Carsten Maday

TV-Leap: Machistes größter Kampf

Es war eine dieser regnerischen Nächte und ich saß im „Mike´s“. Ich hielt mich bereits zur Sicherheit mit einer Hand an der Theke fest, derweil ich mich auf dem Barhocker nach hinten drehte und durch das große Fenster, das zur Strasse zeigte, in die anbrechende Dunkelheit starrte. Es war noch früh, aber der Winter nahte und mit ihm die lange Dunkelheit.
„Yeah“, dachte ich. „Die Lange Dunkelheit.“ Ich kicherte in mich hinein. Wenn das mal kein schöner Titel für meinen nächsten Fall war.
Ich hielt gekonnt die Zigarette und das Glas mit meinen Highball in einer Hand und tat von beiden einen guten Zug, während ich mir das Treiben auf der Strasse besah. Automobile fuhren mit gleißenden Scheinwerfern durch knöcheltiefes Wasser, bespritzten Passanten auf den Gehsteigen mit den dreckigen Abwasser der Strasse. Ist das endlich der große Regen, der durch die Strassen...? Blablabla und noch mehr Bla. Ich wandte meinen bereits eingeengten Blick fort von den Menschen draußen, die mit Zeitungen über ihren Köpfen durch den Regen huschten und ihm dennoch nicht entkommen konnten.
Ich las den Schriftzug auf dem Fenster, der nach Außen gewand und für mich spiegelverkehrt war. „Mike´s Bar und Nachtclub“ stand dort. Ich lächelte, nicht weil das „Mike´s“ wenig von einem Nachtclub hatte, sondern weil es mich an etwas erinnerte, was ich schon seit geraumer Zeit und Drinks versucht hatte, Mike zu erklären.
„Mit der Beschriftung auf deinem Fenster verhält es sich wie mit Schauspielern.“
Ein lahmes „Aha“ versicherte mir, dass mein Zuhörer vielleicht nicht sonderlich interessiert, aber zumindest noch anwesend war.
Ich drehte mich um, leerte mein Glas und sah Mike an, den Barkeeper und Besitzer des Ladens, der rollengerecht hinter der Theke stand und Gläser mit einem Tuch abtrocknete.
„Noch einen“, sagte ich, drückte die Zigarette aus und fingerte eine neue aus der bereits halbleeren Packung.
„Meinst du nicht, dass du bereits genug hast, Leo?“, gab Mike halbherzig zu bedenken.
„In dem Zustand habe ich dich noch nie gesehen.“
„Natürlich hast du das noch nie. Na los, Mike. Der Welt immer einen Drink voraus.“ Ich lächelte ihm ermutigend zu.
„Heute hast du bereits einen Vorsprung von zehn“, brummte Mike widerwillig, mixte mir aber dennoch einen Drink.
Sich um fünf Uhr Nachmittags vollaufen zu lassen, war schon reichlich unprofessionell, obwohl man von einem Privatdetektiv sicherlich einen gewissen Alkoholpegel erwartete. Aber was soll´s? Es warteten keine Fälle auf mich und das war nie ein gutes Zeichen. Ehe ich mich in der Unvermeidliche fügen musste, wollte ich mir noch ein paar schöne Stunden machen.
„Wo waren wir noch stehen geblieben“, fragte ich Mike, der mir den fertigen Drink hinstellte.
„Du hast irgendwas von dem Fenster und Schauspielern erzählt.“
Jetzt fiel es mir wieder ein. Mike würde mir zwar ohnehin nicht glauben, aber mein Alkoholspiegel war hoch genug, so dass es mir egal war. Außerdem war er Barkeeper und somit von Berufswegen verpflichtet, sich das Gewäsch Betrunkener anzuhören.
„Genau, Mike. Das Fenster. Also die Beschriftung „Mike´s Bar und Nachtclub“, die kann ich gar nicht lesen, Mike, weil sie ja spiegelverkehrt ist.“
„Aber du hast doch gerade...“, protestierte Mike, aber ich unterbrach ihn mit einer fahrigen Bewegung meiner kippenbewehrten Hand und ließ ihn an meinem alkoholgeborenen Scharfsinn teilhaben.
„Schon klar, Mike. Also, wenn ich nicht schon zehn Drinks intus und einen Tunnelblick hätte, dann könnte ich die Spiegelschrift natürlich lesen. Völlig klar. Bin ja Privatdetektiv. Hab sogar einen Ausweis. Mal sehen?“ Ich fingerte einige Zeit in den Tiefen meines Anzuges, ehe es Mike gelang, mir zu versichern, dass er mir auch so glaubte.
„Gut“, sagte ich. „Also, woher weiß ich dann, was auf dem Fenster steht?“
„Du weist es eben, Leo“, sagte Mike. „du warst schon tausend mal hier und längst nicht so voll, wie heute. Was soll denn sonst drauf stehen?“
„Genau“, rief ich erfreut. „Genau das ist es. Ich kann´s nur erkennen, weil ich weiß, was es ist. Und so verhält es sich auch mit Schauspielern. Bei den meisten erkennt man doch nur aus dem Kontext heraus, was sie darzustellen versuchen, und der Zuschauer erkennt es nur, weil er weiß, welche Gefühle oder Reaktionen zu einer bestimmten Szene gehören. Die verschiedenen Rollen in einem Film unterstützen sich natürlich auch dabei.“
„Rollen?“, hakte Mike ohne großes Interesse nach.
„Ja, Rollen. In Filmen, Mike. Hauptrollen, Nebenrollen usw.“
„Klar“, sagte Mike und trocknete unverdrossen weiter seine Gläser ab (es war müßig zu fragen, wo all die schmutzigen Gläser herkamen. Ich war der einzige Gast und so viel und so schnell trank ich nun auch nicht).
„Also, Nebenrollen, Mike, die sind schlimm...“ Ehe ich weitererzählen konnte, hörte ich hinter mir die Tür. Ich warf einen Blick in den Spiegel, der leicht nach unten geneigt an der Wand hinter der Theke hing, und sah darin den Saum eines Trenchcoats, unter dem sich ein paar teuere Damenschuhe zeigten, die es auf wundersame Weise geschafft hatten, nicht vom Dreck des Regens besudelt zu werden.
Der Trenchcoat öffnete sich, als sein Träger ihn auf dem Garderobenständer ablegte, und es zeigte sich mir das längste Paar Beine meines Lebens. Beine, so lang und makellos geschwungen wie jene Küstenstrasse im Westen, über die ich als Jugendlicher mit dem Automobil gefahren bin: endlos führte sie an der Pazifikküste entlang, bis man schließlich zu einem prächtigen, bewaldeten Hügel kam, wo man sein Auto einparkte und den Gott einen guten Mann sein ließ.
Die Beine kamen näher und näher, zeigten mehr und mehr von dem Klassekörper, den sie tragen durften. Ehe ich das Gesicht der Frau im Spiegel sehen konnte, schob sich Mike zwischen mich und den Spiegel. Normaler Weise hätte ich mich jetzt umgedreht, aber nicht heute, denn es war mir noch egal und ich wusste ohnehin, wen sie suchte.
Ich hörte, wie die Frau einen Schritt hinter mir stehen blieb und mit ihrer wohltönenden, dunklen Stimme die Worte mehr hauchte, als dass sie sie sagte:
„Leonidas Brack?“
Ich drehte mich um, sah die Frau, groß, schlank, dunkelblondes Haar, herrliche Lippen, in denen Witz lag, Augen, die vor Intelligenz sprühten, und in denen doch Traurigkeit und Sorge lagen. Lauren Becall in ihren besten Zeiten also.
„Der bin ich“, sagte ich.
Sie lächelte schüchtern und seufzte, erleichtert, weil sie mich gefunden hatte, bekümmert, weil sie nun die Dinge würde aussprechen müssen, die sie zu mir geführt hatten.
„Mister Brack...“, begann sie, doch ich würgte sie ab.
„Setzt dich erst einmal, Dollface.“ Das war natürlich ziemlich albern und sexistisch, was man mir aber nachsehen darf, da auch ich schon mehr als einmal eine Frau gewesen bin.
„Mike.“ Ich schnippte mit den Fingern vor Mikes Gesicht, um seine Aufmerksamkeit zu erhalten. Dem guten Mike hatte es glatt die Sprache verschlagen, so eine Lady in seinem Lokal sehen.
„Mach der Lady einen Drink, ja?“
„Klar“, sagte Mike. „Sofort, Leo.“
Ich schüttelte eine Zigarette aus der Packung und bot sie der Frau an, die sie natürlich damenhaft mit den Fingern und nicht mit den Lippen aus der Packung zog.
Ich gab ihr Feuer, wobei ich peinlicher Weise gestehen muss, dass die Flamme mehrmals an der Zigarettenspitze vorbei torkelte, weil der nachmittägliche Alkoholkonsum nicht ohne Spuren an mir vorbeigegangen war.
Nachdem sie ein paar Züge genommen hatte, machte sie einen erneuten Versuch, den ich abermals abwürgte.
„Einen Moment, Sweetheart“, sagte ich. „Ich bin gerne bereit deinen Fall zu übernehmen. Worum es sich auch immer handeln mag, ich höre es mir an. Aber zuvor möchte ich gerne noch die Geschichte beenden, die ich meinem Freund Mike erzählen wollte. Darfst gerne zuhören. Interessiert dich vielleicht auch.“
„Okay, Mister Brack“, sagte sie mit ihrer wohltönenden Stimme, dass ich beinahe mein Vorhaben aufgeben und mich in mein Schicksal fügen wollte.
Ich schüttelte den Zweifel aus meinem Kopf, stärkte mein Selbstvertrauen mit einem weiteren Schluck.
„Also, ihr werdet es mir vermutlich nicht glauben, was ich euch jetzt erzählen werde, dennoch werde ich es wagen, es euch zu berichten, mit der ganzen Inbrunst und Ernsthaftigkeit, die Betrunkenen inne wohnt, euren Zweifel, Spott und Einwändet ignorierend, bis ich geendet. Wohlan denn. Beginnen wir am Anfang. Mein Name ist nicht Leo Brack. Oh, das war leicht. Wie heiße ich dann? Das ist schwer. Ich habe viele Namen, viele Leben, offensichtlich aber kein eigenes. Ich wandle umher, bin unfrei. Die Welt ist eine Bühne, jeder spielt eine Rolle? Auf keinen trifft dies besser zu, als auf mich.

Wann es begann? Das kann ich nicht beantworten, da Zeit und Aufeinanderfolge von Ereignissen für mich kaum wahrnehmbar sind.
Warum geschieht mit mir, was mit mir geschieht? Das habe ich mich oft gefragt und mehr Antworten gefunden, als ich aufzählen kann. Sie reichen von Ich-bin-Koma- Patient, Opfer-außerirdischer-Experimente bis zu meinem derzeitigen Favoriten: ich habe als Mensch zu viele schlechte Filme gesehen und das ist nun die gerechte Strafe. Womit meine Mutter (insofern ich überhaupt eine solche habe) doch Recht gehabt hat: zuviel Fernsehen ist schädlich.
Jeder wünscht sich ja mal, in einer fiktiven Filmwelt zu leben, ohne dabei gleich ein Irrer ohne Realitätssinn zu sein. Jeder fragt sich mal, warum tut der Filmheld das, und was hätte ich an seiner Stelle getan. Vielleicht habe ich mich das auch gefragt und vielleicht sogar einmal zu viel, so dass mein Wunsch in Erfüllung ging. Kurzum, mir geht es wie Scott Bakula in „Quantum-Leap“ (wobei mir die Ironie, dass sich meine eigenartige Existenz am besten durch eine Fernsehserie beschreiben lässt, durchaus bewusst ist). Ich springe durch alle erdenklichen Rollen von Filmen und Serien, deren gemeinsamer Nenner darin zu liegen scheint, dass sie alle von niedrigen/niedrigsten Niveau sind (ein B-Movie ist da schon ein echter Glücksfall).
Größe und Bedeutung meiner Rollen variieren beträchtlich. Am liebsten sind mir Hauptrollen. Nicht, weil ich gerne wichtig bin, sondern weil man bei einer guten Hauptrolle immer weiß, woran man ist. Sie sind so schön vorhersagbar und selten geht es ihnen schon vor Ende der Geschichte an den Kragen. Da heißt ´s dann allerdings aufpassen.
Nebenrollen sind hart. Denen kann alles mögliches passieren und heißen nicht umsonst „supporting character“ auf Englisch. Wenn der Hauptdarsteller das mimische Talent einer Endmoräne hat, ist Unterstützung durch eine Nebenrolle unerlässlich. Beispiel: Hauptdarsteller macht Gesicht, als sei ihm ein Traktor über den Fuß gefahren. Sieht man aber die gerade verendete Nebenrollen-Ehefrau in seinen Armen, entfaltet der minimalistische Gesichtsausdruck seine ganze epische Breite von Trauer, Schmerz, dem leisen Entsetzen, in dem die Erkenntnis schlummert, welch Leere der Mensch, den man verloren, dessen Verlust man jedoch kaum schon begriffen hat, in einem hinterlassen wird. Und endlich die lodernde Gier nach Rache, die brennende Mordlust, der doch ein Stückchen Menschlichkeit trotzt, die Sympathie für den meuchelnden Rächer übrig lässt. Oskar-verdächtig also, weil die Nebenrolle eigens dafür geopfert wurde. Verständlich, wenn ich Nebenrollen also fürchtete.
Schlimmer als diese aber sind noch die Statisten, die Komparsen. Mit denen konnte ja alles passieren. Man starb beim Überfall Außerirdischer, einfach so, zu Abertausenden. Oder bei Erdbeben, Katastrophen jeder Art. Als Kanonenfutter, das aus dem Gräben sprang, aus Landungsbooten an den Strand wankte und zusammen geschossen wurde. Beliebt sind auch Gladiatorenspiele, wo man als armer Christ einfach so massakriert werden sollte. Also wenn man als Komparse in seiner Rolle aufwacht und merkt, man ist ein Indianer, der mit Pfeil und Bogen, mit Krieggeschrei und ohne jegliches strategisches Konzept wie ein Irrer mit einem Haufen anderer Schwachsinniger um eine von mit Feuerwaffen bewaffneten weißen Siedlern verteidigte Wagenburg im Kreis herumreitet, also dann hat man ein echtes Problem.

Ich nenne es „Erwachen“, wenn ich in eine neue Rolle schlüpfe. Es ähnelt dem wirklichen Erwachen, wenn man etwas desorientiert ist und manche Dinge rein mechanisch tut, ohne sie wirklich wahrzunehmen, wie z.B. den ersten Kaffee aufsetzen oder von Montags bis Freitags zur Arbeit zu gehen.
So geschah es auch, als ich eines Morgens erwachte (in beiden Bedeutungen). Ich erhob mich, streckte meinen müden Körper und schlenderte über das morgennasse Gras zu dem kleinen See. Ich beugte mich hinab zu der klaren Wasseroberfläche, schöpfte eine handvoll Wasser, trank. Als ich in der sich langsam beruhigenden Wasseroberfläche mein Gesicht sah, schrie ich vor Entsetzen auf. Ich sprang auf meine Beine, sah an mir herab und schrie noch lauter als zuvor.
Mein Gesicht war breit und kantig, ein brauner Vollbart prangte darin. Mein Brustkorb war groß wie ein Fass, meine Arme massig und schwer, mit Adern dick wie Taue unter der bronzefarbenen Haut. Mein Bauch gleich keinem Waschbrett mehr, sondern schon eher einem ganzen Waschsalon. Meine Beine waren ädrig, titanengleich und unverrückbar. Ich warf einen Blick unter den knappen Lendenschurz, den ich trug. Ich schrie noch einmal. Es stimmte also, was man sich von Anabolika-Missbrauch erzählte.
Vollends verzweifeln aber ließ mich mein Schuhwerk. Es ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, in welcher Art Film ich diesmal steckte.
„Oh nein“, stieß ich hervor. „Kein Sandalenfilm.“ Die Erkenntnis dämmerte.
„Ihr Götter“, schrie ich und raufte mir die Haare. „Ich bin HERUKLES!!!“
Ein Räuspern hinter mir brachte mich zurück auf den trostlosen Boden meiner fiktiven Realität.
„Ähm“, sagte ein junger, drahtiger Mann mit Tunika und obligatorischen Sandalen.
„Geht es Dir gut, Machiste?“
Ich brach in die Knie und warf meine nervichten Armen gen Himmel:
„NEEEIIIIIIN. Nicht Machiste, der Herukles für Arme!“ Und es kam zu einem dieser denkwürdigen Momente im Leben, die man sich nie hätte träumen lassen. Für den Bruchteil einer Sekunde wäre ich liebend gerne Steve Reeves gewesen.

Nachdem ich mich beruhigt und mehr oder weniger in mein Schicksal gefügt hatte, eine billige Kopie von ohnehin schon billigen italienischen Herukles-Filmen zu sein, versuchte ich etwas mehr über meinen Begleiter, zweifelsohne der treue Gefährte des Helden, und meine Aufgabe in dieser Rolle heraus zu finden.
Ja, die Aufgabe. Es gab immer irgendwelche Aufgaben. Mal musste ich die Welt retten, mal reichte es auch schon aus, eben nicht von weißen Siedlern vom Pferd geschossen zu werden. Im Laufe meiner Karriere hatte ich herausgefunden, dass es nicht ratsam war, den Plot einer Geschichte vollends zu sprengen. Das konnte zu ernsten Komplikationen führen, die sehr gefährlich werden konnten. Ich landete einmal in einem ermüdenden Familiendrama, und als meine schwangere Junkie-Tochter mir vorwarf, ich würde sie hassen, da gab ich ihr recht, hob mein Gespartes vom Konto ab und flog auf die Bahamas. In einem solchen Fall wechselt der Film erbarmungslos das Genre, und statt auf einem Flug ins Paradies fand ich mich auf einem Flug in die Hölle wieder, als ein isländischer Top-Terrorist (Ja, ja, ich weiß. Ich frage mich auch, wer solche Drehbücher schreibt) meinen Urlaubsflieger kaperte. Aber das ist eine andere Geschichte.
Es war also ratsam, nicht zuviel an der Story rumzupfuschen. Erlaubt aber war es, einige Fragen betreffs der Logik des ganzen zu stellen. Das war letztlich auch kontraproduktiv, machte aber Spaß.
Mein erstes Opfer war mein Begleiter.
„Ajax, heiße ich“, antwortete er auf meine Frage. „Aber das weißt du doch, Machiste.“
Ich warf die Stirn in Falten. Allein der Klang des Namens war schon schmerzhaft. Wer sich den nur ausgedacht hatte?
„Ajax“, bohrte ich nach. „Aha. Ajax, wie der telamonidische, der lokrische oder, hahaha, Ajax Amsterdam.“
Ajax schien sich selbst unsicher zu sein. Ich half etwas nach:
„Also für den telamonidischen Ajax bist du etwas zu schmal. Der war doch eine ziemliche Kante. Wie hieß denn dein Vater?“
Er überlegte.
„Oïleus“, sagte er schließlich.
„Aha“, machte ich. „Dann bist du also der lokrische Ajax.“
„Ähm, genau, Machiste.“
„Opontisch oder ozolisch?“
„Bitte?“
„Na, von den opontischen oder den ozolischen Lokrern? Also von dem Teil des Stammes, der im Osten lebt, oder von dem im Westen?“
„Ja, also, das weiß ich gar nicht so genau.“ Der arme Mann lief rot an. Man konnte ihm keinen Vorwurf machen. Es war ja nicht seine Schuld, dass seine Rolle so dünn angelegt worden war.
Ich legte ihm beruhigend die Hand auf die Schultern.
„Das ist nicht schlimm, lokrischer Ajax, Sohn des Oïleus. Bist natürlich ein opontischer Lokrer, weil die anderen bei Homer ja gar nicht erwähnt werden. Obwohl, wenn ich an dir rieche, dann könntest du schon ein ozolischer Lokrer sein, haha...“
Ajax sah mich Muskelberg an, als habe ich meinen Verstand verloren.
„Wortwitz? Nein? Griechisch „ozo“ bedeutet „stinken“? Vielleicht gehen die Ozoler ja etymologisch darauf zurück. Sie wären also die „Stinker“! Nicht komisch, was?“
Als ich sah, dass ich dem armen Jungen langsam Angst machte, ließ ich die Gemeinheiten fallen, gab ihm noch den guten Rat, sich vom Tempeln der Pallas Athene fern zu halten, und mahnte zum Aufbruch. Vorher schwand ich aber noch einmal in den Büschen.

„Aha“, sagte ich ungehalten, derweil ich mit mühsam unterdrückten Schmerzen neben Ajax die staubige, mit zerbrochenen Säulen (man hatte wohl alle Sandalenfilmrequisiten geplündert) gesäumte Strasse entlang ging. Die Schmerzen stammten von einer Blasenentzündung, die ich mir natürlich eingefangen hatte, weil ich bescheuerter Weise die ganze Nacht nur mit Lendenschurz bekleidet auf dem nackten Boden hatte schlafen müssen. Es tat höllisch weh. Mein Penis mochte ja recht klein sein, brannte aber wie ein großer.
„So“, sagte ich zu meinem Begleiter. „Mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe. Wir laufen also den lieben langen Tag durch die Gegend, bis uns früher oder später Leute suchen und finden, die unsere Hilfe brauchen. Und denen helfen wir dann?“
„So ist es, Machiste.“ Oh, dieser Name!
„Aha, also mal ehrlich, Ajax, Sohn des Oïleus von den opontischen Lokrern. Meinst du nicht, es wäre besser, wenn wir einfach eine feste Niederlassung hätten? In Athen zum Beispiel. Ist ne tolle Stadt. Also, wenn wir immer durch die Gegend ziehen, wie sollen uns dann irgendwelche Leute finden. Ist doch unmöglich...“
„Hilfe, Hilfe“, kam ein verzweifelter Ruf von hinter der Wegkrümmung. Ajax sah mich triumphierend an.
„Aber das ändert nichts daran, dass ich in der Sache recht habe“, rief ich laut, als ich hinter Ajax in Richtung des Hilferufes her lief.

Hinter der Wegkrümmung wartete die falscheste Blondine der an falschen Blondinen nicht gerade armen italienischen Filmgeschichte. Das ungeheuer falsche Haar war zu einem dicken Zopf geflochten. Sie trug Fellstiefel und Fellhöschen, dazu einen Fell-BH, der ihre üppigen Brüste nur mit Mühe bändigen konnte, derweil fünf dunkelgekleidete, schlecht rasierte Schurken sie im Kreis hin und herschubsten (habe nie begriffen, warum Schurken sich im Kreis aufstellen und dann eine Frau hin und herschubsen, selbst wenn dabei einiges in Bewegung geriet). Neben dem Schubser-Reigen lag ein alter Mann, die grauen Haare womöglich noch falscher als die der Blondine, im Staub der Strasse. Man hatte ihn zweifelsohne dorthin geschubst.
„Was geht hier vor“, rief Ajax, mein jugendlicher Begleiter. „Wer seid ihr?“
Das Schubsen wurde eingestellt, die Frau fiel anmutig in den Staub, stützte sich auf ihren Armen auf und warf den Schubsern böse Blicke zu, wobei sich ihr Brustkorb wie wild auf und ab bewegte. Ein heißes Brennen unter meinem Lendenschurz zwang mich, meinen Blick von der Frau zu nehmen. Einer der Schurken antwortet:
„Das geht dich gar nichts an, Bürschchen“, sagte er und antwortete dann dennoch: „Wir sind Männer der Königin Jugera und auf der Suche nach diesen beiden Verbrechern hier. Geht euers Weges und mischt Euch nicht ein.“
Es war klar, wie die Sache weiter ging. Wir mischten uns ein. Ich warf mit einigen Säulenbruchstücken, die verdächtig leicht waren, um mich. Wenn einer der Schurken getroffen wurde, konnte man sehen, wie das Säulenstück von ihm abprallte, anstatt ihn richtig zu begraben. Ach, das war schon alles traurig anzuschauen, aber zum Glück war die Sache bald vorbei. Fünf tote Schurken lagen auf der Strasse und eine überglückliche Fell-BH-Frau hing mir um den Hals.
„Machiste“, rief sie entzückt, „Endlich ist unsere Suche vorbei.“ Ich schaffte es Ajaxs besserwisserischen Blick zu ignorieren.

Es folgte eine wilde Geschichte, die selbst für Sandalenfilme ziemlich absurd war.
„Ich fasse also zusammen“, sagte ich zu der Blondine, dem Greis und Ajax, der gebannt auf den Ausschnitt der Dame blickte.
„Du bist also Thorgerda, die Wikingerprinzessin und Tochter von Orm, dem Wikingerkönig von England. Und das“, ich deutete auf den grauhaarigen Mann, „ist Ulfgerd, der Druide deines Volkes und dein Mentor?“ Der Alte nickte bestätigend.
„Aha. Und ihr sucht mich, Machiste (Brrr), weil ich Euch gegen die Keltenkönigin Jugera unterstützen soll, die sich mit dem Römer Claudius Maximus verbündet hat, um die freien Wikinger von England zu unterjochen?“
Man nickte erneuert. Die Kopfschmerzen, die diese Geschichte auslösten, ließen mich zumindest meine Blasenentzündung vergessen. Ich schenkte den dreien einen vorwurfsvollen Blick. Dann zog ich Ajax an der Schulter zu mir:
„Also“, begann ich, „Dieser liebenswerte Strolch heißt Ajax, Sohn des Oïleus, und wird einst vor Troja mit den Danaern, insbesondere an der Seite seines Namensvetters, dem telamonidischen Ajax, großen Ruhm erwerben (sein unrühmenswertes weiteres Schicksal enthielt ich ihm sicherheitshalber vor). Trojanischer Krieg, sagen wir mal 1200 oder 1100 vor Christi Geburt, ja. Du“, ich zeigte mit meinen riesigen Finger auf Thorgerda, „bist also Wikingerprinzessin? Sehr schön, ich meine, die Fellbekleidung ist ja ein eindeutiges Indiz.“ Ich seufzte. „Wenigsten trägst du keinen dieser albernen Hörnerhelme...“
Thorgerda errötete.
„Hab ich im Boot vergessen“, stammelte sie peinlich berührt.
„Aha. Ach, weißt du, das macht gar nichts. Nun ja, du bist also die Tochter des Wikingerkönigs von England, wobei keineswegs erwähnt wird, ob du norwegischen oder dänischen Ursprungs bist. Aber lassen wird das. Gut, Wikinger, Stichwort „Lindisfarne“. Mit der Plünderung des Klosters Lindisfarne beginnt gemeinhin die Wikingerzeit, also 793 NACH Christus. Aha! Wie sehen also eine zeitliche Diskrepanz von schlappen 2000 Jahren zwischen Ajax und Thorgerda. Erklärungen?“
Schweigen. Man hatte offensichtlich keine.
„Und du“, meine Stimme bebte vor Empörung, als ich auf den Greis zeigte, „Du willst also der Druide von Thorgerdas Stamm sein?“
„Ja“, antwortete der Alte überzeugt.
„Aha, gut, lassen wir mal haarsträubende Anachronismen beiseite, also, die Wikinger sind Germanen und haben keine Druiden...“
„Aber ich...“, begann Ulfgerd, doch ich hob warnend den Finger.
„Nein, Germanen keine Druiden! Kelten Druiden! Das liest man schon bei Caesar, Herrgottnochmal! Und was sollen die Keltenkönigin und die Römer, da würden wir uns eher im ersten Jahrhundert vor und nach Christi Geburt befinden. Ihr seit doch alle...“ Ich schluckte meinen geschichtsbewanderten Unmut herunter, zählte bis zehn und versuchte es erneut.
„Gut, also, zu welcher Zeit glaubt ihr also zu leben?“
Die drei überraschten durch plumpen, aber vorsichtigen Gemeinschaftssinn und erbaten sich eine Bedenkzeit unter sechs Augen. Ich machte höflich ein paar Schritte zur Seite und beobachtete amüsiert die drei, die verschwörerisch im Kreis mit einander flüsterten. Das waren die besseren Momente meiner seltsamen Existenz: Nebenrollen foppen.
Man hatte sich endlich geeinigt. Ulfgerd, der Druide der Wikinger, trat vor. Es gelang ihm, seiner Stimme ein gewisses Maß an Überzeugung zu verleihen.
„Höre, oh Machiste. Wir befinden uns im oder um das Jahr 20 nach Christi Geburt.“
„Ha“, rief ich triumphierend. „Klugerweise habt ihr denn Irrsinn vermieden, noch vor Christi Geburt leben zu wollen, aber mal ehrlich, 20 Jahre nach der Geburt Christi? Ich meine, da war der gute Mann doch noch gar nicht tot, geschweige denn berühmt genug, um als Datierungsmethode herzuhalten.“ Ich redete mich langsam in Fahrt. „Ich meine, kennt ihr den Mann überhaupt? Jesus? Schon mal gehört und wenn ja, auf welchen Weg um Himmelswillen...?“
An dieser Stelle fing die leicht befellte Thorgerda an zu weinen. Ich war ja kein Unmensch. Ich lebte in einer seltsamen Realität, in der die Menschen seltsam, aber, nun ja, doch real waren. Und die Probleme dieser Menschen waren, entsprangen sie auch noch so absurden Drehbüchern, real für sie. Das musste ich respektieren. Oft genug fühlte ich sogar mit ihnen. Als ich nun Thorgerda weinen sah, da schämte ich mich sehr, so wie man es tut, wenn man jemanden neckt, ohne sich etwas dabei zu denken. Und da man nicht denkt, sieht man nicht die Grenze zwischen Necken und Quälen. Die erkennt man erst, wenn Tränen fließen. Und dann ist die eigene Überraschung, jemanden verletzt zu haben, so groß, dass man wortreich um Entschuldigung bittet und jeden Gefallen zu tun verspricht. Thorgerda hatte mich also:
„Es tut mir leid“, hörte ich mich resigniert sagen. „Bitte weine nicht mehr, Thorgerda. Machiste wird dir im Kampf gegen Jugera beistehen.“
Ich tätschelte meinen gestählten Bauch.
„Vorher sollten wir vielleicht noch etwas essen. Hab einen mörderischen Kohldampf. Ist ja auch schon Mittag.“
„Ja?“, wunderte sich Ajax. „Woher weißt du das so genau, Machiste?“
Ich deutete auf ein Säulenstück, das ich auf einen von Jugeras Handlangern geworfen hatte. Ich zeigte auf die Hand des Toten, die unter der Säule hervorlugte. Die Armbanduhr stand auf fünf vor zwölf.

Es folgte die beschämende Reise nach England in einem traurigen Drachenschiff. Viel zu berichten gibt es nicht, außer dass wir unterwegs einmal von ein paar zugegebener Weise ordentlichen Harpyien angegriffen wurden und kurz darauf von einem wirklich peinlichen Seeungeheuer, an dem man noch den Reißverschluss sehen konnte. Ich überwand sie mit Machistes überragendem Intellekt (hahaha) und roher Kraft. Wir kamen also nach England.
Die Lage hatte sich dort seit Thorgerdas Abreise entschieden verändert. Die üble Keltenkönigin Jugera hatte sich mit Claudius Maximus verbündet und die Wikingerstämme von England (o weh) in einigen Scharmützeln geschlagen. Man sammelte sich zur Hauptschlacht. Zuvor jedoch begab sich Orm, der Wikingerkönig, ins feindliche Lager zwecks letzter Verhandlungsversuche. Jugera, die wirklich sehr böse war, ließ den harmlosen Wikinger gegen alle Regeln des Völkerrecht, sprich nach caesarianischem Vorbild handelnd, festsetzen. Unter Androhung von Orms Hinrichtung wurden die Wikinger zur Kapitulation gezwungen. Es blieb der Untergrund, was mich als Machiste sehr freute, weil Untergründler ja immer in dunklen Kapuzenmäntel umher schlichen. So bekam ich endlich mal ein wärmendes Kleidungsstück, etwas, was sich während der gesamten Überfahr nach England aus fadenscheinigen Gründen nicht auftun ließ. Es war eine große Erleichterung, denn spätestens nach der Durchfahrt durch die Säulen des Herakles zog es doch ziemlich unter meinem Lendenschurz. So ging die Blasenentzündung nie weg.
Wie landeten also bei Nacht am Ufer des Humber-Flusses und schlugen uns ins wikingische York durch, wo römische Legionäre auf den Strassen patrouillierten. Wir schlichen zu Thorgerdas Onkel Thorkell, der den heimlichen Widerstand gegen Jugera anführte. Er begrüßte seine Nichte und uns herzlich. Es war klar, dass er ein Verräter war. Das verriet schon sein Spitzbart. Neben meiner Intuition und soliden Kenntnis von Sandalenfilmen hatte ich leider keine Beweise anzuführen. Es war unwahrscheinlich, dass man mir irgendwelche wüsten Beschuldigungen abkaufen würde. Ich beschloss daher zu schweigen, aber Thorkell im Auge zu behalten.
Als sich die anderen führenden Mitglieder des Widerstandes versammelt hatten, wurde folgendes beschlossen: Thorgerda, Ulfgerd und Ajax sollten heimlich Männer für einen Angriff auf Jugera sammeln, während Thorkell und ich versuchen sollten, Orm zu befreien. Jugera hatte den Wikingerkönig in ihrer Vulkanfestung einsperren lassen (Ach ja, England, berühmt für seine vulkanische Aktivität und Aschewüsten!). Thorkell kannte glücklicherweise einen Geheimtunnel durch den Berg zu den Verliesen. Aha, dort würde er es also versuchen! Das versetzte mich allerdings nicht in große Sorge. Ich konnte zwar Schmerzen spüren und war mir sicher, dass in dieser fiktiven Realität mein Tod ziemlich endgültig sein würde, aber, he, immerhin war ich Machiste, ziemlich stark und unüberwindlich. Außerdem ahnte er ja nicht, dass ich ihn in Verdacht hatte.

Ich wich dem pilum aus, zog den Mann am Schaft des Wurfspeeres zu mir und drosch ihm in bester Bud Spencer Manier in einer weiten Kreisbewegung des Armes die Faust auf die galea, dass der Helm dem Mann über die Augen rutschte. Der Legionär seufzte und klappte zusammen. Ich griff sein scutum und hieb dem zweiten Legionär den Schild wuchtig vor seine lornica, ehe der Soldat noch seinen gladius aus seiner vagina am balteus gezogen hatte. Der Mann flog zwei Meter durch die Luft, krachte gegen die Wand aus Lavagestein und sackte bewusstlos zusammen. Nachdem ich die beiden Wachen ausgeschaltet und dezent die Reste meiner humanistischen Bildung hatte aufblitzen lassen, lag der Eingang in das Höhlensystem offen und frei vor uns.
Thorkell war beeindruckt von der Effektivität meines Vorgehens:
„Ich bin beeindruck“, sagte er. Und beunruhigt wohl auch, Judas (Oder eher Loki?), fügte ich in Gedanken hinzu, lächelte Thorgerdas Onkel aber gewinnend zu. Ich deutete eine Verbeugung an und machte eine einladende Geste mit der Hand:
„Nach dir, Thorkell.“
Der hünenhafte Wikinger brummte missmutig, ging aber nichtsdestotrotz ohne zu zögern in die Höhle.
Jetzt hieß es vorsichtig sein. Wahrscheinlich lauerte Thorkell nur auf seine Chance, mich zu hintergehen. Außerdem gab es bestimmt eine Art widerliches Ungeheuer in diesem Höhlenlabyrinth. So was gab es ja immer. Vermutlich einen Minotaurus, oder, brrrr, eine ekelige Riesen-Spinne.
Wir schlichen durch die Höhle, jeder eine dieser erstaunlich lang brennenden Fackeln in der Hand, die netterweise am Höhleneingang bereit lagen. Thorkell führte mich durch die Höhle. Er kannte den Weg. Fragte sich woher?
Mehr als einmal drückten wir uns in Seitengänge, als Patrouillen der Römer unseren Weg kreuzten. Immer tiefer führte mich Thorkell, bis schließlich die Patrouillentätigkeit mehr und mehr abnahm. Wir gelangten offensichtlich in einen wenig benutzten Teil des Höhlensystems. Als sich eine Grotte vor uns auf tat, packte ich Thorkell an der Brünne und drückte ihn gegen die Felswand. Mutter Natur hatte den Wikinger zwar mit stattlichen Muskelpaketen ausgestattet, aber Machistes Stärke hatte er nichts entgegen zu setzen.
„Hier ist es also“, schrie ich Thorkell geifernd ins Gesicht. „Hier willst du mich verraten, du Schurke! Hier ist der Hinterhalt“
Alle Farbe floh Thorkells Gesicht.
„Wo..., woher weißt du...“ Es Stimme brach vor Panik.
„Woher ich weiß, dass du mich hier in die Falle locken willst?“
Thorkell nickte beklommen.
„Deine Stirn!“
Thorkell fluchte. Der kalte Angstschweiß lief ihm schon seit geraumer Zeit über die Stirn, je näher wir der Grotte kamen, desto stärker.
„Aber, aber...“, stammelte er. „Das könnte doch von der allgemeinen Anspannung kommen. Geheimmission und so...“
Ich deutete in die Grotte. Ein grünlicher Schimmer, der von den Wänden ausging, tauchte die Grotte in ein befremdliches Licht.
„Äh...“, versuchte es Thorgell. „Fluoreszierende Pilze?“
Ich schüttelte den Kopf und zeigte auf den Teich in der Mitte der Grotte. Von Grunde des Teiches kam ein unheilvolles Glühen, das wilde Schatten an die Decke der Grotte warf, denn die Wasseroberfläche war zerrissen in ein irres Brodeln.
Thorkell lächelte ertappt.
„Nun ja“, er zuckte mit den Schultern. „Vulkanische Aktivität? Es ist immerhin ein Vulkan.“
„Sehr richtig, Thorkell. Und das da?“ Ich zeigte auf die bleichen Skelette, die wüst verteilt um den Teich herum lagen. Ich hob Thorkell hoch und starrte ihm in die Augen:
„Sind das etwas ein paar Abenteuer, die an den giftigen Dämpfen des Teiches eingegangen sind. Und der letzte Überlebende...“ Ich wies mit einem Kopfnicken auf den Schädelhaufen hinter mir. „...hat seinen Kameraden die Köpfe abgeschlagen und sie zu einem Haufen aufgeschichtet, bevor er selbst gestorben ist? Aber vorher hat er sich auch den Kopf abgeschlagen, was? Alles schön einheitlich...“
An dieser Stelle tauchte ein zufriedenes Lächeln auf Thorkell Lippen auf.
„Ups“, sagte ich und würgte schwer. „Hinter mir...Der Minotaurus?“
Thorkell lächelte womöglich noch breiter, als der den Kopf schüttelte.
„Verdammt, die Riesen-Spinne?“
Erneutes Kopfschütteln. Verflucht, jetzt saß ich in der Patsche. Ich knallte Thorkell mit dem Hinterkopf gegen die Felswand. Mit seiner Besinnung verschwand auch sein hämisches Grinsen aus seinem Gesicht. Ich drehte mich um und schrie entsetzt auf:
„Oh Gott, Echsenmänner, ähm, nein, doch eher Frosch..., nein, meine Herren, Fischmänner, Karpfen würde ich schätzen!“
Fünf schuppige Gesellen mit Fischköpfen auf menschlichen Körpern wankten aus dem Tümpel.
Sie haben keine Waffen, dachte ich noch beruhigt, als der erste auch schon schreckliche Todesstrahlen aus seinen Fischaugen in meine Richtung schoss. Zum Glück waren die Strahlen so langsam, dass man sich dramatisch zur Seite Rollen konnte, ehe sie mit einem Zischen in der Felswand einschlugen. Ich rollte und drehte mich von den Strahlen weg, griff einen Stein und warf ihn einen Fischkopp auf denselben. Er machte ein letztes Röcheln mit dem Fischmaul, ehe er tot umfiel. Ich sprang auf und ging in den Nahkampf über. Freundlicherweise weigerten sich die Fischmänner mit ihren Strahlen zu schießen, sobald man ihnen näher als drei Meter gekommen war. Des weiteren griffen sie wie alle Ungeheuer nie gleichzeitig an, sondern warteten brav, bis man einen von ihnen niedergeschlagen hatte, ehe der nächste nachrückte. So warf ich einen nach dem anderen nieder, bis ich zuletzt mit dem Anführer, erkenntlich an seinen enormen Bizeps, rang. Wir wälzten uns Boden herum, er versuchte mich zu erwürgen, was ihm recht schwer fiel, da ich fast keinen Hals vor lauter Muskelbergen besaß. Ich befreite mich, indem ich dem Aquamann feste auch die Kiemen drosch (Nein, ich weiß auch nicht, wie er an Land atmete!). Er ließ los, rollte zur Seite. Ich warf mich auf ihn, legte meine Hände um seine Hüfte und stand auf. Hilflos zappelte der Fischkerl, als ich ihn vom Boden aufhob und auf eine der Felswände zu rannte. Es gab ein unangenehmes Knirschen und das Zappeln hörte auf, als ich den Fischkopp mit voller Wucht gegen den Fels rammte. Ich ließ den schlaffen Körper fallen.
„Puh“, sagte ich, als ich meine Hände zum Gesicht hob, „so richtig frisch waren die nicht mehr...“
Ich spürte einen beißenden Schmerz im Hinterkopf, schaffte es noch mich umzudrehen und in Thorkells hämisches Grinsen zu blicken. Dann legte sich Dunkelheit vor meine Augen.

Ich wachte, als mir ein Schwall eiskalten Wassers ins Gesicht klatschte. Ich prustete laut, schüttelte meinen pochenden Kopf und versuchte meine Umgebung wahrzunehmen. Langsam wichen die verschwommenen Schemen einem klaren Bild.
„Hm“, murmelte ich, als ich die Gestalt vor mir sah. „Ich glaube ich träume noch.“ Vor mir stand eine Frau im schwarzen Gewand und einer Krone auf dem Haupt. Zweifelsohne Jugera, die Keltenkönigin. Was für ein Weib, schoss es mir durch meinen schmerzenden Kopf. Wie in allen guten Sandalenfilmen (und den meisten anderen jener Zeit auch) manifestierte sich die Ruchlosigkeit der Antagonistin in ihrem Lebensalter. Es lag gemeinhin ein gutes Stückchen höher als das einer strammen Blondine wie Thorgerda. Das Haar war dunkel, das Leben hatte seine Spuren hinterlassen und das eine oder andere Kilo zuviel lag auf Hüften und Oberweite. Eine Diva, gereift, vielleicht von guten Rollenangeboten nicht verfolgt, und in solchen Schinken wie dem meinen nicht mehr spielte sondern nur noch auftrat, lässig ihre Routine abspulte, ohne mehr zu leisten, als im Vertrag stand, und doch eine Thorgerda um Längen hinter sich ließ. Eine Karin Dor in ihren reiferen Tagen also.
„So“, sprach die König, „Du bist also der starke Machiste?“
Erst jetzt nahm ich den Rest meiner Umgebung war. Ich saß eindeutig in einem passablen Kerker, lag auf kotigem Stroh und hatte einen soliden Ring um den Hals, der über eine Kette mit der Wand verbunden war. Hände und Füße lagen ebenfalls in Ketten. Neben der Königin stand Thorkell. Er hielt einen leeren Eimer in der Hand und schenkte mir ein Grinsen.
Ich rappelte mich mühsam vom Boden auf und stellte mich vor Jugera hin, wobei ich dezent meine musculi pectorales maiores im Einklang mit meinen Augenbrauen zucken ließ. Das Spiel meiner Muskeln schien die Königin zu beeindrucken. Ein lüsterner Gedanke warf ihre Stirn ins Grübeln.
„Hm, Machiste, ich sehe nun, warum die törichte Ormstochter so eine weite Reise unternommen hat, um dich zu suchen. Gehe ich recht in der Annahme, dass ich dich nicht bewegen kann, auf meine Seite zu wechseln? Oder...“ Ihre Augenbrauen zuckten, als sie mir einen kessen Blick zu warf. „...an meine Seite zu wechseln.“
Da brauchte ich nicht lange zu überlegen:
„Och, da sehe ich durchaus Möglichkeiten, Jugera.“
Das brachte Jugera und Thorkell ins Staunen. Der Wikinger witterte eine List meinerseits und warnte seine Königin:
„Vertraue ihm nicht, oh Königin. Wenn er die Seiten wechselt, ist er ein Verräter. So einem kannst du nicht trauen. Er wird auch dich verraten!“
Jugera schenkte Thorkell einen abschätzigen Blick:
„So wie du, Thorkell?“
Ehe der verwirrte Mann antworten konnte sprach ich die Strophe:

Ein unkluger Mann, der zu andern kommt,
Schweigt am besten still.
Niemand bemerkt, dass er nichts versteht,
So lange er zu sprechen scheut.
Nur freilich weiß, wer wenig weiß,
Auch das nicht, dass er schweigen soll.

Das Staunen war groß, auch bei mir, denn ich wunderte mich selbst langsam, woher ich so etwas wusste.
„Ähm“, machte ich, als ich die verdatterten Blicke sah. „Havamal? Edda? Auch komm schon, Thorkell, als Wikinger sollte man so etwas nun wirklich kennen.“
Wenn Thorkell auch nicht den Ursprung der Strophe kannte, so sah er doch den Spott darin. In drohender Gebärde machte er einen Schritt auf mich zu. Jugera pfiff ihn mit einem Fingerschnippen zurück. Mit einer Bewegung ihres Kopfes wies sie den Wikinger an, die Zelle zu verlassen. Thorkell verschwand wie ein geprügelter Hund. Jugera war mit mir allein. Furcht zeigte sie keine, nur leisen Spott:
„So, Machiste, du würdest also an meine Seite treten? Als mein Gemahl vielleicht?“
Ich nickte heftig. Die beklagenswerte Größe meines Gliedes dämpfte meine Lüsternheit allerdings sogleich.
„Ich gebe zu“, sagte Jugera, „dass die Vorstellung einen gewissen Reiz auf mich ausübt. Zusammen könnten wir wahrhaft großes bewirken.“ Sie trat näher an mich heran, bis ich ihren betörenden Duft vernahm, näher, bis unsere Lippen nur durch einen Hauch getrennt wurden. Mein Lendenschurz richtete sich auf (aber nicht viel).
In ihren Augen blitzte für den Bruchteil einer Sekunde der Wunsch auf, meinem Angebot glauben schenken zu können. Dann stieß sie mich von sich.
„Nein, Machiste“, rief sie und hob abwehrend ihre Hand an die Stirn. „Meine schwache Weiblichkeit wird nicht vor deiner übergroßen Virilität kapitulieren. Du kannst mich nicht täuschen. Ein Held wie du, würde niemals zum Verräter werden.“
„Aber ja doch, Jugera.“
„Schmeichle mir nicht länger, oh Machiste!“
„Tue ich doch gar nicht...“
Sie hob bestimmend den Finger.
„Ich weiß, dass ich dein Herz nicht gewinnen kann, Machiste. Aber wenn ich keine Liebende sein darf, so will ich eine Wütende sein. Morgen wirst du hingerichtet.“
Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und verschwand. Die Zellentür knallte laut ins Schloss. Müde ließ ich mich aufs kotige Stroh sinken.
„So ein Ärger“, jammerte ich. „Da triff man mal eine interessante, attraktive Frau mit Grips und dann so was!“ Ich ließ den Kopf hängen und dachte voller böser Vorahnungen an den morgigen Tag. Wahrscheinlich sollte ich durch eine abstruse Kraftprobe zu Grunde gehen. Wahrscheinlich würde ich gegen eine Riesenschlange oder Löwen kämpfen müssen. Beliebt waren auch zwanzig Numider, die, je zehn auf einer Seite, an an meinen Armen befestigten Seilen zogen, derweil ich auf einem schmalen Steg über einer Grube voller spitziger Pfähle stand. Ich tippte auf die Schlange. Für die Numider und die Löwen waren wir selbst für Sandalenfilm-Maßstäbe zu weit von Afrika entfernt.

„Führt die Elefanten herein!“
„Verflucht!“, dachte ich, als ich auf dem Steg über der Pfahlgrube stand. Ich verdrehte die Augen, als zwei mit Löwenfell bekleidete Numider zwei eindeutig indische Elefanten herein führten, unterließ es aber meinem Unmut Ausdruck zu verleihen, da ich mir doch langsam Gedanken machte, ob mich die Dickhäuter nicht einfach in zwei Teile zerreißen würden.
Ich befand mich in Jugeras Thronsaal. Links und rechts hatten römische und keltische Truppen Spalier bezogen. An der Stirnseite der Halle saß Jugera auf ihrem Thron. Zu ihrer linken saß Thorkell, zu ihrer rechten ein Römer in billiger Rüstung. Vermutlich Claudius Maximus. Angekettet und zu Jugeras Füßen hockte auf einer Stufe ein bärtiger Wikinger, zweifelsohne Orm, der Wikingerkönig. Der Vater von Thorgerda warf mir einen aufmunternden Blick zu und reckte den Daumen nach oben. Es war schön zu sehen, dass jemand an einen glaubte.
Trotz meiner verzweifelten Appelle an Gleichheit, Brüderlichkeit und Freiheit konnte ich die Numider nicht davon abhalten, die Enden der Seile, die an meine Arme geknotet waren, an den Elefanten zu befestigen. Dann gab Jugera das Zeichen. Die Elefanten gingen auseinander, bis die Seile straff gespannt waren. Zu meiner Erleichterung merkte ich, dass mich die Elefanten wider alle Wahrscheinlichkeit nicht zerrissen. Ja, ich hatte noch nicht einmal meine Arme ganz gestreckt, sondern leicht angewinkelt, damit man besser das Spiel meiner Muskeln sehen konnte. Als ich sah, wie der Hase lief, entfaltete ich meine bescheidene Schauspielkunst: ich stöhnte, uffzte, spannte dramatisch meine Halsmuskulatur an, keuchte, verlor mein Gleichgewicht und ging dramatisch in die Knie, bis ich schon von Steg zu rutschen drohte und nur meine heldenhafte Stärke mich wieder auf die Beine brachte. Kurz, ich tat, was man in einem guten Sandalenfilm tat. Als ich von draußen Lärm hörte, wusste ich, dass meine Zeit da war. Ein gehetzter Soldat brach in den Thronsaal herein und schrie laut zu Jugera:
„Die Wikinger! Die Wikinger sind hier!“
„Hurra!“, jubelte ich. Irgend wie hatten es die Wikinger unter Thorgerda und Ajax also geschafft mit ihrem Heer völlig unbemerkt bis zu Jugeras Vulkanfestung vorzustoßen. Vermutlich hatten sie die karge Deckung der Aschewüste besonders effektiv ausgenutzt.
„Zu den Waffen!“, rief Jugera laut. Vor Schreck war sie aufgesprungen. Als in dem sich erhebenden Aufruhr einer der Elefanten scheute, lockerte sich die Spannung der Seile. Ich hatte genug Spiel um vom Steg zu laufen, einen Kelten zu überwältigen und mich mit seinem Schwert zu befreien. Kaum entfesselt rannte ich zu Orm. Jugera und Claudius Maximus ergriffen die Flucht und rannten nach draußen Richtung Kampflärm. Thorkell aber hielt die Stellung und trat mir entgegen. Ich wich seinem Schwerthieb aus und verpasste ihm einen ordentlichen Schwinger mit der flachen Hand, wobei ich es mir nicht verkneifen konnte laut „Uffti“ und „Hauruck“ zu schmettern. Thorkell wirbelte einmal um seine horizontale Achse und krachte scheppernd auf den Boden. Er blieb liegen und damit er es auch für längere Zeit tat, trat ich ihm ganz unheldenhaft gegen den Kopf.
Ich nahm Orm die Ketten ab. Der Wikingerkönig reichte mir erfreut die Hand:
„Machiste! Ich wusste, du würdest es schaffen!“
„Äh, ja, hatte selbst auch nie Zweifel.“
„Komm Machiste, draußen wartet der Kampf auf uns!“ Orm nahm ein Schwert vom Boden auf und rannte hinaus. Dabei rief er aus vollem Hals „ODIN!“ Ich verkiff mir derlei Albernheiten, lief aber ebenfalls nach draußen. Dort tobte die Schlacht. Die war sehr schrecklich. Man sah es an den immer wieder gleichen Grauen: Ein Schwertstreich und ein Mann drehte sich mit einer klaffenden Wunde im Gesicht in meine Richtung und fiel sogleich mit einem Schreien um. Ich schüttelte den Kopf und packte mir einen von den hingefallenen.
„He, du!“ Der Mann kreischte.
„Ach komm schon, Mann. Das ist doch keine tödliche Wunde. Okay, gut, gibt eine böse Narbe und so ohne jegliche moderne Medizin rafft dich der Wundbrand bestimmt in ein paar Wochen dahin, aber jetzt...jetzt kommt schon!“
Der Mann stand leicht geknickt auf.
„Dachte wirklich, es sei schlimmer...“
„Ja, ja, schon gut.“
Ein Kelte lief vorbei und zog dem Mann die Klinge über den Bauch. Er kreischte erneut und fiel wieder hin. Ich stemmte die Fäuste in die Hüften und schüttelte vorwurfsvoll das Haupt:
„Ach, jetzt ist aber gut, ja! Ich meine, du trägst ein Kettenhemd. Das kann man doch nicht einfach so im vorbeilaufen mitsamt der Bauchdecke aufschlitzen, oder? Ich meine, wenn ja, warum dann überhaupt soviel investieren? Weil´s jeder hat? Weil´s cool ist? Man sieht ja noch mit einmal Gedärm. Hoch mit dir!“ Ich packte den Mann und stellte wieder auf die Beine. Mit einem leicht frustrierten „ODIN“ rannte er wieder in die Schlacht.
Ich sah dem Treiben eine Weile zu, schlug hier und da zwei Feinde an ihren Köpfen zusammen. „All dies Morden“, schrie ich endlich auf, als die Sache immer mehr ausartete.
Meine Heldenstimme verschaffte sich selbst in diesem stählernen Schwerterreigen Gehör. Das Kämpfen hielt inne, als ich die Stufen zu Jugeras Palast erklomm, damit man mich besser sah:
„All dies Morden!“, rief ich tönend. „Seht Euch an, so wütend wie der gräulich Ares, dem nur Mord und Unglück erfreuen. Wisst ihr denn nicht, dass zwei Heere, die einander bekämpfen, ein großes Heer sind, das Selbstmord an sich übt? Gut, gut, das ist zwar billig von einem geklaut, der´s genau wusste, aber dennoch ist´s wahr, oder? Ihr Söhne, erschlagt nicht anderer Väter! Und ihr Väter, raubt nicht anderen die Söhne! Ist gar einer unter Euch, der sich nach des Todes kalter Umarmung lieber sehnt, als nach des Weibes kosenden Armen? Preist sich der nicht glücklich, der entrinnt dem mörd´rischen Fleischwolf? Wie da anderen jenes Glück rauben?“
Zustimmendes Gemurmel erhob sich da von den Männern. Die Pause dauerte nun lange genug, so dass der wildeste Blutrausch verflogen war.
„Greift nicht zum alten Erbleid, Gewalt mit Gewalt vertreiben zu wollen. Wie im Kriege Feind von Opfer unterscheiden? Der Feind ist erschlagen, doch Leid wird auch seinem Weibe, das lallend Knäblein noch an milchiger Brust, angetan. Wird sie nicht in ihren Sohn den Keim der Rache legen, hinfort bis in alle Ewigkeit? Meint denn einer unter Euch, sein Kampf sei ein gerechter? Ist er´s denn? Seht ihr Kelten, ganz gegens Völkerrecht nahm Jugera den Wikingerkönig Orm gefangen!“
Die Wikinger brummten zustimmend.
„Wie nun, Wikinger, ihr stimmt zu? Ist euer Grund ein besserer? Nö, mein ich, seid ihr doch die Invasoren aus dem Norden, die den Kelten ihr Land streitig machen! Ach, ihr Römer braucht gar nicht so zu grinsen. Keinen Deut besser seid ihr. Mit dem pilum wollt ihr Kultur bringen? Also, soviel Kultur kann es doch gar nicht geben, dass man sie mit Gewalt bringen kann! Sind nun die Gründe keine gerechten, wie da weiter kämpfen? Lasst ab vom Morden, sage ich. Zusammen halten, gilt´s. Ja, gemeinsam seid ihr stark, gemeinsam könnt ihr großes vollbringen.“ Mit verklärtem Antlitz blickte ich in den Himmel und hob beschwörend die Arme:
„Lernt aus der Vergangenheit eine Zukunft zu schmieden! Glaubt ihr denn, die Angel-Sachsen lassen ewig auf sich warten?“
Als ich geendete hatte, hielt es die Gegner nicht länger und sie fiel sich in die Arme.
„Nicht schlecht“, dachte ich. „Endlich mal die Geschichte verändern. Wer kann das schon von sich behaupten?“
Ich fand Ajax und Thorgerda, die sich vor Freude umarmten. Ich konnte Ajax rechtzeitig von der Wikingerprinzessin wegzerren, ehe sich seine Hand noch mehr verlaufen konnte.
Orm kam und dankte mir. Auch Claudius Maximus, der sichtlich bewegt war von meiner Ansprache:
„Das war sehr inspirierend, Machiste. Du bist wahrlich ein Mann des Wortes.“
„Dafür ist Machiste ja besonders bekannt“, erwiderte ich freundlich. Als alles aufs strahlende Happyend hinaus lief, kam endlich die schöne Königin Jugera herbei. Tränen lagen in ihren Augen.
„Machiste...“, stammelte sie. Es war deutlich, das meine Worte ihre verletzliche Weiblichkeit angesprochen hatten.
Ich legte ihr meinen Finger auf die Lippen.
„Psst, Liebe. Sag nichts. Küss mich nur.“
„Sei leidenschaftlich und doch sanft zu mir“, hauchte sie.
Ich schloss die Augen, beugte mich vor und erwachte...

„...und zwar in dieser Realität.“
Ich blickte in Mike´s Gesicht und das meiner zukünftigen Klientin. Unglauben und ein Hauch von Panik lagen darin.
„Ach, schon gut“, sagte ich resigniert. „Ihr braucht gar nichts zu sagen. Hab eh nicht erwartet, dass ihr mir glauben würdet, aber... na ja, manchmal muss ich mir die Sache einfach von der Seele reden.“
Ich steckte mir eine Zigarette an.
„So, Dollface, nun zu dir. Worum geht es?“
„Es geht um meinen Mann, Mister Brack. Er verfolgt mich.“ Sie hatte sich augenscheinlich recht gut von meiner Geschichte erholt. Ich konnte es ihr nicht verdenken. Ich bedeutete Mike uns neue Drinks zu mixen, derweil ich mir mit gespielten Interesse den Fall der Lady anhörte.
„Aha, Mafiosi ist ihr Mann, ja? Umbringen wie? Aha. Ja. Wirklich schlimme Sache.“
Mike stellte uns die Drinks hin. Wir stießen an.
„Mach dir mal keine Sorgen, Honey. Der alte Leo wird die Sache schon regeln. Ich hab schon ganz anderes gedeichselt.“
Ich stürzte den Drink in einem Zug hinunter.
„Ach übrigens“, lallte ich, „Habe ich Euch schon von meiner Rolle in dem Highschool-Horror-Schocker erzählt? Nein? Also, dass war so...“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.02.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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