Reimund Schön

Protokoll

Er möchte weder klagen,
noch anklagen.
Wurde geboren in eine nicht ganz heile Welt.
Vater war Gleisbauer und Aktivist.
Mutter kam aus einer deutschen Siedlung
im wunderschönen Siebenbürgen.
Heimisch wurde sie in Deutschland nie.
Hat er diese Heimatlosigkeit geerbt?Vielleicht?
***********
Neun Jahre alt war er damals im Jahr 64.
Zwei Brüder hatte er.
Wolfgang war 18, zu ihm schaute er liebevoll auf.
Wolfgang hatte einen anderen Vater,
doch das wußte er damals noch nicht.
Rudi war vier Jahre jünger,das Nesthäckchen.
************
Sein Vater war ein schlagender Alkoholiker...
Die Mutter Hausfrau und manisch-depressiv?
Nur Vermutungen,zu wenig weiß er darüber.
Wolfgang stand der Mutter schützend zur Seite.
Eine Spirale aus Liebe,Sucht und Gewalt.
Die Kinder war dem hilflos ausgesetzt.
Er möchte weder klagen,noch anklagen.
**************
Dann kam jene verhängnisvolle Woche im August.
Wolfgang verunglückte tötlich auf dem Bau.
Er beobachtete die Zwei Männer,
welche lange auf dem Hof verharrten,
auf und abgingen,bevor sie die Nachricht der Mutter überbrachten.
Schreie,Wehklagen,blutige Arbeitssachen mit Erbrochenem.
Grausam kann das Leben sein.
***************
Nun wollte er der Mutter schützend zur Seite stehn.
Er war gerade mal neun.
Verlustschmerz,Beerdigung,Trunkenheit,Schläge...Ohnmacht!
Die Spirale aus Liebe,Sucht und Gewalt,eskalierte Freitagnacht.
Betrunkener Vater schlug die Mutter,vor seinen Augen.
Er weinte hilflos,schloß die Augen und wünschte es wäre nicht wahr
und schlief wohl ein.
*******************
Am Samstagmorgen fand er seinen Vater im Bett,
dessen Körper war blau und leblos.
Er suchte die Mutter und fand sie schließlich auf dem Dachboden.
Entstellt...Erhängte sehen nicht schön aus.
Doch diese Bilder waren lange verschüttet,kamen erst nach über
vierzig Jahren zurück.
Liebe,Sucht,Gewalt und die Opfer sind die Kinder.
Quälende Fragen der Polizei und er versuchte für seine Eltern zu lügen.
Sein Wunsch von der heilen Familie,führte Regie.
*****************
Er nahm seinen kleinen Bruder an die Hand und ging.
Mit neun mußte er ein Stück Erwachsen sein.
Unendlich viele Nächte weinte er sich in den Schlaf.
Unendlich viele male erwachte er und vermisste die Mutter,
immer wieder von neuem.Vom kleinen Bruder getrennt.
Er stotterte seid dem,malte Hakenkreuze an die Hauswände,
denn darauf erfuhr er Reaktion,durch die Tränen weniger.
Jeden Sonntag durfte er seinen Bruder im anderen Waisenheim besuchen.
Er nahm ihn an die Hand und ging mit ihm durch den Wald.
***************
Elf Jahre verbrachte er im Kinderheim und suchte oft ein wenig Einsamkeit.
Es war eine schöne Zeit,nur die Mutterliebe fehlte gar so sehr.
Sein Stottern verging,doch oft überfiel ihn tiefe Resignation und Traurigkeit.
Dann Zeiten des Überschwangs und Überaktivität.
Die Anfänge der manischen Depression,worüber man damals wenig wußte,
völlig unbemerkt.
Er lernte im Heim die Liebe seines Lebens kennen.
Endlich Liebe,so sehr und solange vermisst.
************
Ein eigenes Heim!Die ersten Nächte auf der Luftmatraze verbracht.
Sehr bescheiden,Klo auf dem Hof,Wasser mußte erst in die Wohnung
verlegt werden.Ein Waschbecken in der Küche,mußte genügen.Eiskalte
Winternächte,mit gefrorenem Bettzeug.
Ein Kachelofen reichte nicht für die ganze Wohnung.Heisse Sommernächte,
wahrlich schweißtreibend.Sie waren glücklich und verliebt.
Das Produkt ihrer Liebe wurde geboren,eine hübsche Tochter.
Die gefundende Liebe gleich zu teilen war nicht ganz leicht.
*************
Da war sie aber noch die tiefe Traurigkeit und Angst.Alkohol wurde
rasch zur Sucht.Er vermochte nie damit umzugehen.
Getrunken wurde überall,gehört halt zum guten Ton.
Er war fast ein Spiegelbild seines Vater,doch geschlagen hatte er nie.
Doch die Sucht drohte die Ehe zu zerstören.
“Ich laß mich scheiden wenn du nicht zum Arzt gehst“
Er spürte,daß es keine leeren Worte waren.
Die Hoffnung,das der Arzt sagen würde er wäre nicht alkoholabhängig,
erfüllte sich nicht.
***********
Eine unglaublich schwere Zeit des Entzugs folgte.
Er schaffte es,wurde trocken.Besser ging es ihm nicht.Manische Depression,
Angstzustände,Schwermut im Wechsel zu Hochgefühl und Leichtigkeit.
Terapie mit Psychopharmaka,mehr und mehr.Lithium,Faustan.....und und
eine neue Spirale der Sucht,halt nur auf Rezept.
Seine Zunge wurde schwer wie Blei,er war nur noch ein Häuflein Elend.
Er überlebte mit so viel Glück sowohl den Sprung aus dem vierten
Obergeschoß,mit Trümmerfrakturen der Lendenwirbel,als auch die
Überdosis an Schlaftabletten.
Der Tod klopfte an seine Tür.Er erlebte den Beinahtod.
**********
Inzwischen ist der Opa geworden.Sein Enkel gibt ihm viel Kraft.
Er nimmt seid ein paar Jahren,keine Psychopharmaka mehr ein.
Schafft es auch so mit den Depressionen fertig zu werden.
Es ist wahrlich nicht leicht.In ein paar Monaten ist er seit 20 Jahren trocken.
Er ist seit 28 Jahren verheiratet,ohne die Liebe und Hilfe seiner Frau,seiner
Familie hätte er es nicht geschafft.
**********
Er möchte weder klagen
noch anklagen.
Er ist dankbar für alle Liebe die ihm zuteil wurde und wird.Dankbar
seinen Freunden die ihn selbstbewußter gemacht haben.
Er liebt das Leben,jeden neuen Tag.
Auch wenn er oft ein wenig müde ist.
Er ist manisch-depressiv...na und












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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.11.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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