Martina Bartels

Zeitprotokoll

Mein Blick geht ins Leere. Ein tiefer Zug an der Zigarette. Mein Blick fällt auf die Uhr. Noch vierzig Stunden. Endlos, wenn man auf etwas wartet.
Ich suche Ablenkung, beschäftige mich. Sicher ist es gleich Zeit ins Bett zu gehen. Erneuter Blick auf die Uhr. Kein Zeitgefühl. Es ist kaum eine halbe Stunde vergangen.
Die Zeiger kriechen über das Zifferblatt. Endlich werde ich müde und gehe schlafen. Ich wälze mich unruhig von einer Seite auf die Andere. Eine schlaflose Stunde ist rum. Und noch eine. Endlich falle ich in einen unruhigen Schlaf. Immer wieder wache ich auf, döse wieder ein. Im Morgengrauen ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Noch zweiunddreißig Stunden. Zu früh zum Aufstehen, also bleibe ich liegen. Lese, aber der Text zieht an mir vorbei. Endlich, sieben Uhr. Völlig gerädert stehe ich auf. Sehe in den Spiegel. Bleich, übernächtigt, sehe aus wie ein Gespenst. Beste Voraussetzungen. Meine Stimmung sinkt weiter. Noch neunundzwanzig Stunden.
Ich quäle mich durch den Tag. Abwesend, versunken in Tagträumen. Erledige alles mechanisch, Alltag eben. Die Zeit will nicht vergehen. Noch sechsundzwanzig Stunden. Womit kann ich mich beschäftigen? Ich gehe raus, laufe durch den Regen. Vereinzelt kommt die Sonne durch. Heiter bis wolkig, passend zu meiner Stimmung. Vierundzwanzig Stunden.
Meine Gedanken schweifen ab ... Morgen ... Morgen um diese Zeit ...
Vorfreude, mein Herz rast. Aber bis morgen, so lange noch. Enttäuschung huscht über mein Gesicht. Zurück nach Hause. Verpflichtungen. Ablenkung. Beschäftigung. Zwanzig Stunden.
Der Regen klatscht gegen die Fensterscheiben. Die Unruhe steigt. Meine Gedanken überschlagen sich. Das warten ist zermürbend. Endlose Stunden. Die Minuten schleichen dahin. Irgendwie geht der Tag zu Ende.
Dreiundzwanzig Uhr. Ich gehe ins Bett. Eine weitere schlaflose Nacht liegt vor mir. Ein letzter Blick auf die Uhr. Fünfzehn Stunden noch.
Unruhiger Schlaf, wilde Träume. Wunschträume ... Alpträume ... Das Klingeln des Weckers erlöst mich. Noch sechs endlose Stunden. Ein Blick in den Spiegel. Fehler, auf diesen Anblick soll er sich freuen?
Duschen , anziehen, schminken. Noch immer unzufrieden mustere ich mein Spiegelbild. Noch fünf Stunden. Nur noch fünf Stunden. Ich bin nervös. Meine Hände zittern. Noch ein paar Erledigungen. Ein Blick auf die Uhr. Noch drei Stunden, oder nur noch drei Stunden?
Die Zeit drängt. Ich muss los. Rein ins Auto. Etliche Kilometer. Es kommt mir vor wie um die Ecke. Fast da. Warum geht das so schnell? Das endlose Warten ist vorbei.
Er ist das. Es geht alles ganz schnell. Reden. Reden. Reden. Über was eigentlich? Es ist nicht wichtig. Er ist da, für ein paar gestohlene Stunden. Nur das ist wichtig.
Ein Blick auf die Uhr. Die Zeit rast. Die Stunden fliegen vorbei. Erneuter Blick auf die Uhr. Ich muss los, der Alltag erwartet mich.
Worte, ein letzter Blick. Vorbei. Die Zeit ist um. Den Kampf gegen die Uhr verloren. Es ging so schnell. Es war so kurz. Warten auf das nächste Mal. Es dauert so lange. Endlos.

(c) Martina Bartels

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.02.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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