Die schlanke, wohlgeformte Männerhand berührt zärtlich ihr Gesicht, streichelt erst ihre Wange, dann ihr Haar und fasst vollkommen unerwartet fest zu: “Sag die Wahrheit, Du hast sie vorsätzlich mit der Schneiderschere erstochen, oder?“
“Pah Schneiderschere“ äfft Caroline die Stimme der Schauspielerin im Fernsehen nach. “Eine Friseurschere hätte es auch getan... Apropos, mein Lieber, wir haben zunehmenden Mond!“
Verblüfft sehe ich erst zu Caroline, dann zu unserer gemeinsamen Freundin Maria-Teresa hinüber. Um mein fragend-ratloses Gesicht ein wenig zu erhellen, beginnt Maria-Teresa wie ein Wasserfall loszuplappern. “Zunehmender Mond ist die beste Voraussetzung die gegeben ist, um Haare zu schneiden. Denn dann wachsen sie besonders üppig nach. Außerdem bietet sich für Männer besonders die Zeit von Löwe und Jungfrau an, um Haare zu schneiden.“
Über meine Mundwinkel breitet sich ein genüßliches Lächeln aus. “Der neue Friseur neben Susannes Boutique hat eine ganz junge, sehr attraktive Friseuse, vielleicht ist die sogar Jungfrau...“
Carolines Augen funkeln als ob gleich Lava aus ihnen schießen würde. “Und ich bin Sternzeichen Löwe, schon vergessen!!?“
Dreißig Sekunden später hat sie den Weg ins Bad und zurück bewältigt, steht mit einer Friseurschere vor mir und sagt: “Ausziehen.... alles, und zwar sofort! Oder willst Du nachher überall kleine Härchen in Deinen Klamotten wiederfinden?
“Da wächst ja ganz schön was bei Dir“ sagt Maria-Teresa, als ich nackt auf dem Küchenstuhl sitze und es mir gemütlich mache, während sie mir mit der Hand durchs Haar fährt. “So dichtes Haar haben die wenigsten Männer. Gute Voraussetzungen, um eine hervorragende Frisur hinzukriegen.“
Caroline hat sich die Utensilien bereitgelegt, die notwendig sind, damit ein überzeugender Haarschnitt hinzukriegen ist: Feiner Haarkamm, spezielle Friseurschere, ein Rasierapparat mit Langhaarschneider und möglichst ein großer Wandspiegel.
“Viele Friseure finden, daß Haare nass bessere Voraussetzungen bieten, um optimal schneiden zu können. Aber ich schneide sie dir heute mal trocken.“
Sie greift mir mit den Fingern in die Haare, so daß runde zwei Zentimeter zwischen ihren Fingern herauszuwachsen scheinen - und beginnt meine Haare zu schneiden. Dabei arbeitet sie sich systematisch von links zur Mitte, anschließend von rechts zur Mitte vor.
Währenddessen plappert Maria-Teresa, als ob dies für einen besonders guten Haarschnitt unabdingbar wäre über das Thema Frauenhaare im Vergleich zu Männerhaaren.
“Was glaubst Du, wie lange so ein Haar auf Deinem Kopf zu leben hat? Ich werde es Dir sagen: Sieben Jahre! Dabei wächst es in den ersten drei bis vier Jahren tagtäglich - im Schnitt zweieinhalb Millimeter pro Woche.
Würdest Du dir nie die Haare schneiden lassen, hättest Du irgendwann eine 50 Zentimeter lange Matte auf dem Kopf. Bei uns Frauen werden die Haare bis doppelt so lang!“
Während Caroline mit flinken Fingern Haarlängen prüft, mit dem Kamm sortiert und vermisst, mit der Schere korrigiert, nutze ich eine Atempause von Maria-Teresa, um zu ergänzen:
“Dabei wachsen Männerhaare schneller als die von euch Frauen. Außerdem ist dir sicher schon aufgefallen, daß Dein pechschwarzes Wollgeflecht in Sizilien schneller als hierzulande wächst. Warmes Wetter regt das Wachstum an.“
“Wichtig ist es beim Haareschneiden“ schaltet sich Caroline wieder ein, daß je mehr Du dich in Richtung Nacken vorarbeitest, Du die Haare kürzer schneidest. Und den Nacken ordentlich in gerader Linie mit dem Langhaarschneider des Rasierers verputzt“ klingt unter meinen Beinen Maria-Teresas Stimme hervor.
“Was treibst Du denn da unten?“ frage ich sichtlich amüsiert, ob des Blickwinkels, den unsere sizilianische Schönheit im Augenblick hat.
“Deine bunte Mischung aus grauen und braunen Haaren vom Boden wegkehren“ sagt Maria-Teresa lakonisch.
“So fertig!“ sagt die melodische Stimme von Caroline und hält zugleich einen großen Frisierspiegel vor mich.
“Mmhhh, sieht ja super aus...“ setze ich gerade an, als Maria-Teresa sich wieder rhetorisches Land erkämpft.
“Oh nein, fertig bist DU noch nicht! Jetzt rasieren wir Dir noch DIE Haare hier ab...“
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.11.2004.
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