Heinrich Sollenbergs verfasst. 31. Januar 1998, 08h. An die Kriminalpolizei der Stadt Wien, hiermit gebe ich im vollen Besitz meiner geistigen so wie körperlichen Funktionen freiwillig meinen Selbstmord am 04. Februar 1998 gegen 08h bekannt. Meine Haushälterin ist zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg in die Kirche und auch so über jeden Verdacht erhaben. Ihre Begünstigung in meinem Testament ist somit kein Motiv für diese brave Frau. Ich selber, werde mit den Frühstückstropfen Baldrian die ich zur Unterstützung meiner derzeitigen unruhigen Natur, die ich im Übrigen nur Vorgetäuscht habe eine, größere Dosis des Giftes Curare zu mir nehmen. Da ich erkannt habe, das meine Tochter einem absoluten Nichtsnutz und Mitgiftjäger verfallen ist, möchte ich hiermit verhindern, das dieser Mann weiterhin seinen überzogenen Lebensstandart beibehalten kann und scheide deswegen Freiwillig und aus eigener Hand aus dem Leben. Die Lebensversicherung, in der Höhe von 2 000.000 Schilling wird daher nicht ausbezahlt. Da bei Selbstmord der  Anspruch verfällt. Sollte sich meine Tochter jedoch bis zum 05. Februar 1998 08h besinnen und eine Scheidung einreichen, dann erbt Sandra mein Barvermögen von 5 000.000 Schilling nebst vorhandenem gütlichem Besitz. Dieses Schreiben dient als Abschiedsbrief und ist in allen Punkten des Gesetztes Rechtskräftig. Unterzeichnet, Rudolf Teufler. Als Zeugen Michael Baker Senior und Junior. Notar Heinrich Sollenberg.“

 

Jetzt war es Still in dem Raum. Keiner sprach ein Wort. Für das Ehepaar Böck war eine gesamte Welt zusammen gebrochen. Welchen Ausweg gab es jetzt noch?

Kommissar Wimmer erhob sich. Seine Recherchen hatten im Großen und Ganzen Gestimmt. Jeden Aspekt konnte der Kriminalist nicht nachvollziehen, aber die Geschichte machte Sinn.

„Liebe Frau Böck, Lieber Herr Böck“, Wimmer richtete seine Worte gezielt auf das verstörte Ehepaar, „da ich keine Beweise dafür habe, das Sie den Leichnam Herrn Teuflers geschändet und mit einem Jagdmesser verstümmelt haben, sehe ich von einer Anzeige gegen Sie ab. Der Grund warum Sie das taten läge klar auf der Hand. Die Versicherungssumme. Aber ich sehe keine Möglichkeit ihnen nachzuweisen, dass Sie von diesem Umstand wussten.  Ich denke mal Sie haben jetzt auch viel wichtigere Probleme. Woher nehmen Sie jetzt das Geld für ihre Ausgaben? Guten Tag.“

Kommissar Eugen Wimmer verabschiedete sich, nachdem er sich eine Kopie des Abschiedsbriefes geben hatte lassen, von den übrigen andren und verließ das Büro der Anwaltskanzlei Baker, Baker & Heiner.

 

Der Anwalt des Ehepaares Böck konnte durch die Enterbung keine halbe Million vor strecken. Verzweifelt versuchte das Paar Unterzutauchen. Einige Tage verstrichen, dann gab es wieder einen Mordalarm. Zwei Tote in der Näher der Alten Donau. Zwischen den Gebüschen, lagen nach der Aussage von Spaziergängern, zwei blutüberströmte Leichen. Als die Polizei eintraf, fanden sie die erschossenen und beinahe bis zur Unkenntlichkeit gefolterten Leiber einer Frau und eines Mannes. Ihre Namen war Sandra und Samuel Böck, Sandmanns Schläger hatten die flüchtigen Schuldner eingeholt, aufgegriffen und bluten lassen. Die beiden zahlten ihre Schulden mit ihrem eigenen Blut.

 

 

« Das Einsatzteam
Fall 4,

War es Mord? »

Kriminalfall von 2002

© Werner Alexander

www.litterarum.at

„Literatur für Jung & Junggebliebene“

 

War es Mord?, Lesung von Rena Larf, am 23.7.2008 in der Zeit von 11:00 bis 11:30 Uhr, auf dem online Radio 1000mikes.com

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.02.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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