Marianne Kardinal

DER KICHERTURM in der DICHTERLESUNG

DER KICHERTURM in der
DICHTERLESUNG -
eine ungewollte, anarchistische
GEGENKUNSTKONSTRUKTION

Eine ernste, ärmliche und kurzsichtige Dichterin betritt die Bühne-
atemlose Stille im Auditorium, nichtmal schlucken darf man.
Die moderne Poetin will sich über ihren Liebhaber ergießen,
sich in ihm baden -- jetzt schlucke ich trotzdem - betroffen,
Meine Moral ist aufs empfindlichste gefordert.
Meine inneren Register glühen.
:-)
Als gedankliche, erträglich machende Gegenreaktion
wabert die nur rosa betüllte Monroe hinter die harmlose Poetin.
Diese unschuldige Blondine mußte bestimmt niemanden gießen,
nichtmal dichten ließ man die!
Besten -oder schlimmstenfalls sang sie mal.
:-))
Aber bscht jetzt, bscht, ja nicht lachen,
fummelt es in mir hoch.
Sei sofort ernst, sonst passiert was Schreckliches.
Du mußt jetzt ernst sein und bleiben, das ist wichtig,
Oscar Wilde kommt es mir,
auch wenn dieses Schauspiel noch so absurd ist,
Dich noch so elendiglich berührt,
auch wenn Du fast platzt innerlich,
reiß Dich zusammen---
Immerhin:
Dein Ruf als ernster, kompetenter Zuhörer steht auf dem Spiel!
Es wird kritisch!
:-(
Meine Mundwinkel ziehen sich dennoch ungebremst nach oben,
die Begleitung, neben mir sitzend, wendet sich ab,
will nicht zu mir gehören, der Schuft, hält sich die
Hand beschämt vors Gesicht und starrt in die Luft schräg rechts über sich ,
weil ich ja links sitze, tut er das.
Ich bin nicht ernst genug, nicht poetisch, nicht emphatisch und bestimmt
auch nicht im Dichterinnensinne erotisch, aber ich habe mich im Griff.
:-)
Ich tippe ihn an den Verräter - keine Chance -
ein leises Kichern -
ein Mpffffffffffffffffffffffffffffffffhm klopft durch mich durch -
der erste Stein ist gesetzt:
VOM KICHERTURM...
[]
Verstohlen blinzelt der Nachbar zu mir,
sein Mund verzerrt sich unkontrolliert nach
unten – meiner nach oben, seiner nach unten,
:-) )-:
und ich weiß – wenn ich jetzt nicht
ernst bleibe, schmeißt man mich raus -
allein der Gedanke –
der zweite Stein ist gesetzt:
VOM KICHERTURM:
[]
[]
Er kerkert Dich ein:
[[[[ausgeschlossen aus den intellektuellen erotischen Kreisen,
und das: FÜR IMMER!!!]]]]
 
Ich grabe vor lauter Angst mein Gesicht in die Brust,
ganz tief bohre ich mein Kinn in diese unbequeme Stellung,
ich verschränke die Arme und die
Beine verkreuze ich übereinander.
Blamage abwechselnd mit Kichern-wieder Blamage -
nicht erotisch-nicht poetisch nicht emphatisch, brandet es in Dir.
 
Ich kralle mich in meiner Verzweiflung an den Nachbarn -
der verharrt wie ein geschockter Hase in seiner vorigen Stellung und schaut mit
völlig entgleistem Gesicht ostentativ weiter nach rechts oben.
Ich kauere links unten!---
der dritte Stein ist gesetzt:
VOM KICHERTURM:
[]
[]
[]
Jetzt fehlt nicht mehr viel bis zum Kollaps,
ich verspüre auf einmal Harndrang – ein alberner Zwerg
hüpft vom Harnleiter ins Gehirn und wieder zurück,
ein Kribbeln auf dem Mund – der Nachbar schaut Dich an -
ich fixiere umsonst hilfesuchend zurück -
jetzt geht es nicht mehr anders:
Der Mund schnellt nach oben wie ein Katapult,
die Lachkugel schießt den Turm um wie einen läppischen Kegel -
er kracht zusammen, die Blamage ist egal – die Ketten werden gesprengt:
Ich beginne laut schallend zu lachen. Eisige Stille, Frösteln, Schock.
UND JETZT???
[]
 []
o  []
Ausgeschlossen aus dem ernsten, erotisierten Kreis,
respektlos, einsam war es das wert?
Jetzt bin ich ein Antipoet, ein Antierot, (gibt es das)?
Eine Hölle tut sich auf.
 
Es zirbelt in mir, wie eine Kaffemühle- Du wirst gemahlen, es ist skandalös.
Die Peinlichkeiten haben sich aufs Fatalste vertauscht-
vom Dichter zu mir-
Ein anarchistischer Rollentausch.
Ungewollt bin ich zu der Rolle vom betroffenen Passiven zum
perversen Aktiven gekommen, völlig ohne mein Zutun,
ohne daß ich mich im geringsten darum bemüht hätte.
Nur die eigene Phantasie hat Schuld daran,
die lasse ich das nächste Mal zu Hause, sperre sie ein!
 
So ists mit dem KICHERTURM:
Er baut sich wie ein Kartenhaus in ernsten Gefilden auf,
sein Architekt plant ihn ohne Plan –
je mehr man ihm Einhalt gebietet,
desto mehr wurschtelt er, was ist das nur?
 
MÖGLICHE CONCLUSIO:
Ich denke dieses Unmittelbare ist einem unberührten,
unverhundsten Teil der Seele entsprungen,
das kann keine noch so ernste Dichterin verhindern, und wenn sie noch soviel
SAFT über ihre Männer gießt!
 
Bleibt nur eines offen:
MUSS LYRIK WIKLICH SO QUÄLEN UND VOR ALLEM: SO EKLIG SEIN?

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.01.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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