Elfie Böttger-Bohlen

Helene, oder, wozu braucht man schon einen Mann ?

Eine alte Dame plaudert

Ich war eine junge, hübsche Frau. Damals dachte ich mir, heirate ich mal einen älteren, gutsituierten Herrn, dann brauche ich mir keine Sorgen mehr um die Zukunft zu machen. Ach Fräulein, ich rate ihnen, heiraten sie nie einen älteren Herrn. Irgendwie bringt´s ein alter ja doch nicht mehr so. Obwohl - auf dem Gebiet kann man ja auch Abhilfe schaffen. Es bieten sich immer Gelegenheiten, besonders wenn man jung und hübsch ist.

Ehrlich gesagt, war ich nicht besonders traurig, als mein Mann starb. Als junge Witwe wurde mir erst so richtig bewußt, welchen Einschränkungen ich als Ehefrau doch unterlegen war. Endlich konnte ich tun und lassen, was ich wollte. Ich genoß die neu gewonnene Freiheit und das viele Geld, das ich ja nun für mich alleine hatte. Kinder habe ich keine. Ich danke dem Herrgott, daß mir das erspart geblieben ist.

Das Leben war schön. Zu Hause konnte ich mich jetzt richtig gehen lassen. Sehen sie, diesen bekleckerten Bademantel könnte ich doch nie anziehen, wenn ein Mann hier im Hause wäre. Da müßte ich doch schon zum Frühstück adrett und gutgelaunt sein. Nee, ein Mann kommt mir nicht mehr ins Haus.

Wozu braucht man schon einen Mann? Doch nur für die unanständigen Dinge. Und um unanständige Dinge zu machen, muß doch keiner hier wohnen! Dafür brauche ich nicht einmal zu warten, bis es dunkel ist. Einmal ist einer danach hier einfach eingeschlafen. War nicht mehr wachzukriegen der Kerl. Den habe ich dann morgens gleich in den Garten geschickt, da konnte er seine Übernachtung abarbeiten.

Wenn ich ausgehe, dann müßten sie mich mal sehen. Wie ich mich dann herausputze. Ich besitze acht Hüte, alle nur für mich gemacht. Mit passenden Kostümen und Schuhen dazu. Dann bin ich eine feine Dame. Dann angel ich mir jeden den ich will. Trotz meiner achtzig Jahre. Eine Frau sollte männliche Begleitung haben. Dann steht man doch gleich ganz anders da.

Ein paar Jahre war ich mit Paulchen zusammen. Paulchen war Bergmann, und so verschmust. Da konnte ich all das nachholen, was mir mein Ehemann nicht geben konnte. Vor allen Dingen war nichts heimlich. Habe ich doch gar nicht nötig. Meine Nachbarinnen haben sich die Mäuler zerrissen. Das war aber wohl nur aus Neid. Wenn man keinen Verehrer hat, wird man auch schief angesehen. Dann sieht das so aus, als wolle einen keiner haben.

Paulchen hat mir die Einkäufe erledigt und so manchen Botengang für mich gemacht. Keine dieser Gefälligkeiten wollte er von mir bezahlt haben. Der war auf mein Geld nicht angewiesen. Der hatte selber genug. Aber wohnen wollte er hier. Sich ins gemachte Nest setzen. Da habe ich ihm den Laufpaß gegeben.

Nach Paulchen kam Hermann. Hermann hat ein Auto. Das konnte Paulchen mir leider nicht bieten. Hermann war in jungen Jahren Boxer. Ein Bild von einem Mann. Er ist zwanzig Jahre jünger als ich. Sagen sie nicht, junge Männer wollen keine alte Frau. Das stimmt in dem Moment nicht, wenn die Frau mehr Geld hat als er. Und Hermann hat nicht viel. Drum ist er noch zu ganz anderen Sachen bereit. Das will ich jetzt hier nicht so ausbreiten. Sie wissen schon, wovon ich rede. Nicht, daß sie jetzt denken, er ließe sich von mir aushalten. Nein, nein, so ist das nicht. Ich bezahle ihm nur großzügig die Spazierfahrten mit dem Auto. Daran ist doch nichts auszusetzen, oder? Na ja, drei-, vierhundert Mark kommen da im Monat schon zusammen. Er kann's gebrauchen und mir tut es nicht weh.

Der Winter hier ist ja so gräßlich. Darum fahre ich jedes Jahr nach Mallorca. Natürlich allein. Hermann schaut derweil hier nach dem Rechten. Dreht ab und zu die Heizungen auf und lüftet durch. Auch zum Putzen ist er sich nicht zu schade. Soll ja alles in Ordnung sein, wenn ich wiederkomme. Auf Mallorca habe ich eine reizende alte Dame kennengelernt. Und so intelligent. Nicht so intelligent wie ich, aber schon ziemlich intelligent. Die hat es auch zu etwas gebracht. Hat einen reichen Kerl geheiratet, der aber leider noch lebt. Sehen Sie, darum stehe ich besser da.

Ich bin ja nicht nur intelligent, ich bin sogar hochbegabt. Das sehen Sie schon daran, was ich aus meinem Leben gemacht habe. Ich bin achtzig Jahre und gesund. Meine Knochen sind in Ordnung. Ich habe nie schwer arbeiten müssen. Gut, mit dem Schlucken klappt es in letzter Zeit nicht mehr so. Das liegt wohl daran, daß ich langsam in die Erde wachse und deshalb meine Speiseröhre gestaucht wird. Das ganze Gerede um Osteoporose bei älteren Frauen ist Quatsch. Das ist nur die laienhafte Vorstellung vieler Leute davon, wenn eine alte Frau kleiner wird. Bei mir sind es die Sehnen und Bänder, die nicht mehr so wollen. Aber das versteht ja keiner. Schon gar nicht mein Arzt. Ist auch nicht so wichtig. Ich komme damit schon klar.

Jetzt muß ich mich aber zurecht machen, gleich kommt Hermann. Ich möchte eine Spazierfahrt machen. Was denken Sie, wäre heute nicht das fliederfarbene Kostüm angebracht? Die Farbe der Frauen? Ach, ich habe noch so viel vor. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Ja, und danke für das nette Gespräch.

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