Werner Malkowski

Sanctus Babycus

Du warst sicher schon in einem Konzert dieser Art
Es findet statt in irgendeinem Gemeindesaal oder in einer Kirche
und wenn es gut besucht ist in irgendeiner Halle
Das örtliche Jugendorchester
der örtliche Chor der auch ein kirchlicher sein kann
und die Bläsergruppe
eventuell auch der Mandolinenverein
haben in Zusammenarbeit mit diversen Vereinen und Kegelclubs
eine Benefizveranstaltung organisiert
Heiter aber besinnlich soll es sein
besinnlich aber nicht zu ernst
ernst aber nicht zu weihevoll
Das Programm ist bunt und liebevoll zusammengestellt
zwischen den Stücken besinnliche Worte eines ortsansässigen
Kleindarstellers der tapfer Hüsch und Ringelnatz zitiert
und dennoch so klingt wie der Pfarrer der Kirche
wo wir uns nun alle versammelt haben
Mein Warten beginnt
Nein nicht auf das Jugendorchester
Nein nicht auf die Bläsergruppe
Nein nicht auf den Chor der auch ein kirchlicher sein kann
Nein auch nicht einmal auf den Mandolinenverein
Ich warte auf das Sanctus babycus
Das sind jene himmlischen Klänge die in jedem Konzert unvermeidlich sind.
und ich denke an das unbekannte Jugendorchestermitglied
die unbekannte Chorsängerin die auch eine kirchliche sein kann
an den unbekannten Bläser und den unbekannten Mandolinenspieler
die in unendlicher Kleinarbeit und Mühe
in fast aufopfernder Probewut
Ton um Ton suchten und fanden
Immer hatten sie das Ziel vor Augen
es einer kleinen oder größeren Schar benefiziger Zuhörer zu zelebrieren.
Und sie spielen so schön
und so glockenklar
singt der Chor der auch ein kirchlicher sein kann
Und alles steuert dem unvermeidlichen Ave Maria zu
Dabei ist es völlig egal ob es von Schubert Bach oder Bruckner ist
Ich weiß, gleich wird mein Höhepunkt kommen das Sanctus Babycus
Und es kommt schnell
Zuerst die zarten Töne des Ave Maria
Dann bedrohlich ankündigend ein leises Schluchzen
Immer stärker werdend bis hin zu einem infernalischen Schrei
wie es nur Babykehlen können
Sind es am Anfang nur freundlich verständnisvolle Blicke
in Richtung des Schreiobjekts
stellt sich die Bereitschaft zum Meuchelmord mit der Lautstärke
des Sanctus babycus ein
Die Gesichter sind voller Hass und zu allem bereit
Vater und Mutter des Kindes
haben endlich die volle Aufmerksamkeit des benefiziösen Publikums.
Aus einer Mischung von Angst und ungebrochenem Stolz
ob der Schreikraft ihres Nachwuchses treten sie einen geordneten Rückzug an
Sie lächeln ziehen die Schultern hoch als wollten sie sagen
Es hat dem Baby wohl nicht gefallen
oder
Das ist seine Art des Beifalls
Wer sieht da schon die Tränen des Jugendorchesters
Wer sieht die laufenden Nasen der Bläser
Wer schon sieht die Zornesröte in den Gesichtern
des Chores der auch ein kirchlicher sein kann
und wer hört die verstimmten Saiten der Mandolinen des gleichnamigen Vereines
Der Hüsch-Rezitator entfaltet sein Chargentalent
und versucht mit einem witzigen Ist das nicht süß die Situation zu retten
Aber es hört ihm keiner zu
So endet dieses Konzert in gewohnter Routine
eben alles professionelle Amateure
liebenswürdig und tolerant
Und dennoch waren sie für Sekunden zu einem Mord bereit
Nicht unerwähnt soll bleiben
dass der Erlös der Veranstaltung
an die Heimstätte für allein erziehende Mütter geht

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.10.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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