Sandra Geissler

TAUCHGANG

- eine Bildergeschichte -

Die Beziehung zwischen zwei Menschen ist wie ein Tauchgang.
Das Eintauchen in eine unbekannte Welt.
Wie eine Expedition in die Persönlichkeit des anderen.


- eintauchen -

Welche Tiefen dabei erkundet werden, ist allerdings doch sehr unterschiedlich. So trauen sich die einen nicht sehr weit unter die sichere Oberfläche. Sie schnorcheln ein wenig hin und her, sehen sich verzückt ein paar der Fische an, die bis ans Ufer kommen und nehmen eine kleine Muschel als Erinnerung mit nach Hause. Andere zieht es unweigerlich in die verborgenen Tiefen des Ozeans, hin zu den unerforschten Riffen der Meere, den Gefahren trotzend Vielfalt und Schönheit der Natur zu erkunden.

Welche Gegenden du erforschen möchtest und wie tief du eintauchst, das bleibt dir ganz allein überlassen. Welche Seiten der See möchtest du kennenlernen? Welche Riffe erkunden? Wie schnell willst du den Grund erreichen? Entscheide selbst. Du musst dich ja nicht gleich den Tiefseetauchern anschließen. Lass es langsam angehen, wenn dir das Risiko zu hoch erscheint. So kannst du von Mal zu Mal ein kleines bisschen mehr Tiefe wagen.

Voraussetzung ist natürlich, dass du überhaupt tauchen möchtest. Bist du bereit für die dunkle und geheimnisvolle Welt der Tiefe? Wer nicht tauchen will, den kann man auch nicht dazu zwingen. Aber wer sich dafür entscheidet ins kalte Wasser zu springen, gut gerüstet und neugierig geworden, der darf mit eigenen Augen eine andere Welt sehen und gleichsam die eigene Welt mit anderen Augen.

Verschließt euch nicht den unvergesslichen Eindrücken der Tiefe. Öffnet euch der unbeschriebenen Faszination, die das Leben uns bietet. Die Landschaft endet nicht am Ufer. Das Offensichtliche ist nicht allein. Es gibt eine Welt jenseits der unseren, jenseits der sichtbaren Berge und Täler. Eine Welt, die im Dunkeln liegt und darauf wartet erkundet zu werden.
Bedeutsam, bereichernd und atemberaubend schön.


- Leben im Wasser -

Die Lebewesen unter Wasser sind so unglaublich vielfältig, dass man sie nicht wirklich allgemein beschreiben kann. Abwechslungsreich wie das Leben selbst. Außergewöhnlichen, Aufsehen erregenden Geschöpfen begegnet man ebenso wie den ganz alltäglichen, unscheinbar anmutenden Wesen. Große wie kleine. Bunte und einfarbige. Schön oder abstoßend. Die Natur ist grenzenlos. Manche sind harmlos und absolut friedlich, andere dagegen wirken äußerst bedrohlich. Und während sich einige fast schon aufdrängen, gibt es auch die, die eher vorsichtig und zurückhaltend bleiben.
Fest verankerte Pflanzen oder frei umherschwimmende Tiere, jede Kreatur ist einzigartig, auf ihre ureigenste Art faszinierend und jede für sich ein kleines Mosaiksteinchen, das seinen Teil beiträgt zu einem ganzheitlichen Bild des Meeres.

In jedem Fall sollte sich ein Taucher immer vor Augen halten, was ihn alles erwarten könnte. Sich selbst erforschend fragen, in welchen Regionen er sich zu tauchen zutraut und ob er in der Lage ist sich in dieser unbekannten Welt angemessen zu verhalten. Denn letztlich wird er immer nur Gast in einem fremden Hause sein und man sollte nie versäumen den Bewohnern den Respekt entgegenzubringen, den sie verdienen. Auch darf man sich nicht abschrecken lassen von den dunkleren und unberechenbaren Elementen der See. Gerade sie sind von unschätzbarem Wert für jeden, der die Zusammenhänge zu begreifen versucht.

Vor allem sind es wohl die Wesen, deren Schönheit vollendet erscheint, die den Taucher immer wieder in die Tiefe ziehen um sich von ihrer unvergleichlich schillernden Gestalt verzaubern zu lassen. Hat man sie einmal nur gesehen, kann man sich ihrer Anziehungskraft kaum noch entziehen. Das Wissen um ihre Existenz nährt unaufhaltsam den Wunsch ihnen erneut zu begegnen. Anmutige, farbenfrohe Wesen, kunterbunt leuchtend, in allen nur erdenklichen Variationen. Ihr Liebreiz und ihre Originalität ziehen den Taucher in einen magischen Bann aus Faszination, Ergriffenheit und der tief empfundenen Dankbarkeit, dieses Wunder der Schöpfung kennen lernen zu dürfen. Nicht selten entdeckt man Geschöpfe, von denen man sich nicht einmal hätte vorstellen können, dass sie überhaupt existieren. Tief bewegt nimmt man all die Einzigartigkeit in sich auf und verfällt nur zu schnell einer anregenden Begeisterung.

Viele dieser Wesen sind friedlich und zutraulich. Fast könnte man denken, sie genießen die Aufmerksamkeit, die ihnen entgegengebracht wird. Unbeirrt schwimmen sie durch ihr Reich, zeigen sie sich von allen Seiten und spüren instinktiv, dass ihnen keine Gefahr droht. Doch es gibt auch solche, die sich nicht einfach so betrachten lassen. All ihre Sinne sind darauf ausgerichtet, jedem nur möglichen Risiko aus dem Weg zu gehen. Lautlos verschwinden sie in der Unsichtbarkeit. Gut getarnt, perfekt an ihre Umgebung angepasst und kaum ausfindig zu machen so lange sie in deren Schutz verharren. Auch wenn man weiß, dass sie da sind, entziehen sie sich nur zu leicht dem oberflächlichen Blick des Betrachters. Reglos warten sie in ihrem Versteck, bis die vermeintliche Gefahr überstanden scheint. Es braucht schon viel Geduld und ein geübtes Wahrnehmungsvermögen sie ausfindig zu machen. Gerade deshalb sind sie eine ganz besondere Herausforderung für all diejenigen, die das ganze Bild sehen möchten.

Andere sind vielleicht leichter zu erkennen und doch so überaus scheu, dass man sie nur zu schnell vertreibt. Schreckt man sie auf, ergreifen sie die Flucht, immer auf ihre Sicherheit bedacht. Und noch bevor man wirklich registriert, dass man sie gesehen hat, sind sie in der schützenden Dunkelheit verschwunden. Möchte man diese zarten, sensiblen Geschöpfe kennenlernen, darf man sich ihnen nur ganz langsam und behutsam nähern, sollte hektische Bewegungen vermeiden und muss ihnen das Gefühl von Geborgenheit vermitteln. Nur so können sie genügend Vertrauen fassen, sich auch im Licht zu zeigen.

Man darf auch niemals vergessen, dass es ebenso Kreaturen gibt, die den Taucher selbst in Angst und Schrecken versetzen. Sie werden leicht zu einer unberechenbaren Gefahr für jeden, der rücksichtslos in ihren Lebensraum eindringt. Gerade in den dunklen Tiefen des Ozeans ist es wichtig zu wissen, wer dort leben könnte, um sich nicht plötzlich Auge in Auge mit einem Wesen wiederzufinden, auf das man nicht vorbereitet ist und das seinerseits nicht gerne gestört wird. Wer weiß vielleicht musste es lange Zeit ohne Nahrung auskommen und ein unvorsichtiger Taucher wäre da ein gefundenes Fressen. In jedem Fall wird es aggressiv reagieren, wenn man es nicht so behandelt wie es behandelt werden möchte, wenn man es überrascht oder gar bedrängt. Die Angst des Gegenübers kann es spüren und seine Attacken sind brutal und rücksichtslos. Nur zu schnell trägt man Verletzungen davon, die vermeidbar gewesen wären. Einer solchen Begegnung sollte man gut vorbereitet entgegentreten, keinesfalls überstürzt. Naivität und Unbesonnenheit können leicht bleibende Schäden an Körper und Psyche hinterlassen. Bevor man sich ihm nähert, sollte man sich genügend Zeit nehmen dieses Tier aus einiger Entfernung zu beobachten. Seine Eigenarten und Wesenszüge kennen lernen, seine Gewohnheiten und Reaktionen. Fühlt man sich schließlich bereit ihm entgegenzutreten, dann stets unaufdringlich und zurückhaltend, mit der entsprechenden Aufmerksamkeit, Geduld und viel Einfühlungsvermögen und ohne sich von seiner Grausamkeit abschrecken zu lassen. Nur so kann man es studieren und verstehen.


- ein Plädoyer fürs Tauchen -

Ich kenne die Sätze der Menschen, die nicht gerne ins Wasser gehen:
Mir reicht die Welt hier oben voll und ganz! Und es interessiert mich auch gar nicht, was es da unten zu sehen gibt. Ich hab hier oben genügend schöne Plätzchen, die ich mir anschauen kann, da brauch ich nicht auch noch eine Unterwasserwelt. Ich kann sie mir ebenso gut auf Fotos ansehen. Das genügt mir absolut. Außerdem ist es ein ziemlich teueres Hobby und ganz ungefährlich ist es schließlich auch nicht. Am Ende sehe ich dann nicht mal eines von diesen ominösen Riffen. Vielleicht gibt es dort wo ich tauche gar keine farbenprächtigen Fische und keine schillernden Korallen. Vielleicht verheddere ich mich in dem moosbewachsenen Wrack eines Seeräuberschiffes, das hier vor Hunderten von Jahren dem Feind zum Opfer fiel. Und wer weiß, vielleicht ist diese ganze Sache mit der Unterwasserwelt auch nur eine ausgebuffte Idee der Tauchindustrie! Nein, auf so etwas lass ich mich gar nicht erst ein. Ich seh´ da keinen Sinn. Und ganz im Vertrauen: Ich bin auch kein wirklich sportlicher Mensch. Ich glaube ich hätte gar nicht genügend Kraft und Ausdauer. Nein. Das ist mir alles gerade viel zu anstrengend.

“Die größte Gefahr im Leben ist, dass man zu vorsichtig wird.“
Sicher, es gehört einiges dazu solch eine Expedition zu wagen. Das Unbekannte birgt Gefahr und ein Tauchgang ist so unberechenbar wie das Wetter. Wie sicher fühlst du dich da doch in der abgegrenzten, verlässlichen Wirklichkeit, die dir so vertraut ist, erforscht und greifbar. Vielen ist nicht einmal bewusst, dass fast zwei Drittel der Erde von Ozeanen bedeckt ist. Zwei Drittel unserer Welt liegen gut versteckt unter einer reflektierenden Wasseroberfläche und du solltest immer daran denken, dass es sie gibt. Können wir denn ohne sie die Ganzheit der Welt verstehen, die wir zu kennen glauben?

Natürlich gibt es Mittel und Wege etwas über diese verborgene Welt zu erfahren, ohne selbst den Kopf unter Wasser halten zu müssen. Bestimmt gibt es andere, die diese Gebiete schon erkundet haben. Du kannst dir ihre Bilder ansehen und so einen Eindruck von dem bekommen, was ihre Aufmerksamkeit erregte. Je größer und besser die Aufnahme, desto eher wird dir das auch gelingen.
Du solltest jedoch immer bedenken, dass dich selbst vielleicht ganz andere Winkel sehr viel mehr fasziniert hätten. Außerdem sind Fotografien nichts weiter als ein blasses Standbild der Realität. Jeder der schon einmal versuchte, die Atmosphäre einer Bergwelt in ein Foto zu zwängen, weiß, dass ein Bild die Wirklichkeit nie beschreiben könnte. Auch wenn du sie dir intensivst betrachtest, du wirst das Gefühl nicht erfahren, auf dem Gipfel stehend die Freiheit zu spüren. Und wer trotzdem davon ausgeht, hat noch immer nicht begriffen, dass man das Leben erleben muss um es zu begreifen.

Natürlich kannst dir auch von anderen erzählen lassen, wie es war in die Tiefe zu tauchen und was es dort zu entdecken gab. Aber glauben die Menschen nicht auch denen die berichten, Einstein wäre ein schlechter Schüler gewesen? Man sollte jeder Erzählung die Möglichkeit einräumen sich als subjektiv zu erweisen?

Natürlich kostet dich die Taucherei auch einiges und nicht jeder ist bereit in dieses Erlebnis zu investieren. Aber frage einen überzeugten Taucher, ob dein Vermögen sinnvoll angelegt ist und er wird es dir bestätigen. Lieber heute als morgen würde er dich zu deinem ersten Tauchgang überreden wollen.

Auch dass es gefährlich sein kann, bestreitet niemand. Ohne Frage weißt du nie wirklich worauf du dich einlässt und was dich erwartet. Eine gewisse Risikobereitschaft musst du schon mitbringen. Aber klettern wir nicht auch auf die Berge, durchstreifen die Wälder und lassen uns durch die Lüfte tragen? Birgt dies keine Gefahr? Versucht man nicht eher eine Ausrede zu finden für mangelndes Interesse?! Es gibt etliche Stellen, die selbst für Anfänger völlig unbedenklich sind. Leicht erreichbare Lebensräume, deren Bewohner man ruhigen Gewissens friedlich nennen kann. Und mit der entsprechenden Ausrüstung und Erfahrung ist es ein durchaus kalkulierbares Risiko immer tiefer zu tauchen.

Zu viele Menschen haben schlicht keine Vorstellung von der Vielfalt des Lebens, das ihnen unter Wasser begegnet. Ein kaum fassbarer Artenreichtum. Eigenwillige Landschaften, deren bizarre Formationen die Sinne fesseln. Farben und Formen der Flora und Fauna erscheinen einer unerschöpflichen Phantasie zu entspringen. Es ist eine Reise zu den verborgenen Ursprüngen. Eine abenteuerliche Reise in die Welt unterhalb der Oberfläche. Dass eine solche Reise auch gefährlich sein kann, liegt in der Natur der Sache. Die Frage ist: Sind wir mutig genug Neuland zu betreten?
“Mut ist der Motor der Entwicklung.“ Niemand sollte stehen bleiben wollen.

Zweifellos ist es frustrierend, wenn ein Tauchgang erfolglos bleibt. Und welchem Taucher ist das noch nicht passiert? Man taucht und taucht und findet nichts, was irgendwie interessant scheint. Kein Riff, keine Farben, nicht einmal einen einzigen, kleinen Fisch. All die Anstrengung für nichts und wieder nichts. Nichts zu entdecken, nichts zu erforschen, nichts was den Geist auch nur kurzzeitig aufmerksam werden lässt. Alles was man zu sehen bekommt ist die undurchdringliche Schwärze der Leere. Umsonst hat man Zeit und Mittel investiert, unter Umständen mehr, als man eigentlich zur Verfügung gehabt hätte. Und man fragt sich zwangsläufig: Warum tue ich das überhaupt?! Mit einem Mal wird aus einer vielversprechenden Chance ein sinnloses Unterfangen. Dann ist der Rückweg mühsam und viel zu lang. Die Sauerstoffflasche ist leer, der Körper erschöpft und die Hoffnung enttäuscht.

Aber was soll ich sagen?!
“Man muss den Regen in Kauf nehmen, wenn man einen Regenbogen sehen möchte.“

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Sandra Geissler).
Der Beitrag wurde von Sandra Geissler auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.01.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Sandra Geissler als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Geheimnis um Schloss Krähenstein von Thurid Neumann



Das Buch ist ein Bodensee-Sommerferien-Kinder-Krimi à la 5 Freunde. Zwei Jungs und zwei Mädchen verbringen gemeinsam die Sommerferien in Konstanz am Bodensee und decken dabei das Geheimnis um ein verschwundenes Testament und den Erben von Schloss Krähenstein auf.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Zwischenmenschliches" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Sandra Geissler

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Der kleine Stern und der Löwe von Anschi Wiegand (Zwischenmenschliches)
Die Muschel von Adalbert Nagele (Beobachtungen am Strand)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen