Andre Kiesler

Das Schiff


Mit meinem Wrack zu neuen Ufern.


Halt mich fest, doch lass mich los. Ich finde Frieden bei dir und doch verliere ich die Ruhe in mir. Nichts ist mir wichtiger als alles das, was dich berührt und ich gebe mich hin allem, was dich bewegt. Deine Freude im Augenblick unseres Gleichklanges ist mein Geschenk an dich. Und doch fühle ich mich wie ein Stück Treibholz, das auf ruhiger See vor dem Ufer deiner Insel der Glückseeligkeit dümpelt und es fehlt Wind, welcher es bis an den Strand trägt.

Die Zeit steht still und die Tristesse des Alltäglichen wird aufgebrochen durch Träume und das Spielen meiner Gedanken. Ich lasse dich teilhaben und träume für dich in all den Farben, mit welchen die aufgehende Sonne unsere Welt berührt. Wenn die Sonne im Zenit steht, spiele ich im Schatten deines Baumes Melodien für dich.
Du bewegst dich mit all deiner Anmut und der Schatten folgt deinem Tanz. Wir gehen ein Stück mit der Sonne, deren beschauliche Strahlen uns erleuchten, wenn sie wie ein roter Feuerball am Horizont untergeht und das Drama unserer eigenen Vergänglichkeit offenbart, wenn sie uns im Anblick der Schöpfung zur tiefen Demut bewegt und wir in Ehrfurcht die Erde mit unseren Lippen berühren.

Nehme dich mit in die Dunkelheit bis in die Tiefe der Nacht, wandele mit dir unter den Sternen, fliegen in die Weite des Universums. Ich ruhe bei dir und du findest Ruhe in mir. Erzähle mir aus deiner Welt und ich zeige dir Farben in der Schwärze der Nacht.

Der tobende Ozean des Lebens trug mich als Schiffbrüchigen zu dir. Ich konnte verweilen, bis sich die Wasser beruhigten. Die erste Brise des Zweifels lässt die Wellen ansteigen und du bemerkst nichts von meiner Unruhe, als die ersten sich am Riff brechen. Während mein Blick sich schon in die Ferne ausrichtet, zeigst du ein
immerwährendes Lächeln als Ausdruck stiller Freude. Nichts von dem, was mich bewegt und antreibt, lässt sich in Worte fassen.
Du weißt nicht, dass das, was an mir sichtbar ist, ein Fragment jenes Schiffes darstellt, das in der tobenden See zerschmettert wurde und als Wrack in den Weiten des Ozeans treibt. Es ist nur deshalb noch nicht untergegangen, weil es noch von der Leichtigkeit der Liebe getragen wird, welche meine Seele wie in einen Schwamm aufgesogen hat und als Ladung im Inneren seines Rumpfes mit sich trägt auf dem Weg zur Insel der Melancholie.
Meine Entscheidung ist getroffen. Ein kleiner Gedanke aus der Vergangenheit hat sich wie ein Virus in meinem Bewusstsein ausgebreitet und fesselt mich. Es ist die Vorstellung, als kehre ich zurück in mich selbst, um Abschied zu nehmen. Ich verlasse die Insel der Glückseeligkeit, steige in das Boot des Wahnsinns und rudere dem Wrack zu, das den Namen Sehnsucht trägt. Mit meinem Schiff will ich mich in den Weiten des Ozeans verlieren und durch meine Welt segeln. Ich werde durch die Flaute der Niederungen kreuzen, mich der Besinnungslosigkeit ausliefern und erfahren, dass es den Tag danach noch gibt. Mit den schweren Gewittern des Glückspieles fordere ich meine Angst heraus, alles zu verlieren, nur weil ich vergessen möchte was sich nicht vergessen lässt. Die Erinnerung hat sich mit ihren Krallen in mich gebohrt, weil sie weiß, dass ich ihr Überleben bin.
Ich werde zu der Insel der alten Freundschaften kommen, in deren Häusern wir uns an Worten berauschten, sie mich als Freund verehrten und doch fürchteten. So blieb ich ein Fremder, gemacht aus der Furcht davor, es könnte sich in kurzer Zeit so vieles verändern, was sie verändern wollten und doch nicht konnten, weil sie sich an das klammerten, was ihnen vertraut schien. Wenn ich weiterziehe, werde ich wissen, dass ich nichts zurückgelassen habe als die Wehmut, welche zurückbleiben muss, denn ihre Last würde dieses Wrack zum Kentern bringen.

Ich habe meine Insel erreicht, wenn ich in diese Augen sehe. Wenn ein Blick nur mich in ihre innere Wahrheit führt, werde ich erkennen. Etwas, das ich aus der Erinnerung in mir trage, welche sich so sehr an mich krallt.
Ihre Unerträglichkeit überwand ich nur, weil ich meinen Verstand nicht verloren habe.
Es wird Stille herrschen und die Zeit ihre Endlichkeit erreichen. Jede Berührung wird eine Welle voller Wärme sein. Ich werde Musik hören, wo keine Musik spielt und ich werde selbst die Musik sein. Musik, nach welcher gefragt wird "Für wen machst du dieses Lied?".
Ich werde an die Stelle kommen, welche einem Schmetterling gleicht, der seine Flügel entfaltet. Meine Lippen werden sich zart an sie schmiegen. Ihr sanfter Druck wird mir Zeichen sein, zu trinken aus ihrem Schoß, welcher sich anheben und höher und höher kreisend an meine Lippen pressen wird. Meine Gier wird unstillbar sein. Es wird sein, als wäre mein Saugen von der Hoffnung getrieben, Teil in ihr zu sein, der in der Stunde meiner Geburt zurückgeblieben ist und meine Unvollkommenheit besiegelt. All meine Kraft wird aus mir fließen, bis der Gedanke daran, dass es einen neuen Tag geben wird, sich meiner nicht mehr erschließt und es ewige Nacht wird in dem Augenblick, wenn sie mein Leben in sich trägt.

Erst dann werde ich angekommen sein und meine Erinnerung daran, dass einmal eine Zeit davor war, wird sich verloren haben.

Andre Kiesler 21.12.2004 (c)

Diese Kurzgeschichte, beschreibt das gelebte einer
Beziehung, begleitet von meiner Sehnsucht in tiefere
Gefühle, die mir im Augenblick des Seienden verschlossen bleibt. Der Blick in das Vergangene
offenbahrt die Trostlosigkeit des nicht Wiederkehrenden. Bleibt nur das immer Gegenwärtige Alte welches einer einstürzenden Brücke gleicht, in dessen Mitte ich verharre bis diese eintürtzt und
mich den Fluten hingebe kann, ohne einen Gedanken daran, was im Danach sein wird.

Andre Kiesler

Andre Kiesler, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.12.2004. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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