"Ich
komme gleich!" rief Heiko seiner Sekretärin zu, während er den
Telefonhörer zuhielt. Sie hatte schon zum zweiten mal nach ihm gerufen, weil
ein Kunde im Vorzimmer wartete. Heiko telefonierte gerade mit Sabine. Er hatte
sie letzte Nacht mit zu sich nach Hause gebracht. Sie hatten sich in einer Bar
kennengelernt. Er war verzaubert von ihrem purpurnen Kleid, ihrem
perlenbesetzten Schmuck und ihrem verführerischen Blick. In der Hand hielt sie
ein vergoldetes Glas mit teuerstem Champagner. Heiko kam schnell ins Gespräch
mit ihr. Sabine hatte ein gut laufendes Geschäft für alle möglichen
Luxusartikel. Viele große und einflussreiche Leute kauften bei ihr ein. Sie war
zwar verheihratet, sagte aber, sie fände ihren Mann total langweilig und es
wäre nur eine Frage der Zeit, bis sie sich trennen würden. Heiko hatte das als
Rechtfertigung gereicht, mit ihr ins Bett zu gehen und sie hatten richtig viel
Spaß gehabt. Er selbst war auch einmal verheihratet gewesen. Die Ehe ging aber
zu Bruch, als seine Frau schwanger wurde. Heiko konnte sich mit dem Gedanken
nicht anfreunden, ein Kind zu haben, schließlich hatte er schon genug Stress in
der Kanzlei. Er hatte sie überreden wollen, das Kind abzutreiben, sie hatte
aber entschlossen abgelehnt. Weiterhin hatte sie sowieso ständig genervt, dass
sie sich so selten sehen würden, weil er immer bis spät in die Nacht zu
arbeiten hatte. Heiko hatte sich für die Karriere entschieden und einen
Schlussstrich gezogen. Nun schickte er seiner Ex-Frau regelmäßig Geld und
beruhigte damit sein Gewissen. Außerdem besuchte er seinen Sohn von Zeit zu
Zeit, da er ein gewisses Gefühl der Verbundeheit zu ihm nicht abstreiten
konnte. Der Junge gab ihm jedesmal etwas Bodenständigkeit, Liebe und das Gefühl
der Fürsorge zurück, dass durch dem Stress in der Kanzlei schnell verlohren
ging. Sein Sohn liebte ihn und der kleine gelbe Teddy-Bär, den Heiko ihm
geschenkt hatte, war seit seinem zweiten Geburtstag sein Lieblingsspielzeug
Nummer eins.
"Du,
ich muss jetzt schluss machen, Schatz. Bis heute Abend." Er legte den
Hörer auf. "Schick ihn rein", rief er seiner Sekretärin zu. Ein
großer, etwas schmächtig gebauter Mann (so etwa Ende 30) kam zu Tür herein und
begrüßte ihn mit einem Lächeln. "Was kann ich für Sie tun?" fragte
Heiko. "Ich möchte, dass sie Ihre Kanzlei schließen und zu Ihrer Frau
zurückkehren." sagte der Mann in einem beunruhigend ernsten Ton. Heiko
musste kurz lachen, verstummte aber wieder, als er bemerkte, dass der Mann in
seiner ernsten Mine verharrte. "Was soll das heißen? Wieso sollte ich das
tun?" fragte Heiko. "Ich zwinge Sie nicht dazu, aber wenn Sie nicht
auf mich hören, werden Sie sterben." antwortete der Mann."Soll das
eine Drohung sein? Verlassen Sie sofort den Raum, sonst rufe ich die
Polizei!" sagte Heiko. Ihm standen die Schweißperlen auf der Stirn. Er
wusste nicht, was er mit dem Mann anfangen sollte, wer er war und was er
wollte. "Ich möchte Sie warnen. Ein weiterer Mann wird kommen. Er wird
Ihnen Reichtümer und Macht dafür geben, dass Sie in seinem Auftrag morden. Er
steht unter Zeitdruck und wird alles versuchen, um Sie zu überzeugen. Ihre
einzige Möglichkeit, seinem Willen zu widerstehen ist, diese Kanzlei
aufzugeben." Ist der Mann verrückt? dachte Heiko "Ich bin nicht
verrückt", sagte der Mann "Ich komme, um Ihnen die Augen zu öffnen.
Sie müssen mir vertrauen, ansonsten werden Sie den Absichten des anderen Mannes
unterlegen sein." "Seien Sie nicht albern und verlassen Sie jetzt
bitte diesen Raum" erwiderte Heiko. Mit einem traurigen Blick wandte sich
der Mann zur Tür und verlies den Raum.
Die
folgende Nacht konnte Heiko kaum schlafen. Er hatte wahnsinnige Alpträume von
einer riesigen mehrköpfigen Kreatur, die seine Ex-Frau durch die Wüste
verfolgte. Die Kreatur kam ihm seltsam vertraut vor. Sie war erboßt über seine
Ex-Frau Frau und wollte sie und ihr Kind töten. Das Monster verletzte sich an
einem Felsen, doch die Wunde schloss sich innerhalb weniger Sekunden. Seine
Ex-Frau und ihr Kind fanden schließlich Schutz in einer Höhle, was die Kreatur
noch wütender machte.
Schweißgebadet
wachte Heiko am nächsten Tag auf und machte sich auf den Weg zur Kanzlei. Er
ging wieder einmal zu Fuß, weil das Wetter schön war und er hoffte, auf diese
Weise etwas für seinen Körper tun zu können. Auf dem Weg traf er auf einen
Mann, dessen Auto offenbar liegengeblieben war. Heiko kannte sich etwas mit
Autos aus und bot ihm Hilfe an. Er war ein gutaussehender, stattlich gebauter
Mann mit einem sympatischen Blick. Einzig auffällig war die Wunde an seinem
rechten Auge. Sein Name war Sebastian-Baltasar. Er bestand jedoch darauf, dass
Heiko ihn Sebatian nannte. Ein Hydraulikschlauch hatte sich gelöst, was kein
Problem für Heiko darstellte. Die Panne war schnell behoben und Sebastian fuhr
Heiko zur Kanzlei. "Ich würde Sie heute nach Feierabend gerne zu einem
Bier einladen. Kommen Sie doch um acht ins China-Restaurant an der
Parkstraße." sagte Sebastian. "Gerne" antwortete Heiko und ging
in die Kanzlei. Sebastian war ihm sehr sympatisch und er konnte sich
vorstellen, das sie beide Freunde werden würden. Bei der Arbeit musste er
wieder an seinen Traum denken. In dem Moment schaltete seine Sekretärin einen
Anruf zu ihm durch. Heiko zuckte zusammen, als er die Stimme des Mannes vom
vorherigen Tag hörte: "Halten sie die Augen offen. Ich möchte Ihnen
helfen. Sie werden diesen Mann daran erkennen, dass...." plötzlich wurde
die Leitung unterbrochen.Heiko war verwirrt. Zwei Minuten später kam ein Fax.
In krakeligen Buchstaben stand auf dem Papier: "Geb alles auf und kehr zu
deiner Familie zurück. Sonst bist du der Kreatur ausgesetzt". Obwohl Heiko
diesen Mann für verrückt hielt, lies ihn der Anruf und das Fax den ganzen Tag
nicht mehr los und er konnte es sich nicht verkneifen, jeden seiner Kunden
genau zu begutachten. Er hatte viel Kundschaft an diesem Tag, aber keiner
dieser Menschen fiel ihm sonderlich auf, was für ihn eine Bestätigung seiner
Verrückterklärung gegenüber dem Mann war.
Am Abend
ging er dann mit Sebastian in das China-Restaurant an der Parkstraße. Sie
lernten sich dort etwas besser kennen und Heikos erster positiver Eindruck
bestätigte sich hier. Sebastian war Inhaber einer großen Telefongesellschaft,
die für die ganze Stadt zuständig war. "Ihr Auge ist ja wieder in Ordnung.
Wie haben Sie das so schnell hinbekommen?" fragte Heiko. "Das
wichtigste sind Beziehungen" war alles, was Sebastian dazu sagte und die
beiden stießen erneut an. "Ich kann Sie gut leiden, Heiko. Deshalb möchte
Ihnen etwas schenken. Tragen Sie dieses Gold-Armband an der rechten Hand. Es
wird Ihnen ungeahnte Türen öffnen." "Inwiefern?" fragte Heiko.
"Jeder, der hier in der Stadt Bedeutung hat, wird daran erkennen, dass Sie
zu mir gehören. Dazu gehören zum Beispiel Ärzte und Chefs großer Firmen. Es
wird Ihnen zu großen Erfolgen verhelfen, Heiko" Heiko sah Sebastian
verwundert an und war beeindruckt von dem scheinbar großen Einflussbereich, den
Sebastian in dieser Satdt haben musste. Er nahm dankend an und in den nächsten
Wochen lief seine Kanzlei erfolgreicher denn je. Er vertrat die größten und
einflussreichsten Geschäftsmänner der Stadt und verdiente Massen an Geld.
Folglich arbeitete er von nun an täglich über 15 Stunden. Das machte ihm jedoch
nichts aus, denn die Arbeit war sein Leben. Außerdem wurde er jeden Tag von
Sabine besucht und fand immer noch etwas Zeit für sie. Leider fand er jedoch
keine Zeit mehr, seinen Sohn zu besuchen. Bald hatte er ihn völlig aus seinem
Leben verdrängt und lebte nur noch für seine Arbeit, was ihn absolut erfüllte.
Der seltsame Mann, der ihn vor etwas warnen wollte, rief nie wieder an.
Sein
größter Prozess, der ihn endgültig berühmt machen sollte, stand ihm jedoch noch
bevor. Im Sommer des folgenden Jahres vermittelte Sebastian ihm einen
34jährigen, dem 7 Sexualmorde vorgeworfen wurden. Ein sehr unsympatischer Mann
mit zerzausten Haaren und einem Gebiss, als wär er seit der Kindheit nicht mehr
beim Zahnarzt gewesen. Heiko gab wirklich alles für diesen Fall. Schließlich
würde das sein absoluter Druchbruch werden. Er schuftete Tag und Nacht und
leistete sich keine freie Minute.
Die
Behörden waren glücklich gewesen, nach langjähriger Suche einen Schuldigen
gefunden zu haben und arbeiteten folglich gegen Heiko, was diesen jedoch nicht
einschüchterte.
Am
entscheidenden Verhandlungstag hielt Heiko sein Abschluss-Plädoyer, worauf der
Richter dem Angeklagten das letze Wort gab. Dieser wollte gerade zum sprechen
ansetzen, begann dann aber krampfhaft zu schlucken und hilet sich den Hals. Im
Gerichtssaal brach Unruhe aus und die Leute starrten ihn an. Heiko klopfte ihm
auf den Rücken. Nach mehrminütigem Würgen (sein Gesicht war mittlerweile blau
angelaufen) hustete er schließlich einen faulen Zahn auf den Tisch. "Die
Beweisaufnahme ist hiermit beendet" rief der Richter und brachte damit
wieder etwas Ruhe in den Saal.
Obwohl er
es selbst kaum hätte glauben können, hatte Heiko den Richter scheinbar davon
überzeugen können, dass es keine ausreichenden Beweise gegen den Angeklagten
gab und der Mann wurde freigesprochen. Heiko wusste zwar, dass sein Erfolg mit
dem Armband, das er von Sebastian bekommen hatte, zu tun hatte, fühlte sich
aber trotzdem fantastisch.
Seine
kleine Kanzlei wurde wie erwartet zur gefragtesten der ganzen Stadt und Heiko
fühlte sich auf dem Höhepunkt seines Lebens.
Am Abend,
genau 6 Wochen nach dem Fall, saß Heiko zusammen mit Sabine in ihrem neuen
Wirlpool. Sie hatten sich schon lange einen gewünscht und ihn sich endlich
gegönnt. "Auf den Erfolg." sagte Sabine und erhob ihr Sektglas. Heiko
wollte gerade mit ihr anstoßen, da klingelte es an der Tür. "Bleib doch
hier, Schatz..."sagte Sabine. Heiko stieg jedoch aus dem Wirlpool und
öffnete die Tür. Sabine konnte Heiko mit dem örtlichen Polizeichef reden hören.
Sie kannte seine Stimme, weil sie vor zwei Jahren ein Verhältnis mit ihm gehabt
hatte. Plötzlich rief Heiko aus dem Wohnzimmer "Oh mein Gott! Nein!"
Dann hört Sabine ihn schluchzen. Obwohl Sabine nach ihm rief, verließ er ohne
ihr zu antworten die Wohnung. Sabine sprang aus dem Wasser, schnappte sich ein
Handtuch und rannte ihm ins Treppenhaus hinterher. "Was ist los?"
rief sie ihm nach. Sie war böse auf ihn, weil er nicht aus sie reagiert hatte.
"Sie sind tot!" hörte sie Heiko in einem verzweifelten Ton durchs
Treppenhaus schreien. Sabine konnte ihm nicht weiter nachrennen, weil sie
nichts an hatte und so blieb ihr nichts, als in die Wohnung zurück zu gehen und
abzuwarten. Heiko kam jedoch nicht zurück. Am nächsten Morgen fuhr Sabine in
die Kanzlei, in der Hoffnung, Heiko dort anzutreffen. Sie wusste nicht, wo sie
sonst nach ihm suchen sollte. "Ist Heiko in seinem Büro?" fragte
Sabine seine Sekretärin. "Ja. - Er ist am Boden zerstört. Ich hoffe Sie
können ihn aufmuntern." Sabine fiel ein Stein vom Herzen und sie rannte in
Heikos Büro. Er lag dort scheinbar völlig verzweifelt mit dem Gesicht auf seinem
Tisch und schlief. Seine geballte Faust lag neben ihm auf dem Tisch. Unter
seinem Oberkörper ragte eine Seite Faxpapier hervor. Sabine rannte zu ihm. Kurz
bevor sie ihn erreichte stolperte sie über das Telefon, dass Heiko vom Tisch
geschleudert haben musste. Sie landete mit ihrem Gesicht direkt vor einer
Schachtel mit Schlaftabletten. Die Hülsen der Schachtel waren alle samt
ausgedrückt. Neben der Schachtel lag noch eine Tablette auf dem Boden. Sabine
ahnte fürchterliches, sprang auf und stieß ihn an. Er rührte sich nicht.
"Heiko!" Sabine suchte seinen Puls. "Nein." Sabines Gesicht
verzog sich. Sie öffnete Heikos Faust. Sabine zuckte zusammen, als ein fauler
Zahn aus seiner Hand fiel. Schließlich hob sie Heikos Kopf an. Sein Gesicht war
bleich und leblos. Sabine brach in Tränen aus. Unter Heikos Kopf fand sie einen
kleinen gelben Teddy-Bär, der auf dem Faxpapier lag. Sie zog ihn weg und fand
einen getrockneten Blutfleck am Arm des Teddies. Auf dem Faxpapier darunter
stand in krakeliger Schrift:
"Denk
also daran, wie du die Lehre empfangen und gehört hast. Halte daran fest, und
kehr um! Wenn du aber nicht aufwachst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du
wirst bestimmt nicht wissen, zu welcher Stunde ich komme."
Offenbarung
3, 3
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Der Beitrag wurde von Robert Müller auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.03.2005.
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