Elvira Hermans

Osterstreik aus „Familie Lohnkötter"

Eilig lief Petra die untere Promenade entlang. Der Himmel über ihr ließ die Sonne zwischen den Wölkchen genau dorthin strahlen, wo triste Hinterhöfe nun einen fast malerischen Anblick boten und das Unkraut am Rand des Fabrikgeländes sich mutig in den Vorfrühling reckte.
Doch Petra stand nicht der Sinn nach romantischen Betrachtungen. In Gedanken überschlug sie die zahlreichen Aufgaben, die ihr noch bevorstanden, möglichst gestern erledigt sein sollten. Und Torte backen durfte sie auch wieder, nachdem das bunte Creme-Objekt aus der Bäckerei im Ort am ersten Weihnachtstag nicht den verwöhnten Gaumen ihrer Anverwandtschaft genügt hatte. Pralinen und Marzipan-Eier stellte Petra schon lange nicht mehr her, sie entsorgte einfach die Umverpackung der Industrieprodukte im nächsten Müllcontainer und tat so als ob.
Petras Ableger und ihr Mann Albrecht waren, was die Zelebrierung von Feiertagen anging, etwas heikel, um nicht zu sagen, bis ins Mark konservativ. Und an Petra hing die ganze Organisation, lediglich das Eier-Verstecken blieb ihr diesmal erspart. Seit Albrecht sich letztes Jahr mit Wucht in die Sofaecke geworfen hatte, wo ein Likörei auf den glücklichen Finder wartete, war die Gabardine-Hose ebenso hin, wie das Vertrauen in Mutters Fantasie, Ostereier in den richtigen Verstecken zu deponieren.
Seufzend betrat Petra nach diesen Gedanken die Parfümerie. Noch vier Kleinigkeiten für die Verwandten, dann schnell heimwärts, dachte sie und sah nach, ob der elende Lieblingsduft von Tante Hertha nicht schon den Weg überalterter Konsumgüter gegangen war und ein einfühlsamer Duft-Hersteller das Produkt für „die frische Note bei Kaffeefahrten“ aus dem Programm seiner Machwerke gestrichen hatte.
Auf dem Heimweg betrachtete Petra sehnsüchtig die Oster-Angebote im Schaufenster des Reisebüros, sah sich im eleganten Hotel Delikatessen verspeisen, für deren Herstellung am Herd sie nicht zuständig war. Und erst das teure Geschirr, spülmaschinenfest und jemand anderes kratzt die Reste von den Tellern. Betten, frisch bezogen und kein Stäubchen wird anklagend von Tante Hertha in einer Ecke aufgespürt.
Überhaupt musste sie sich endlich kümmern, was Karfreitag, Ostersonntag und am Zweiten auf den Tisch kommen sollte. Bei solchen Mengen an Lebensmitteln, fünf Stunden Küchendienst am Tag und den zahlreichen Besuchern, die von Opa, Oma und Tante Hertha angeschleppt wurden, sank ihre Laune in die tiefsten Kellergewölbe.
Die Vergnügungssucht ihrer Verwandtschaft kannte keine Grenzen, wenn es um Festivitäten ging, bei denen Mahlzeiten auf den Tisch kamen, die sie nicht selbst kochen mussten. Um all die Köstlichkeiten auch professionell zubereiten zu können, hatten Albrecht und die Kinder ihr in den letzten Jahren ein wahres Paradies an Haushalsgeräten geschenkt. Nun ist Petra in der Lage, die Pommes schräg im Fett routieren zu sehen, kann fünf Bleche Kuchen gleichzeitig backen und ihr Kaffe bleibt laut Beschreibung in einer Designer-Kanne sechs Wochen heiß, in Wirklichkeit zwanzig Minuten. Neuerdings besitzt Petra in ihrer Küche ein Bücherregal, nicht für Kochbücher, sondern für diverse Gebrauchsanleitungen. Genannt „Instructions“ nehmen sie soviel Platz weg wie ein Universallexikon.
Dabei fällt Petra ein, dass sie als Gastgeschenk für ihre Mühen immer, aber auch IMMER ein halbes Duzend halbleinene Trockentücher von Tante Ilse bekommt, seit ihren elften Lebensjahr schon und damals mit einer Heintje-Platte als Zugabe.
Schon Karfreitag wird Oma mit Tante Ilse im Schlepp aufkreuzen, es ist seit Kriegsende der Familientag bei Hansmanns. Früher hatte Oma noch selbst diesen fragwürdigen Klatsch- und Zanktag beköstigt, aber der Dackel von Tante Hermine war über Hansi, Omas heißgeliebteb Wellensittich hergefallen und hatte ihr die Freude am Ausrichten der Familientradition vergällt. Petra wurde im Hinblick auf das Hinscheiden Hansis und Omas daraus resultierender Unfähigkeit, noch den Kuchen zu kredenzen kurzerhand von der Trauergesellschaft überfallen und dabei blieb es dann. Nun sitzen sie jedes Jahr auf dem Sofa oder am Esstisch, die ganze Rentnerband, spachteln jeweils drei Mahlzeiten und die Herren nehmen die Bierflaschen mit in Albrechts Arbeitszimmer, um ungestört vom Weibergewäsch über Fußball und Politik zu diskutieren. Während die Damen halbherzig rufen, ob sie denn helfen sollen, treibt Petra die Spülmaschine zu Höchstleistungen an, wäscht das Goldrand-Geschirr ab und bringt die Küche für den nächsten Arbeitsgang auf Vordermann. Likörchen verteilt sie im Vorbeilaufen, scheucht die Kinder in ihre Zimmer, weil sie laut murren und deckt schon mal den Tisch für den Kartoffelsalat mit Kassler, auf den Oma besteht.
So vergehen die Feiertage, dachte Petra auf dem Heimweg. Im Hinblick auf die zu erwartende Arbeit kommen Rachegedanken auf.
Am nächsten Morgen klebt ein Zettel am Kühlschrank: „Meine Lieben! Ich STREIKE! Ich habe mich entschlossen, das Feiertags-Restaurant für immer zu schließen. Nehmt die Verwandtschaft doch zum Griechen mit, falls der nicht auch geschlossen ist. Ansonsten steht das Essen im Kochbuch auf Seite 345. Auch habe ich kein Fenster geputzt und kein Ei bemalt. Ich bin nämlich um fünf Uhr heute morgen mit dem Zug in den Harz gereist. Meine Adresse findet ihr auf dem Wohnzimmertisch. Ihr könnt nachkommen, wenn ihr mögt, aber ohne Tanten und Oma. Und denkt bitte daran, dass ihr in diesem Fall Euren Krempel mal selbst packen müsst. Bin gespannt.“

Die Familie Lohnkötter hat in 80 Kurzgeschichten wöchentlich die Leser einer Zeitung amüsiert, bei einer Auflage von 58 000. Im Juni 2000 ließ ich die Familie "sterben", um für ein anderes Blatt zu arbeiten. Seitdem verfasse ich nur noch selten Kurzgeschichten und hatte eigentlich immer den Plan, die Lohnkötters mal in einem Buch aufleben zu lassen. Im Moment allerdings schreibe ich einen humoristischen Roman, für den ich hoffentlich im kommenden Jahr das letzte Kapitel vervollständigt habe. Einen Verlag dazu gibt es noch nicht.Elvira Hermans, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.02.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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