Sepp Grünberger

A Neue für mich


Da liegt sie nun ganz traurig vor mir auf dem Kanapee und schaut mich trübselig an. Irgend-wie ist sie alt geworden, uninteressant. Ihr Outfit ist nicht mehr in. Lange Jahre hat sie mich erotisch umschlungen, mich in Millionen von Sekunden liebevoll umfasst, meine Männlich-keit stolz umgarnt. Sie ist mit mir durch dick und dünn gegangen - und jetzt?
Es ist aus! Die Zeit hat sich geändert, ich brauche unbedingt eine Neue! Ich kann mich nur noch schlecht mit ihr in der Öffentlichkeit zeigen. Die Zeiten ändern sich und mit den Zeiten ändern sich auch die Anziehungen. So ist halt unser Leben!
Frauen wechseln den Statistiken zufolge noch viel öfter als die Männer, sie brauchen ständig einen Neuen, einen, der sie innerlich liebevoll umgarnt, einen, der sie äußerlich wunderbar erwärmt, einen der sie öffentlich jugendfroh und neu präsentiert. Warum soll ich mir da jetzt große Sorgen machen, wenn ich meinen alten Schwarm, der gerade völlig abgehalftert auf dem Kanapee vor mich hinduselt, nicht mehr in engster Verbundenheit genießen will, wenn ich mich nach den vielen gemeinsamen Jahren endgültig von ihr trennen will?
„Es tut mir leid,“ flüstere ich gefühlvoll und leise und streichle ihr zärtlich und liebevoll über den Oberschenkel. „Schade, dass es jetzt so weit ist, dass wir uns endgültig trennen müssen. Die Zeit ist ihren Weg gegangen und irgendwann einmal geht das Leben auseinander, auch wenn es uns beiden wahnsinnig schwer fällt. Aber so ist halt das Schicksal auf dieser Welt, nichts kann für ewig bleiben. Darum müssen wir beide uns trennen, leider!“
Da ist mir im Kopf, als ob sie beschwörend mir zuflüstert: „Ich hab dich doch jahrelang treu und liebevoll begleitet. Keine Feier, keine Einladung, keine Urlaubsreise hast du ohne mich gemacht. Habe ich dich jemals im Stich gelassen? Ich habe mich immer an deinen Schritt ge-schmiegt, habe deine Taille sanft und harmonisch umgarnt, auch wenn dein Bäuchlein mit dem Alter immer umfangreicher geworden ist. Ich habe deine Oberschenkel sanft gestreichelt und deinen Hintern stramm und anschmiegsam befasst. Wir könnten doch noch eine schöne Zeit miteinander verbringen, uns liebevoll umkosen, unsere Vereinigung wäre doch noch da!“
Ich schau sie traurig an, gedemütigt - und schäme mich fast. Männer trennen sich meist doch nur ungern, verkrümeln sich in ihr Weltbild, weisen eine treue Anhänglichkeit vor und tragen ihre Liebste auf Händen. Ich flüstere zögernd: „Du bist zwar ein hervorragendes Stück, ein wunderbarer Klassiker, hast mich bei meiner Arbeit stets treu begleitet und unterstützt, hast mir viel Freude bereitet, hast mich liebevoll umgarnt. Aber mit der Zeit bist du ein bisschen schäbig geworden, ein wenig zu alt und unmodern für mich. Ich habe dich nur deswegen so lange behalten, weil du so charmant und aufopferungsvoll zu mir warst. Aber jetzt habe ich keine Lust mehr auf dich. Ich brauche endlich eine Neue, eine Jüngere, Modernere, eine, mit der ich mich so richtig neu verbunden in der Öffentlichkeit zeigen kann!“
Silbrig glänzen ihre Tränen an der Vorderseite, ihr Schlitz ist grau meliert, ihr Hinterteil zeigt gespannte Nähte um des Umfangs willen, ihre Oberschenkel tauchen gebleicht vor meinen Augen auf. Wenn ich jetzt endlich eine Neue finde, wenn sie mir passt wie angegossen, wenn ihr Outfit stimmt und ihr Teint sie modisch neu kreiert, wenn sie mich unverwechselbar ele-gant vor den anderen präsentiert, wenn ich mit ihr charmant und bequem durch die Zeit und die Welt traben kann, dann ist die Sache gelaufen, die Situation gelöst, das Leben neu gefun-den.
Dann werde ich mit meiner Neuen vollkommen elegant auftreten, werde schick mit ihr feiern, werde sie anziehen zur Arbeit, zum Bummeln und zum Spazierengehen und auch daheim auf dem Kanapee - sie, meine niegel-nagel-neue Jeanshose.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.11.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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