Rudi Bachmann-Voelkel

Ich möchte heim

Ich saß im Interregio von Meppen nach Frankfurt, fühlte mich nicht wohl. Das hatte mehrere Gründe. Einer davon war die Erfahrung des Findens und Verlierenmüssens. Ich war auf der Heimreise, verbrachte ein Wochenende an der Ems.                    Peter hatte mich eingeladen. Ich lernte ihn einige Wochen zuvor anlässlich der Emder Autorentage kennen. Auch Kathleen, seine Frau, hatte ich dort kennen gelernt. Peter, fast doppelt so alt wie ich, beeindruckte mich von Anfang an aufgrund seines Wesens, das, so meine Gedanken, in Worte zu fassen schwer fallen würde. Gefühle waren es eben, unausgesprochene, die uns verbanden, möglicherweise sogar aneinander fesselten? Die Zukunft würde es zeigen.                                     Wir hatten in Emden nur kurz miteinander gesprochen und doch ..... Ja, irgend etwas geschah in diesen Momenten unseres Sichmitteilens.                                             Nun hatte ich ihn besucht und viel zu schnell wieder verlassen müssen. Ich war in der Blockhütte an der Ems, dem Ulenhus, untergebracht, von deren Terrasse aus ich die vorbeifahrenden Last-und Personenschiffe sehen konnte.                                Fast die ganze Zeit meines Dortseins hielt ich mich auf dieser Terrasse auf. Frühmorgens, wenn die Sonne ganz langsam das taunasse Gras in silberne Staniolstreifen verwandelte und das melodische Zwitschern der unsichtbaren Vögel erklang. Mittags, wenn sie in goldfarbenen Gespinsten die Blätter der Eichen am Emsufer aneinander zu ketten schien und abends, wenn ich mich mit Peter und Kathleen unterhielt und die Sonne, nun hinter dem Haus, den Himmel rot färbte.  Auch hier wieder waren es nur wenige Sätze und Worte, die wir wechselten. Verstehen ohne Worte.                                                                                              In den Stunden, da sie mich mir selbst überließen, trugen mich meine Gedanken meist weit weg. Die Ruhe tat mir gut. Das Sichgehen- und Loslassen.                  Peter war, das spürte ich, ein Visionär. Einer, der seine Antworten nicht da suchte, wo es etwas zu fassen, zu sehen und zu begreifen gab. So wie ich, glaubte Peter an ein Geheimnis jenseits dessen, was Menschen jemals erforschen und sich in ihren kühnsten Gedanken vorstellen konnten. Das war wohl jener Funke, der, unbewusst, zwischen uns übergesprungen war.                                                          Erdenvisionen? Kaum! Träumerische Irritationen? Nein! Dazu hatten wir zuviele reale Schläge einstecken müssen, die uns auf der Erde festhielten, uns das Erdendarsein tagtäglich bewusst machten.                                                                                  Auch befand sich tief in unseren Herzen ein noch immer nicht verlöschen wollendes Hoffnungsfeuer. Ein Licht der stillen Freude.                                                       Welche Vision war es nun aber, die uns vereinte? Das Wissen um den nur kurzen Hauch unseres irdischen Daseins, verbunden mit dem Traum einer anschließenden Reise in die Unendlichkeit des Universums? Das Wissen, dass das, was uns prägt, unsere Seele, im Suchen nach ihrem Ursprung nicht zur Ruhe kommen wird und wir doch immer weiter suchen würden? Suchen müssen? Im fast zur Sucht werdenden Traum doch noch einen ruhenden Pol zu finden? Wo immer dieser auch sei?           Für einen Moment glaubte ich, der Zug fuhr gerade durch Recklinghausen, die Stimme von Peter zu hören: “Ich möchte heim“.

© rudi günther bachmann-voelkel

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