Marion Witte

Der Ring

Umständlich wischte sie sich den Sand von den Fingern,mit denen sie gerade im weißen Sand des Rockaway-Beach herumgewühlt hatte.
Ich bin auch wirklich zu dämlich,dachte sie.Wie kann man bloß einen so teuren Ring verlieren und noch dazu an einem Strand,wo
Sandkorn um Sandkorn sich tummelten.Hier würde sie ihn nie wiederfinden.
Der Ring,ein Erbe ihrer Großmutter väterlicherseits,wurde von Generation zu Generation vererbt.Ihr wurde erzählt,er könne zaubern.
Als Kind lauschte sie gerne den Erzählungen ihrer Großmutter.Und an schlaflosen Abenden erzählte sie oft von dem so wunderschön
blau leuchtendem Ring.In ihm würde das blaue Feuer wohnen,so hieß es.
Das blaue Feuer bestand natürlich nur aus einem nachgeahmten Edelstein,der in einer billigen Goldimitatfassung steckte,aber nicht das
machte diesen Ring aus,sondern seine Geschichten.
Blind vor Tränen lief sie in das kleine weiße Strandhäuschen zurück.Sie warf sich auf das schmale Bett,in dem sie Nachts unruhig an Gelano dachte.Sie hatte ihn verlassen,als sie ihn eines Tages sah,Hand in Hand mit einem blondgelockten Mädchen von höchstens 20 Jahren.
Bitter enttäuscht zog sie sich in das kleine Strandhaus zurück,in dem sie so viele glückliche Momente verbrachte,als ihre Großmutter
noch lebte.
Sie stand auf und blickte in den Spiegel.Unzufrieden strich sie sich über das kastaninebraune,schulterlange Haar,es war glatt,von Natur
aus.Sie war nicht mit einer reichen Lockenpracht beschenkt worden.Dann strich sie sich über die Hüften.Sie waren wohlgerundet und
kamen in ihrer engen Jeans sehr zur Geltung.Das aber übersah sie,sie sah nur das Negative an ihr.Sie schaute ihrem Spiegelbild streng
in die grau-grünen Augen und schimpfte,als sie Sommersprossen entdeckte.Auch in diesem Sommer wurde sie nicht davor verschont.
Fröstelnd bemerkte sie,daß sich die Sonne langsam dem Horizont neigte.Ein kühler Wind kam auf und sie zog sich eine kuschelige Wolljacke über ihr enges T-shirt.
Sie ging noch einmal an den Strand.Sonnenuntergänge sind in dieser Gegend legendär.
Während es langsam anfing,dunkel zu werden,schaute sie hinauf zum Himmel.Es ging auf den Vollmond zu und der Himmel war so klar,daß
sie die ersten Sterne funkeln sehen konnte.
Sie ging zum Strandhaus zurück und wollte sich schlafen legen.Da trat sie auf etwas hartes und stolperte.Sie fiel hin und bemerkte,daß sie
auf eine Muschel getreten war.Wütend auf sich selbst griff sie in den Sand und plötzlich fühlte sie etwas hartes,rundes.Etwas Vertrautes.
Ihren Ring.Er war wieder da.Sie hatte ihn wiedergefunden.
Als sie in ihrem schmalen Bett lag,war wieder mal an Schlaf nicht zu denken.Um nicht ständig an ihre verlorene Liebe zu denken,versuchte sie sich abzulenken,in dem sie an die Geschichten des Ringes dachte.
Langsam schlief sie ein.Und in ihrem Traum war sie wieder mit Gelano vereint.Seine Hände berührten sie, jede Faser ihres Körpers war bis zum zerreissen gespannt.Küsse benetzten ihre Lippen und zart wanderte sein Mund herunter zu ihren Brüsten,dessen Spitzen sich erregt aufrichteten.Sie drängte sich ihm entgegen voller Leidenschaft und sie vollführten den Akt der Liebe.
Schweißgebadet wachte sie auf.Sie dachte an Gelano.Und ihre Tränen flossen auf ihren Ring.Der Ring mit dem blauen Feuer.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.03.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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