Kerstin Ring

Paul

Faul. Das ist genau das Wort das auf Paul zutrifft. Und wie witzig – es reimt sich sogar. Als  hätten seine Eltern schon eine gewisse Assoziation bei der Namensgebung gehabt. Wer weiß, ob sich Paul schon in der Schwangerschaft so benommen hat, wie ich ihn heute kenne. Wahrscheinlich hat er sich schon im Mutterleib kaum bewegt und die Mutter dachte: Mit dem Kind stimmt was nicht. Und trotzdem muss ich sagen, das Paul trotz seiner Faulheit ein liebenswerter Mensch ist, oder vielleicht auch gerade deshalb. Er ist nicht nur faul, erist auch gemütlich. Gestern bat ich ihn mir beim putzen zu helfen weil wir Besuch erwarteten. Er war nicht imstande sich von der Couch zu erheben, geschweige denn den Staubsauger in die Hand zu nehmen. Was hatte ich schon großes von ihm erwartet? Außerdem war ein Ende abzusehen und eine Art „Belohnung“, nämlich ein schöner Abend mit unseren Freunden. Paul – faul. Der faule Paule. Wenn ich das zu ihm sage, stört es ihn nicht einmal. Paul schmückt sich manchmal mit dieser eigentlich doch negativen Eigenschaft. „So bin ich nun mal. Akzeptier es und fordere mich bloß nicht“ scheint es aus ihm nur so herauszuschreien. Ich habe auch eine gewisse Zeit versucht faul zu sein, doch als sich die Wäscheberge türmten, der Staub in Bällen über den Boden wehte und das Klo kaum noch zu benutzen war, hatte ich den Salat: mehr Arbeit als zuvor.
Der faule Paule ist auch im Zusammenhang mit Gesprächen und Diskussionen mundfaul. Kaum ein Wortmehr als Ja oder Nein kommt über seinen Lippen. Faul. Ist da vielleicht was faul? Ich habe alles versucht, wie schon gesagt. Und was, wenn ich zu faul bin, mehr von ihm zu fordern? Seine Mutter sagte mir, da wäre nichts zu machen. Auch sie hat ihm die Sachen hinterhergetragen, aufgeräumt. Wahrscheinlich bin ich für Paul eine Art Mutterersatz. Das er es überhaupt geschafft hat aus seinem Kinderzimmer auszuziehen und sich mit mir eine eigene Wohnung zu suchen. Na ja, wenn man mal ehrlich ist, habe ich die Wohnung gesucht, die Kartons gepackt, in den von mir bestellten Umzugs LKW getragen, hier in die Wohnung gefahren und auch wieder ausgepackt. Paul hat mir vom Sofa aus zugesehen, deswegen, war auch das Sofa das erste, was ich – samt Paule – in und auch wieder aus dem LKW geschleppt habe. Das er nicht arbeiten geht und ich gleich zwei Jobs angenommen habe tue ich alles nur weil ich ihn liebe. Auch das ich jeden Abend in der Küche stehe und sein Wunschessen für ihn koche. Gut, aufgrund seines Gewichtes ist es für Paul wirklich schwer vom Sofa überhaupt aufzustehen, aber ich finde, er könnte wenigstens mir zuliebe ab und zu aufs Klo gehen, anstatt den Eimer neben dem Sofa zu benutzen. Was ich nett finde, ist das er die Klamotten, die er trägt ca. 1 Woche anlässt. Er macht sich schließlich ja auch nicht dreckig, abgesehen von ein paar Essensresten. Schwitzen tut er auch nicht. Da hab ich nicht soviel zu waschen.
Manchmal frage ich mich allerdings auch, ob ich da nicht was falsch mache. Der Sex  in unserer Beziehung lässt auch zu wünschen übrig, aber ich habe auch Verständnis dafür. Er ist halt nicht so beweglich und steht anscheinend darauf, wenn ich das Kommando übernehme.
Ich denke, das es ihm gefällt, wie gesagt, wir sprechen ja kaum miteinander, aber beschwert hat er sich immerhin auch noch nicht.
Unser Wohnzimmer ist schön gemütlich und es macht mir wirklich nichts aus auch mal auf dem Boden zu schlafen um eine Nacht mit ihm zu verbringen. Schließlich schafft es Paul nicht mehr die Treppe zum Schlafzimmer hochzukommen. Ich will ihn ja auch nicht überfordern.Das einzige, was ich schade finde, ist das meine Freunde uns nicht mehr so oft besuchen kommen. Christina hat mir sogar letzte Woche gesagt, sie fände Paul widerlich. Das kann ich nicht akzeptieren. Paul ist zwar faul, aber ein ganz lieber Kerl. Wir streiten nie, er hat mich noch nie betrogen und er ist immer da. Auf Paul kann ich mich verlassen. Was ist schon dabei, wenn er auf dem Sofa liegt, wenn unsere Freunde kommen? Jeder so, wie es ihm gefällt. ER legt sich doch nie mit unseren Freunden, geschweige denn mit mir an. Paul ist ein fabelhafter Zuhörer. Ich kann stundenlang reden, wenn es mir schlecht geht. ER quatscht nicht dazwischen, lässt keine besserwisserischen Kommentare ab, er ist einfach für mich da.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.03.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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