Julia B.

Flötentöne

Helle Flötentöne perlen durch die Nacht.
Mein Lied schwebt zitternd in der Luft. Es erzählt von einem zerschollenen Traum – flattert, wie mein Herz bei ihrem Lachen.
 
 
Wärme, in einer blauen Lavendelnacht.
Den Kopf gesenkt hatte ich, sie blickte mit ihren schönen Augen in die klare Dunkelheit.
Unsere Hände sich so nah. Ich erahnte sanft die Wärme der Ihrigen. Als ich stehen blieb und sie fasste, blickte sie erstaunt. Ihr konnte ihr Erröten förmlich spüren. Ihr Blick suchte den meinen, nur zögernd wandte ich mich ihr zu. Hoffte, dass sie nicht die Sehnsucht in meinen Augen las.
Plötzlich lachte sie freudig - ihr sandfarbenes Haar wehte im Weltenwind.
Sie zog mich voran, um ihre zarten Beine flatterte das seidengeblümte Kleid, als wolle es ihr vorauseilen.
Ihre Hand stets in der Meinen...
 
 
Sie kamen zu einem großen Haus, fast schon einer Landvilla gleich, gingen über den dunklen Hof.
 
Schritte knirschten im Sand. Jemand, zuerst nur als Schatten erkennbar, lief ihnen mit einer Laterne entgegen.
 
 
 
Ich sah Rodolphe, seinen federnden Gang, das zerzauste Haar. Sein Gesicht verhärtete sich, als er uns beide zusammen erblickte. Ich ließ ihre Hand los – die Meine fühlte sich mit einem Mal sonderbar leer an, so beraubt von ihrer Zierlichkeit.
„Celine, du solltest bereits schlafen! Morgen liegt ein anstrengender Tag vor uns!“
Sie lachte nur kurz, schaute verstohlen in meine Richtung. Sein Blick war hart, doch ich konnte die Zuneigung für sie darin erkennen. Und etwas anderes, was mich erschrak: Schmerz.
Seine Hand umschloss ihr Handgelenk. Sie folgte ihm und er drehte mir den Rücken zu. Ein letzter Blick von ihr versuchte mich über seine Schulter zu hinweg zu erreichen, sie streckte den schönen Hals. Ihr langes Haar schimmerte im Licht der Laterne.
Ich senkte den Blick und ging.
 
 
 
 
Am darauffolgenden Tag ging ich allein spazieren, den Vögeln lauschend reckte ich den Kopf.
Feuerball stützte sich auf den Horizont, einzelne Wolkenschlieren kreuzten sich. Die Sonne schien in einem Meer aus Farben zu baden.
„Marco, Marco!“ Ich wandte mich überrascht zu Seite, gewahrte wie sie kurzatmig heransprang.
„Warte auf mich!“ Sie atmete heftig, als sie mich am Arm fasste, ihre Wangen waren vom Lauf und der morgendlichen Kühle gerötet.
 
 
Mein Blick hing an ihren leuchtend roten Lippen. Lockig ringelten sich einzelne Strähnen ihres schönen Haars um ihr Gesicht.
Seltsam berührt bemerkte ich den Druck ihrer zarten Finger durch meine Kleidung, ihre grünen Augen schienen golden.
Sie schöpfte nach Atem. „Darf ich mit dir kommen?“
Einen Moment wusste ich nichts als sie anzuschauen. Doch dann wich ich ihren Augen aus, um nicht darin zu versinken.
„Komm.“ Meine Stimme klang heiser.
 
 
Wir liefen lange. Die Welt schien sich in ein umflammtes Paradies verwandelt zu haben.
Nach einer Weile gelangten wir an eine Klippe, schon mehr Felsen, dem Ende eines Berges. Wir setzen uns, sahen hinunter.
 
 
Ich wusste nicht, was sie dazu bewegte, dazu antrieb. Ihre schmalen Finger umschlossen meine Flöte, die hölzern von meinem Hals hing.
„Spielst du mir etwas darauf vor?“ Ich fühlte Verwunderung über diese Bitte.
 
 
Sie wusste nicht, dass dieses Lied von ihr handelte. Es beschrieb ihr Lachen, meine Liebe, ihr Haar - flatternd im Wind. Aus Angst mich in den Weiten des Horizontes zu vergessen, brach ich das Lied unvollendet ab.
Ich nahm ihr Gesicht zärtlich in die Hände und küsste sie sanft.
An diesem Tag berührten sich unsere Lippen  zum ersten, und wie ich bald darauf schmerzhaft erfuhr, zum letzten Mal.
 
 
Wir suchten sie lange, als sie am nächsten Tag verschwunden war. Dann fanden wir sie, nicht unweit eines Flusses, ihr güldenes Haar verklebt von Sand und Blut.
In ihrer zarten Hand umklammerte welkende Blumen.
 
 
Zuerst dachten wir, sie sei tot, stürzten zu ihr.
Doch noch atmete sie flach. Ich fiel auf die Knie, fasste ihre Hand, meine Augen schreckgeweitet. Plötzlich sah sie mich an, ihre Lippen zitterten, wie ihre Stimme. „Ich wollte...Blumen suchen...Doch der Felsen...“
Sie erschlaffte, starb unter meinen Händen.
Ich hatte das Gefühl schreien zu müssen, wollte sie zurückrufen. Die Welt verschwamm, Tränen benetzen meine Wangen. Doch es half nichts. Sie war tot.
 
 
 
 
Er saß am Felsen, aus seiner Erinnerung zurückgekehrt und hielt die Flöte in der Hand. Traurig schaute er übers Land.
 
Ich erkenne die Sinnlosigkeit meines Lebens...ohne sie.
 
 
Später, Abends. Er stand auf dem Balkon seines Zimmers, trank etwas.
 
Sie wurde mir genommen, doch ich werde ihr folgen – und sie künftig besser vor Gefahren schützen, als ich es während meines Lebens getan habe.
Früher erschien es mir dumm, auf diese Art und Weise von der hiesigen Welt zu scheiden. Doch war ihr Tod nicht ebenso dumm? Auf der Suche nach Blumen stürzte sie von einem Felsen und starb neben einem Fluss, noch so jung war sie, noch so wenig hatte sie vom Leben gesehen.
 
 
Er stellte ein Glas auf den Tisch, der neben der Balkontür stand – es war leer. Daneben eine Ampulle für Schlaftabletten, ebenfalls leer. Langsam schritt er durch die Balkontüre auf sein Bett zu. Jemand rief von außerhalb des Zimmers, hämmerte gegen die Tür.
 
Sie war verschlossen.
 
 
 
Bevor alles zu verblassen droht, erscheint mir ein letztes Bild. Wir beide, uns an den Händen haltend, in einem Meer aus Blumen. Unsere Augen sind geschlossen, als würden wir schlafen. Ich rufe ihren Namen. Schwärze umfängt mich.
 
 
Die Tür brach auf, Menschen stürmten herein, man schüttelte ihn. Aus seinem Mund erklang ihr Name, seine Lippen waren bleich, die Augen starrten ins Leere.
 
„Marco, Marco!“ Er zitterte, erschlaffte. Man rief nach Hilfe, holte einen Arzt.
 
 
 
Als dieser eintraf, ließ sich nur noch Eines feststellen – Tod durch Vergiftung.
 

Keine Sorge, diese Geschichte ist nicht autobiographisch ;) Aber dennoch etwas, was mir am Herzen liegt... :)Julia B., Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.04.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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