Hans Pürstner

Reich ins Heim, 5. Kapitel

Wie schon so oft hatte Oberinspektor Pilz seinen Dienstwagen stehen gelassen und statt dessen lieber die Tramway genommen. Ganz in Gedanken über den Fall versunken hätte er beinahe die Haltestelle verpasst. Der Fahrer schaute böse, als Pilz im letzten Moment den Halteknopf drückte und öffnete die Tür. Der stieg aus, schaute schuldbewusst in Richtung Fahrer und überquerte die belebte Strasse wo er auch schon das vergilbte Leuchtschild Cafe Hilmteich erspähte. Jetzt um 5 Uhr nachmittags bevölkerte nur eine kleine Schar älterer Damen das altmodische Cafe gegenüber dem Hilmteich, seit Jahrzehnten beliebtes Ausflugsziel der Grazer, im Sommer zum Ruderbootfahren, im Winter zum Schlittschuhlaufen.
Kaum hatte der Oberinspektor an einem der filigranen Tische Platz genommen, kam auch schon eilfertig die Serviererin auf ihn zu, um seine Bestellung aufzunehmen
„Was hätten´s denn gern, der Herr?“ fragte sie freundlich
„Ich glaub, ich nehm einen Großen Braunen! “
antwortete er und griff dankbar nach einer der Zeitungen, die an Ständern an der Wand ausgelegt zum Lesen einluden.
Während Pilz sich in einen Artikel des Sport Kurier vertiefte, schaute er sich unauffällig in dem kleinen Lokal um. Es war nichts Ungewöhnliches zu sehen, geschweige denn eine Person, die der geheimnisvolle Unbekannte hätte sein können.
Während er sich noch wunderte, wieso ihn jemand ausgerechnet hierher bestellt hatte, ohne irgendeinen Grund dafür zu nennen, ging die Tür auf und ein junges Mädchen trat ein. Es war vielleicht sechzehn Jahre alt, eher klein und etwas pummelig, und trug, nicht ganz passend zu ihrer Figur, hautenge Jeans und einen für diese Jahreszeit fast zu kühlen dünnen Pulli. Sie schaute sich etwas schüchtern um und als sie den Oberinspektor erkannte, umspielte ein erleichtertes Lächeln ihr kleines hübsches Gesicht. Sie ging auf seinen Tisch zu und stellte sich vor:
„Grüß Gott, Herr Oberinspektor, ich bin Britta Schober, seit eineinhalb Jahren mache ich eine Lehre zur Altenpflegerin im Seniorenheim Waldesruh.“
Sie deutete unsicher auf den freien Stuhl neben ihm und auf sein zustimmendes Nicken hin setzte sich an seinen Tisch. Erstaunt musterte er das schüchterne Mädchen
und sagte„Ich kann mich gar nicht erinnern, sie damals im Heim gesehen zuhaben, Fräulein Schober,“
„Sagen sie ruhig Britta zu mir, das tun eh alle!“ antwortete das Mädchen. “In der Nacht, in der Frau Eibel so tragisch ums Leben kam, hab ich nicht in meinem Zimmer geschlafen- ich habe nämlich ein kleines Personalzimmer im Heim- sondern ich bin zu meinen Eltern nach Fürstenfeld gefahren.
Gleich nachdem ich am Morgen wieder meinen Dienst angetreten hatte, haben mir die Kollegen von der schrecklichen Geschichte erzählt. Da waren Sie aber leider schon weg. Und als Sie noch mal wiedergekommen sind, um Frau Pröll zu besuchen, da traute ich mich einfach nicht, etwas zu sagen“
Er rückte seinen Stuhl näher heran und fragte interessiert,
„Nun erzählen sie mal, was wollten sie mir denn so Geheimnisvolles mitteilen, weswegen sie mich extra hierher bestellt haben?“
Britta druckste noch etwas verlegen herum, dann sagte sie
„Irgendetwas stimmt nicht mit diesem Heim, Herr Oberinspektor! Ich habe mich schon öfter mit Mitschülerinnen in der Berufsschule über diese Sachen unterhalten. Die meisten von ihnen arbeiten in Heimen die zur Kirche oder anderen gemeinnützigen Vereinen gehören, bei denen ist einiges anders als bei uns. Hier ist es schon öfter passiert, dass ein Heimbewohner in eine höhere Pflegestufe eingestuft worden ist, obwohl er noch ganz rüstig war. So was muss natürlich von einem Gutachter geprüft werden, und die sind eigentlich überkorrekt. Aber manchmal, wenn mal wieder ein Gutachter angekündigt war, durften wir dann eine Person nicht mehr hinunter in den Speisesaal gehen lassen, sondern mussten das Essen ins Zimmer bringen. Angeblich nur für die Zeit, in der sie schlecht schlucken konnte. Aber diese Anweisung wurde nie mehr aufgehoben. Nach ein paar Tagen hat der Bewohner sich daran gewöhnt und fand das ganz bequem. So sind ein paar Leute offiziell bettlägerig geworden, obwohl sie bis dahin noch gerne spazieren gegangen sind.“
„Und warum das ganze?“, fragte Pilz verwundert.
„So bekommt das Heim mehr Geld für den Patienten. An sich würde dadurch auch der Pflegeaufwand höher, was dann mehr Personalkosten bedeuten würde. Doch in Wirklichkeit heißt das aber nur, dass ich oder eine Kollegin noch mehr Essen in die Zimmer bringen müssen, das Heim aber dafür mehr Geld kassiert. Frau Eibel hat früher bei der Gebietskrankenkasse gearbeitet und kannte sich mit solchen Sachen gut aus. Deshalb war sie von Anfang an misstrauisch. Als sie dann den Dekubitus bekam, hat sie sich bitterlich beklagt, dass die schlechte Pflege hier im Heim schuld daran wäre. Aber wir können nicht mehr tun als arbeiten. Es wächst uns sowieso schon über den Kopf. Ich als Lehrling sollte hier eigentlich ausgebildet werden. Stattdessen mache ich die Arbeit von ausgelernten Pflegerinnen, sogar Spritzen geben muss ich manchmal, obwohl ich das gar nicht machen dürfte. Aber ein Diabetiker kann nicht ewig auf seine Insulinspritze warten, nur weil gerade keine ausgebildete Schwester auf der Station ist!“
Britta wurde immer gesprächiger. Pilz winkte die Bedienung heran und fragte das Mädchen, was sie trinken möchte. Sie bestellte einen Cappuccino auf seine Rechnung und erzählte weiter
„Wissen sie eigentlich, dass die Heimleiterin, Frau Pröll, in der Nacht, als Frau Eibel ums Leben kam, im Heim war?“
Pilz fragte verwundert,
„Woher weißt du denn das, ich hab gedacht, du warst gar nicht dort?“
„Als ich am Nachmittag des Vortages weggefahren bin, hat sie mir gesagt, sie wolle im Gästezimmer im 3.Stock schlafen, weil ihr Auto in der Werkstatt nicht rechtzeitig fertig geworden ist. Ich sollte ihr frisches Bettzeug raufbringen.“
„Das ist ja interessant“, meinte Pilz und nahm sich vor, Frau Pröll am nächsten Tag ins Büro vorzuladen, anscheinend wusste sie doch mehr, als sie ihm zuletzt gesagt hatte.

Zufrieden mit dem was er erfahren hatte, verabschiedete Pilz sich von Britta und versprach hoch und heilig, ihr Gespräch strikt vertraulich zu behandeln.
Nach einem Blick auf seine Armbanduhr sah er, dass es höchste Zeit war, seine Tochter abzuholen. Jetzt wo er am Cafe Hilmteich war, verwünschte er sein Angebot an Irene, sie mit dem Auto zu hause abzuholen, das bedeutete jetzt eine Fahrt bis in die Innenstadt und wieder zurück, wo das Restaurant Waldschlösschen von hier nur 5 Minuten entfernt gewesen wäre. Aber es half nichts, da musste er durch. Gerade noch rechtzeitig zum verabredeten Zeitpunkt stoppte er vor dem Haus in dem Irene wohnte, während sie schon ungeduldig wartend an der Haustür stand.
„Mensch, Papa, du bist ja sogar einmal pünktlich! Ich hab mich schon auf eine längere Wartezeit eingestellt!“
„Nicht frech werden, junge Dame, wenn ich wirklich mal zu spät komme, dann hat das triftige Gründe!“, giftete der Oberinspektor zurück.
„Ja, Papa, ist ja schon gut, ich weiß eh, dass dir deine Arbeit über alles geht. Schade, dass die Mama so wenig Verständnis dafür gehabt hat!“, seufzte sie und Pilz musste ihr insgeheim Recht geben.
„Jetzt lass uns aber losfahren, ich hab schon einen Hunger wie ein Bär!“, meinte er und setzte seinen alten Opel in Bewegung.
Alsbald hatten sie das Ziel ihrer Verabredung erreicht und stellten den Wagen am nahe gelegenen Parkplatz ab. Das Restaurant war im Erdgeschoss des kleinen Landhotels untergebracht, das auf einer Anhöhe, auf halbem Weg zwischen Hilmteich und Mariatrost und wie der Name schon sagt, mitten im Wald lag.
Voller Vorfreude auf das bekannt gute Essen steuerten die Beiden auf das einladende Gebäude zu. Am Eingang stand Toni Bühler und begrüßte, freundlich wie immer, seine Gäste:
„Meine Verehrung, Herr Oberinspektor, geben sie uns auch einmal wieder die Ehre? Und sogar das Fräulein Tochter ist mitgekommen, gibt’s was zu feiern?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, verabschiedete sich der sichtlich gestresste Restaurantbesitzer nach einem kurzen Händedruck in Richtung Küche. Die Zwei blickten ihm etwas ratlos nach.
„Der Toni ist halt ein Koch, und der fühlt sich in der Küche immer noch am wohlsten“, entschuldigte Pilz sein ungewöhnliches Verhalten
Irene ging voraus mit suchendem Blick in den hinteren Speisesaal und bald hatte sie den Mann entdeckt, mit dem sie sich ihrem Vater zuliebe verabredet hatte.
„Papa, darf ich dir meinen Kollegen Herrn Lechner vorstellen, er ist verantwortlicher Redakteur für die bekannte Seniorenheimserie im Grazer Express
“Reich ins Heim, arm ins Grab“. Er ist gerne bereit, sich mit dir über seine Recherchen zu unterhalten.“
„Grüß Gott, Herr Pilz, Peter Lechner ist mein Name. Irene hat mir schon einiges über sie erzählt!“, stellte er sich höflich vor.
„Hoffentlich nicht nur Schlechtes, oder? Das ist aber eine nette Überraschung! Ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie mir bei meinen Ermittlungen behilflich sein wollen, Herr Lechner!“ Pilz war sichtlich erfreut über den unverhofften Gast bei ihrem Essen.
„Wer weiß, vielleicht kriege ich ja auch einmal den einen oder anderen Tipp von ihnen, Herr Oberinspektor?!“ gab Lechner den Dank zurück.
Inzwischen war Frau Schenk, der gute Geist des Waldschlösschens an den Tisch gekommen, in der Hand drei der in feines Leder gebundenen Speisekarten.
„Sie ist wirklich eine Kellnerin mit Leib und Seele!“, flüsterte Pilz seinem Gegenüber zu. „Eines dieser inzwischen leider fast ausgestorbenen Exemplare. Wenn sie einen Gast mag, dann zerreißt sie sich fast für ihn. Sie hat auch schon so manchen Kampf mit den Köchen ausgefochten, wenn die nicht immer einsehen wollten, dass dieser oder jener Extrawunsch einfach erfüllt werden musste. Dass dafür das Trinkgeld dann meistens auch nicht zu knapp ausfällt, erleichtert ihr diesen Kampf wohl nicht unwesentlich.“
„Einen wunderbaren Rehschlögel mit Blaukraut und hausgemachten Spätzle hätten wir heute, Herr Oberinspektor!“ empfahl sie die Tagesspezialität mit einem entwaffnenden Lächeln und überreichte den dreien die Speisekarte.
„Darf´s schon was zu trinken sein, die Herrschaften?“
Das war schon mehr Befehl als Frage, und wenn einer der Gäste diese ausweichend beantworten sollte, musste er zur Strafe mit einer längeren Wartezeit bis zu ihrem Wiedererscheinen rechnen.
„Gern, Frau Schenk, ich glaub- mit ihrem Einverständnis Herr Lechner- wir nehmen eine Flasche Blaufränkischen aus dem Burgenland, der schmeckt wirklich hervorragend!“
Lechner nickte zustimmend und die Kellnerin entschwand zufrieden in Richtung Tresen.
„Ich nehme an, Herr Lechner, Irene hat ihnen erzählt, dass ich an einem Fall im Seniorenheim Milieu arbeite. Ist ihnen bei den Recherchen zu ihrer - übrigens hochinteressanten - Serie auch der Name Urban untergekommen?“
„Ja, der Urban, über den hätte ich am liebsten eine eigene Folge geschrieben! Aber unser Verlagsjurist hat mir dringend davon abgeraten, mich mit dem anzulegen. Der war ja früher ein sehr gefragter Internist, einige seiner ehemaligen Patienten sind zum Teil in einflussreichen Stellungen. Wenn der einmal seine Verbindungen spielen lässt, haben wir zumindest eine Gegendarstellung in der nächsten Ausgabe, wenn nicht überhaupt gleich eine Beschlagnahme.
Wissen sie, was mir mein Chefredakteur dann erzählt, Herr Oberinspektor?“
Der Journalist verdrehte entsetzt die Augen, schon beim bloßen Gedanken daran.
„Ich kann mir schon denken, was“, stimmte ihm Pilz zu. „Bei uns ist das auch nicht anders. Was glauben sie, wie oft ich in meinen Ermittlungen schon behindert worden bin, weil sich mal wieder einer der Herren mit der blütenweißen Weste auf den Schlips getreten gefühlt hat. Ein Anruf bei einem Politiker, ein zweiter beim Herrn Hofrat oder beim Polizeidirektor, und schon musste ich klein beigeben.“
Seine Geringschätzung für Besserverdienende war nicht zu überhören,
„Aber ich hab bald gelernt, damit umzugehen, am Ende kriegte ich doch meistens meine Informationen. Nur damals beim Fall Worthington, da hatte ich wohl in ein Wespennest gestochen. Zwar gab es einen Tatverdächtigen, einen Herrn Waller, der früher bei der SS war. Aber als ich gerade mitten in den Ermittlungen war, wurde der Fall an die Staatspolizei abgegeben. Und die hat ihn nach kurzer Zeit eingestellt. Der Mann hat ein paar Monate später bei mir im Büro sogar ein Geständnis abgelegt. Aber es ist trotzdem alles vertuscht worden.
Und ausgerechnet diesen Waller haben wir jetzt wiedergetroffen, im Seniorenheim Waldesruh.“
Als Pilz den Namen des Seniorenheims erwähnte, wurde Lechner sofort hellhörig. Ihm fiel wieder ein, dass er einmal mit einer Informantin für seine Recherchen, einer Frau Holzinger, gesprochen hatte, die nach ihren Worten vor Jahren im Waldesruh beschäftigt gewesen sein soll. „Jetzt ist sie Leiterin der Hauswirtschaft in einem großen Heim der Caritas in Wien. Sie hat in Graz gekündigt, weil sie den Gegensatz zwischen Anspruch und Wirklichkeit nicht mehr ertragen und verantworten konnte. Nach dem, was sie mir berichtet hat, wird die Heimleitung von der Betreibergesellschaft, also dem Herrn Urban und zwei Kompagnons, extrem unter Druck gesetzt. Die finanziellen Vorgaben in Bezug auf Personalkosten, Verpflegungsaufwand und Rendite machen eine vernünftige Pflege der alten Menschen in diesem Heim fast unmöglich. Nur weil es unter den Angestellten so viele Idealisten gibt, die mit 150%igem Einsatz und der Gefahr gesundheitlicher Schädigung ihre Arbeit machen, ist das Waldesruh bisher vor einer behördlichen Schließung bewahrt worden. Weil immer dann, wenn eine Kontrolle der Heimaufsicht angesagt war, schickte Urban ein paar zusätzliche Pflegekräfte aus einem anderen Betrieb seiner Gesellschaft hin und schon drückten die Kontrolleure wieder einmal beide Augen zu.“
Der Oberinspektor nickte zufrieden, wurde doch seine Ahnung bestätigt, dass in dem Heim etwas nicht in Ordnung zu sein schien! Er spann den Gedanken weiter und spekulierte
„Das Opfer, Frau Eibel, war ja früher bei der Gebietskrankenkasse angestellt, wer weiß, vielleicht hat sie ja bei der Heimleiterin Druck gemacht. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass man sie in diesem Fall gleich umbringt, aber es könnte doch auch einen Streit gegeben haben, in dessen Verlauf es zu einem Handgemenge mit dem bekannt tragischen Ausgang kam. Und um den wahren Hergang zu vertuschen, hat man dann einen Mord vorgetäuscht, indem man die Blutspuren abgewischt hat.“
Die Beiden waren derart verbissen in ihr Fachgespräch vertieft, dass sie völlig auf Irene vergessen hatten. Die schaute ihren Tischnachbarn, nachdem sie am Anfang noch interessiert zugehört hatte, von Minute zu Minute ungeduldiger zu und schimpfte dann lauthals
„Und ich hab gedacht, du hättest mich zum Essen eingeladen, Papa! Stattdessen fängst du wieder nur deine Mörder. Dabei hab ich einen riesigen Kohldampf, und der Wein steht auch schon ewig hier, ohne dass du nachgeschenkt hast!“
Pilz zuckte sichtlich erschrocken zusammen, auch sein Gesprächspartner blickte schuldbewusst auf.
„Entschuldige, Irene, wie unhöflich von mir! Jetzt wollen wir aber schleunigst unser Essen bestellen. Frau Schenk, ach kommen´s doch bitte!“
Die Serviererin, die schon ein paar mal missbilligend herübergeschaut hatte, kam auch sofort an ihren Tisch, zückte Block und Bleistift und blickte Pilz streng in die Augen
„Haben die Herrschaften endlich gewählt? Ich hab schon gedacht, sie hätten gar keinen Hunger heute!“
Frau Schenk nahm sich wie immer kein Blatt vor den Mund, ihre Stammgäste wussten ja, wie sie das meinte.
„Irene, bitte bestell du zuerst! Was möchtest du essen?“ fragte Pilz zerknirscht.
„Ich hätte gern das Putenschnitzel mit Kürbispanade, und dazu einen Vogerlsalat , aber mit Kürbiskernöl!“
Herr Lechner bestellte einen Zwiebelrostbraten mit grünen Bohnen und gerösteten Erdäpfeln, während Pilz sich bei der Kellnerin einzuschmeicheln versuchte,
„Ich nehme ihre Empfehlung, Frau Schenk, den Rehschlögel. Kann ich Kohlsprossen dazu kriegen? Blaukraut mag ich nicht so gern!“
„Aber selbstverständlich, Herr Oberinspektor! Kommt sofort!“
Damit eilte sie in die Küche, während Pilz etwas wehmütig zu seinem Gegenüber sagte.
„Ich glaub, wir setzen unser Gespräch ein anderes Mal fort, Herr Lechner, fürs Erste herzlichen Dank für die interessanten Mitteilungen! Aber jetzt wollen wir uns wirklich nur noch dem Essen widmen!“ Dankbar lächelte ihn seine Tochter an, und meinte
„Das wurde aber auch Zeit, Papa, irgendwann kannst du doch auch einmal deine Mörder Mörder sein lassen!“
Wie versprochen, kam auch schon bald das Essen und die drei ließen es sich schmecken. „Dein Kürbisschnitzel schaut aber wirklich gut aus“, meinte Pilz mit aufforderndem Blick zu seiner Tochter, denn die Beiden hatten es sich angewöhnt, immer vom Teller des Anderen zu kosten. So hatte jeder die Möglichkeit, gleich zwei Leckerbissen probieren zu können. Brav schnitt sie ein kleines Stück ab und schob es ihm liebevoll in den Mund. „So was knuspriges hab ich ja schon lang nicht mehr gegessen!“, bedankte Pilz sich begeistert und bot Irene ein kleines Stück von seinem wunderbar weich gedünsteten Rehschlögel an. „Danke, Papa“, wehrte sie höflich ab, „ich ess nicht so gern Wild, du weißt ja, warum!“ Augenblicklich sah er sie wieder vor sich, als siebenjähriges, zartes und zerbrechlich wirkendes Mädchen gerade in die Schule gekommen. Die Familie hatte einen Sonntagsausflug mit dem Auto auf die Teichalm gemacht, und bei der Rückfahrt war ihnen ein kleines Reh ins Auto gelaufen. Sie war damals tagelang kaum zu beruhigen gewesen. Andererseits war es ihm auch nicht unangenehm, dass er nun sein Essen mit niemand teilen musste, und so schenkte er allen noch einmal Wein nach und genoss das wunderbare Mahl.
Zum Abschluss gab Pilz noch Allen einen Slivovic aus, bevor er leise seufzend seine Brieftasche heraus holte und die Rechnung bezahlte. Wie gewohnt bedachte er auch Frau Schenk mit einem großzügigen Trinkgeld, worauf diese es sich nicht nehmen ließ, ihre Gäste bis zum Ausgang zu begleiten und mit untertänigen Dankbarkeitsbezeugungen zu verabschieden.
„Ich glaub, nächstes Mal geb ich ihr weniger Trinkgeld, sonst rollt sie uns in Zukunft den roten Teppich aus und die Kapelle spielt einen Tusch! Nur gut, dass ich vor lauter Reden vergessen hab, den wunderbaren Wein zu trinken. So kann ich wenigstens ohne schlechtes Gewissen mit dem Auto zurückfahren!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.02.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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das sich naturgemäß dann dreht
und schnelle ganz geschwind,
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der schließlich dann zum Sturme wird,
und gefahren in sich birgt-
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vor den Gewalten der Natur.
Der Mensch wird vielleicht etwas klüger,
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