Caroline Ganz

Der Traum des kleinen Mädchens

Sie lag auf ihrem Bett, zog sich die Decke über den Kopf und weinte. Wieso waren sie auch immer so gemein zu ihr? Was hatte sie denn bloss getan, dass die anderen sie nicht mochten?

Heute war auf dem Heimweg von der Schule besonders schlimm gewesen. Dabei hatte sie doch überhaupt nichts getan. Ganz normal ist sie an den anderen vorbeigelaufen, doch plötzlich bekam sie einen Stoss in den Rücken und fiel zu Boden.
Er war es, er! Er hatte sie umgestossen. Da lag sie nun am Boden und um sie herum stand eine lachende Menschenmenge. Es kamen ihr alle so gross vor und sie war so klein.
Mit jedem lachen und jeder Bemerkung die sie hörte wurde sie noch kleiner.
Er sagte nur: „Na du kleine hässliche Sau, bist wohl zu dumm zum Laufen, was?“ Sie sagte nichts, sondern verkniff es sich anzufangen zu weinen und stand so schnell wie sie nur konnte auf und wollte davon rennen. Doch weit kam sie nicht, denn er hatte ihr ein Bein gestellt und wieder lag sie am Boden. Diesmal war das lachen noch lauter und ihr Knie tat weh.
Sie sah wie sich langsam die Hose um ihr Knie rot färbte. Ganz sorgfältig stand sie auf, senkte ihren Blick damit sie niemandem in die Augen sehen zu musste und lief langsam weg.
Die andern riefen ihr noch irgendetwas nach, doch sie hörte nicht hin und wollte einfach nur weg.

Da lag sie nun zu Hause auf ihrem Bett und stellte sich Tausende fragen: Warum immer ich? Was habe ich ihnen denn getan? Habe ich das so verdient? Warum gibt es niemanden der zu mir steht? ...
Immer diese Fragen worauf es keine Antworten gibt...
Sie sah aus ihrem Fenster, es wurde langsam dunkel und die Strassenlampen gingen an.
Im Flur draussen hörte sie wie sich ihre Eltern stritten, doch das interessierte sie nicht. Daran hatte sie sich schon lange gewöhnt. Jeden Tag war es doch dasselbe, kaum kam ihr Vater nach hause gab es Streit. Sie zog sich dann einfach immer in ihr Zimmer zurück und drehte die Musik ganz laut auf.
Musik bedeutete ihr sehr viel, es war ja auch das einzige was sie hatte. Ihr grösstes Hobby war auch das singen, doch das hatte sie noch nie jemandem verraten, weil die andern sie nur auslachen würden.
Sie hörte immer noch das Gebrüll der Eltern und hatte dies langsam satt. Sie drehte wieder einmal die Musik ganz laut auf und schloss die Augen.

Da stand sie, auf einer riesigen Bühne. Helle Scheinwerfer strahlten auf sie herab und langsam begann die Musik zu spielen. Sie nahm das Mikrofon in die Hand und sah in die Menschenmenge. Das Lied begann und sie sang. Plötzlich war da so ein Gefühl, ein unbeschreibliches. Sie allein stand auf dieser Bühne. Nun war sie nicht mehr klein, nein, nun war sie gross, grösser als alle andern. Jetzt war sie diejenige die auf die andern herab sah.
Doch langsam wurde die Musik wieder leiser, das Lied war zu Ende.
Es begann ein riesiger Applaus. Es war ihr Applaus, sie ganz alleine hatte das geschafft. Sie strahlte und sah mit glänzenden Augen ins Publikum. Ja, so war das also, das Gefühl glücklich und ganz gross zu sein.

Sie öffnete ihre Augen wieder und alles war vorbei. Sie war wieder klein und einsam. Wie gerne hätte sie ihre Augen für immer geschlossen, doch das ging nicht. Es war nur ein Traum und die Realität hatte sie eingeholt. Wie sie das hasste! Tränen liefen ihr über das Gesicht und wieder sah sie aus dem Fenster. Es begann zu regnen...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.10.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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