Kristina Korus

Mondlichtwalzer

“Nicht immer, wenn es dunkel ist, findet man das, was man sucht.“
Da! Sie tat es schon wieder: in Rätseln reden.
Aber wer war sie eigentlich? Und warum kam sie regelmäßig zu ihm und redete auf ihn ein?
Er mochte das nicht. Zumindest wenn er schlief wollte er in Ruhe gelassen werden. Aber nein, im Traum war er ja stumm. Und so wandelte er auf seltsam grünen Straßen und gab sich seinem Schicksal hin.
Sie redete immer, schien sich aber nicht drum zu scheren, ob er ihr auch zuhörte. Sie schaute ihn nicht an um festzustellen, ob er ihren Gedankengängen immer noch folgte. Er fragte sich, ob es nicht seine Gedanken waren, und sie so eine Art Übertragungsapparat von seinem untersten Unterbewusstsein bis in die Sphären, die wir willentlich beeinflussen können.

An einem See trat ein alter Mann mit weißem Bart auf sie zu und verbeugte sich. Er begann in einer fremden Sprache zu reden. Die Begleiterin wurde ihrerseits stumm und hörte zu. Er hingegen verstand kein Wort. Sie verbeugte sich nun ihrereseits vor dem alten Mann, der sie zahnlos anlächelte. Dann ging sie weg.
Das war neu. Bisher war sie noch von seiner Seite gewichen. Sie hatte auch zu niemand anderem außer zu ihm gesprochen.

Er machte Anstalten ihr nachzulaufen, doch der alte Mann hielt ihn fest und schüttelte den Kopf. So lief er also in eine andere Richtung, neben ihm hertrottend der alte Mann, der von seinem Bart erzählte.
An einem Apfelbaum machten sie Rast. Der Alte beichtete bis aufs kleinste Detail, wie man so einen Bart pflegen muss, damit man auch in dem hohen Alter, in dem er gerade sei, seine Freude dran haben könnte.
“Doch niemals wird der Bart so lang wie die Zunge eines Mannes.“
Da! Der Alte tat es auch! Rätsel. Er fragte sich insgeheim, ob rätselhafte Träume die Vorstufe zum Wahnsinn waren.

Zeitlich nicht weit entfernt fand ein Treffen statt. Verschiedene Angehörige trafen aus verschiedenen Gründen aufeinander und fanden sich in einem lustigen Reigen wieder, der vom Mondmeer silber überflutet wurde.
Der Wanderer stand auf und bemerkte, dass der Alte eingeschlafen war – was ihn jedoch nicht daran hinderte weiter zu reden. Wie ein Quell floss es aus seinem Munde raus und in das funkelnde Mondmeer hinein.

Die Tänzer erstarrten, als er den Platz betrat, nur das leis vor sich hin plätschernde Mondlied flog auf und wob sich in alle Anwesenden.
“Das ist...“, begann einer.
“Nein“, widersprach ein anderer.
Der Wanderer hob die Hand zum Gruße. Doch irgendwie schien er damit die Tänzer sehr zu erschrecken – sie stoben auseinander wie eine Schar Fliegen, wenn man mit der Hand nach ihnen wischt.
Erstaunt blickte er sich um.
Der Platz war nun leer.
Selbst das Mondmeer hatte sich in alle verfügbaren Ritzen und Löcher verkrochen. Sein leises Lied klang panisch.

Mit wachsendem Entsetzen stellte der Wanderer fest, dass tatsächlich er der Grund für die Flucht war. Seine Hand, die er in Freundschaft erhoben hatte, hielt ein dunkles Schwert, auf dem die weißen Knochen, die den Griff umklammerten, nur noch stärker zu Geltung kamen. Auch der Rest von ihm war verkohlt und ausgebleicht.

Der alte Mann tauchte wieder auf. Der Wanderer erkannte ihn fast gar nicht, denn der Bart war ab. Auch er hielt ein Schwert in der Hand. Es qualmte.
Der Alte kam auf ihn zu, wieder vor sich hin brabbelnd, doch schwang er in bedrohlicher Art sein rauchendes Schwert. Hinter ihm tauchte die Begleiterin auf, ebenfalls ein Schwert schwingend. Und hinter diesen beiden sah er ein ganzes Heer von Tänzern.

Bevor sein Schwert zu rostigem Staub zerfiel, erschlug er den Alten und die Frau.
Dann ertrank er im Reigen der Tänzer.

Eigentlich hätte ich mich wohl mit VWL beschäftigen sollen, aber dann kam mir der erste Satz in den Sinn... und dann kam der Rest.
Das gute, alte "Ein-Satz-eine-Geschichte"-Prinzip.

Und Pascal sei Dank, hat das Teil jetzt sogar nen tollen Titel.
:-)
Danke!
Kristina Korus, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.03.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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