Andre Kiesler

Zur Chorprobe

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Was tust du dir gerade an, denke ich, als ich in der Dunkelheit um das Gemeindehaus lief. Bei der Kälte bin ich doch schon krank, bis ich die Eingangstüre des Proberaumes erreicht habe. Und warum in aller Welt, habe ich versprochen – und wenn ich mir es genau betrachte, war es ein Versprecher. Ich habe mich versprochen als ich „Ja“ sagte, mich aber Ganz sicher daran erinnere „Nein“ gedacht zu haben. Eigentlich habe ich ja „Nein“ gesagt vielleicht wirklich nicht so ausgedrückt, aber wenn diese zwei Damen mir richtig zugehört hätten, müssten sie ein „Nein“ herausgehört haben. Sicher, ich habe einige mal ein „Ja“ gesagt an diesem Abend, aber die Damen -so gerissen wie ich von ihnen hingerissen, haben mir eine Frage untergeschoben, welche ich Außerhalb meiner bewußten Wahrnehmung mit „Ja“ beantwortet haben könnte.

Ich erinnere mich genau an das, was sie mir erzählten –an diesem Abend nach ihrem ersten Auftritt. Selbstverständlich hatte ich zwei oder drei Gläser -können auch drei gewesen sein, ich erinnere mich nicht so genau, getrunken als sie sagten: „Wir brauchen noch Männer.“ Bei welchem Mann kommt nicht eine Helle Freude auf und es bricht aus ihm heraus: „Ja, toll.“ „Wir brauchen dringend Verstärkung“, worauf ich bestimmt antwortete: „Ja, kann ich mir vorstellen“, das war ja so unübersichtlich mit diesen Fragen.

„Du kannst doch singen?“

„Ja doch“, ich rauche gerade wieder, singe im Augenblick eher weniger gut“.

„Was singst du? Tenor oder Bass?“

„Ja äh, hm, vielleicht mehr Tenor. Muss man bei euch vorsingen?“

„Nein, das braucht niemand.“

„Nein? Ja das ist schön.“

„Hast du am nächsten Donnerstag schon etwas vor?“

„Nein.“

„Ja toll, wir proben hier im Nebenraum um 20 Uhr.“

„Ja schön.“

„Du kommst?“

„Meint ihr Wirklich ich könnte das?“

„Ja, wir freuen uns. Dann bis Donnerstag.“

„Nein, wirklich?“

„Ja, bestimmt.“

Ich wusste nicht, ob ich an dieser Stelle schon drin war. Ich hatte das dumpfe Gefühl nicht mehr draußen zu sein und je näher dieser Donnerstag heranrückte, desto eigentlicher war ich drin, nur noch nicht dort. Noch eigentlicher war ich nicht drin, weil ich noch draußen war. Eigentlich hatte ich vorher genug Zeit darüber nachzudenken wo ich war, ob nun halb drin oder halb draußen und dass führte mich jetzt in einen Entscheidungskonflikt. Ich fragte eine Bekannte, welche an diesem Abend dabei war, wo ich bin. Diese jedoch, wusste auch nichts, würde aber ihre Bekannte fragen ob sie eine Ahnung davon hat, wo ich sein würde. Die Bekannte meiner Bekannten versprach mich anzurufen und sie wäre der Meinung ich bin drin und würde darauf warten, dass ich komme. Aha, denke ich und wundere mich nur noch. Ich soll also drin sein und kommen? Das muss einem wie mir erst einmal gesagt sein.

Jetzt eile ich hier zum Proberaum, bin quasi im Kommen und nur noch nicht drin. Der Haupteingang ist geschlossen und ich nehme einen Weg in die Richtung einer vermeintlich beleuchteten Seitentüre, welche ich beim näher herantreten als großes Fenster identifiziere eines Raumes zugehörig, in welchem eine Meute von Frauen im bekannten Bodyoutfit sich herquälen. Ja, so ein Mist denke ich, bevor ich hier noch als Spanner durchgehe, bin ich im gehen und draußen. Der Countdown läuft. Ich gebe mir noch 30 Sekunden in der Zeit, eine Hallenseite Fußweg und wenn dort nicht die Chorprobe läuft, bin ich endgültig draußen. Rede mich danach heraus mit: Komme beim nächsten mal, oder wahrscheinlich erst nach dem ersten Advent oder nach dem Zweiten vielleicht, bestimmt zur Weihnachtsfeier aber spätestens gleich im Neuen Jahr. Irgendwann demnächst auf jeden Fall. Ich nenne das: “Meine große Zeitdehnung.“

Ich bin angekommen und auch rein und nach der Probe gleich die dicke Feier mit dem gesamten Chor. Damit sich die Diskussion über meine Person in Grenzen hält, blieb ich bis zuletzt und hakte einer Sängerin unter, welche sich zu später Stunde unsicher auf ihren Beinen hielt.

Andre Kiesler 19.11.2004 ©











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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.01.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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