Manchmal sind es nur ein paar Worte, die wie strahlende Kerzen einen dunklen Raum erleuchten, der sich Seele nennt...
27.2.1996
Mein geliebter George,
einmal noch will ich Dir schreiben bevor Du verreist.
Ich will Dir mein Herz mitteilen, das überquillt vor Sehnsucht, Sehnsucht nach Dir.
Du hast mir wieder nicht die genaue Adresse geschrieben, aber es ist egal.
Ich sehe das tosende Meer vor mir, auf das Du von Deiner Terrasse blickst, ich kenne die staubige Strasse , auf der Du zum Holz schlagen in den Wald fährst und die weite Grasebene bis zum Horizont, auf der Deine Rinder weiden.
Du hast mir die Sonne beschrieben, die über Dir brennt, so beschrieben, dass ich ihre Hitze in mir spüre und wenn ich Deine Zeilen von den funkelnden Sternen und dem Silberdollar Mond lese, im kühlen Nachtwind, dann liege ich neben Dir und fühle Dich, mit jeder Faser meines Körpers.
Mein geliebter George, wir schreiben uns jetzt seit einem halben Jahr, doch es ist mir, als kennen wir uns schon ein ganzes Leben, als habe es noch nie eine Zeit ohne uns gemeinsam gegeben. Es ist ein schönes Gefühl, aber auch ein trauriges, weil ich Dich nicht sehen kann.
Weisst Du, was mein Chef neulich zu mir sagte?
Ich würde jünger aussehen, sagte er und...auf der Strasse sprechen mich wildfremde Leute an, freundlich und lächeln mir zu.
Das hast Du gemacht, George, Du hast ein Licht in mir angezündet, weil ich ständig an Dich denke und das Licht scheint nach aussen. ..
Dafür danke ich Dir.
Geliebter, ich werde jetzt schliessen, Du hast sicher noch Reisevorbereitungen zu treffen.
Ich werde auf Dich warten, George, egal wie lange Deine Reise dauert und dann werden wir uns sehen und nicht mehr auseinander gehen.
Ich liebe Dich.
Deine Ella
Nachtrag: George Sawak war von 1976 – 1996 in St. Quentin wegen Doppelmordes inhaftiert . Im Gefängnis fing er das schreiben an, Gedichte und Geschichten, für seine Mitgefangenen, später auch in Briefen nach draussen(u.a. auch mit Ella H.)
Die Mitgefangenen nannten ihn „TimeWizard“, Zeitzauberer, weil er mit seiner Fantasie die Zeit verbiegen könne.
Sawak selbst behauptete von sich, er sei in seinem ganzen Leben noch keinen Tag gefangen gewesen.
Am 29.2.1996 dachte George Sawak seinen letzten fantastischen Gedanken im „Devil´s Room“, der Gaskammer von St. Quentin.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.01.2005.
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