Mariëlle van Toor

Einstieg

Ich habe mein ganzes Leben lang gesucht.
Ich wusste nicht, nach was ich gesucht habe.
Ich wusste nicht, ob ich es je finden würde.
Aber ich wusste, dass es etwas gab, das es zu finden galt.
Etwas, was ich mehr begehren würde als alle Glücke und Freuden dieser Welt.

Vielleicht war ich deshalb mein Leben lang unglücklich.
Ich fühlte mich immer, als wäre ich in Ketten gelegt.
Als wäre ich eine Marionette, die nicht ihr eigenes Kreuz führen konnte.
Als wäre ich eine Marionette, die Dinge zu tun gezwungen wurde, die sie nicht wollte.
Als wäre ich eine Marionette, die in ein Schicksal gezwängt wurde.
Unsere Welt bietet so viele Möglichkeiten, hält so viele Wege bereit.
Doch es ist dort ein undurchdringbares Gestrüpp, wo jemand versucht, abseits der Wege zu gehen, weil er dort gehen möchte.
Weil ihn alle Wege nicht glücklich machen würden.
Weil er jeden Weg mit Zweifel begehen würde.

Ich konnte meinen Weg niemals frei wählen.
Es gab ihn nicht.
Und das Gestrüpp war wie eine Herausforderung, die niemand besiegen kann.
Ein Hindernis wie ein Käfig, der vor Erwartung an einen immer kleiner und beengender wird.

Es gibt Menschen, die passen in kein Schema.
Es gibt Menschen, die kann man nicht in ein Schema zwingen.

Weshalb gibt es dann überhaupt ein Schema?

..........

Dann hat mein Käfig mich erdrückt.

Es fühlte wie ein Blitz, der alle Stränge löste, der alle meine Materialität versengte, lähmte, für immer betäubte.

Doch ich fühlte den Blitz wie eine Regenflut, so dunkel, kraftvoll und tief, wohlklingend wie eine bronzene Glocke, deren Klang allen Raum erfüllt.
Und durch den Regen keimte eine verlorene Saat auf.
Aber eigentlich wurde die Saat nie verloren.
Ich hatte nie gewusst, dass sie existiert.
Sie hatte ich gesucht.
Der Blitz war wie eine Regenflut, kalt, umhüllend, eine Umklammerung, aber fließend.
Eine Umklammerung, die sanft die Luft aus deinen Lungen presst, aus allem deinem Leben.
Die Saat keimte, wuchs, war frei.
Die Saat war ich.
Der Käfig war kein Hindernis mehr, ich wuchs aus ihm heraus.
War frei.
Ich war frei, ich selbst zu sein.


Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Mariëlle van Toor).
Der Beitrag wurde von Mariëlle van Toor auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.04.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Mariëlle van Toor als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Reise durch die Zeit von Doris E. M. Bulenda



Die junge Studentin Iris wünscht sich nichts mehr als eine Zeitreise und tut alles dafür. Doch allzu bald muss sie erkennen, dass sich die Welt in der Zukunft ganz anders darstellt, als sie es sich erhofft hat, und ihre Neugier droht ihr zum Verhängnis zu werden.

Die Magd Josephine gerät wiederholt in einen Zeitstrudel und wird dabei vor eine schwere Prüfung gestellt, die bald ein unbekanntes Inneres in ihr zum Vorschein bringt. [...]

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Gedanken" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Mariëlle van Toor

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Vom Glück, eine Katze zu haben von Mylène Frischknecht (Gedanken)
Bücher zu verschenken von Karin Ernst (Wie das Leben so spielt)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen