Sommerhitze (Ein Gedicht-Duett)

Wegen einiger explizit sexueller Begriffe in diesen Gedichten empfehle ich sie ab 16 Jahren.


Sommerhitze (Ein Gedicht-Duett)


Verdunsten

"Verleugne nichts!", so sprach die Stimme,
"Vor allem leugne nie dich selbst.",
"Geh durch das Schöne und das Schlimme,
sei innen schwarz, wenn du ergelbst.".

So kaue ich denn milden Ingwer
und schau' dem Irren ins Gesicht,
es bringt mein Ich, mein Selbst kein Ding her,
wenn es im Mahlstrom ganz zerbricht.

So lecke ich an Fisches Schuppen,
reißt mich die Flut hinfort, hinweg,
ich fass' beherzt an Sternes Schnuppen
und steh' an Bug und Achterdeck.

Ein anderer will meinen Körper,
ich gebe ihn ihm niemals her,
er ist der Sommer, ist der Dörr-Herr,
ich bin das tiefe, blaue Meer.

Und wieder werde ich verenden,
auf Weizenfeldern, zwischen Mohn...
gefangen zwischen deinen Lenden,
erhalt' ich deinen Sündenlohn.

***

Dieses Gedicht knüpft locker an meine Gedichte "Judith" und "Gewitter" an, und behandelt nebenbei die momentan außerordentlich sommerliche Lage; für manche ein Fluch, für manche ein Segen. Z.B. Benjamin Netanjahu kam ja wegen Dehydrierung ins Krankenhaus. Viele alte Menschen trifft die Hitze sehr. Single-Menschen mittleren Alters, wie mich, bringt sie eher auf andere Ideen... Mein Gedicht ist ein Wenig von Hermann Hesse und vom Deutschen Expressionismus beeinflusst. Die Farben "Schwarz" und "Gelb" meine ich spirituell und nicht politisch, im Sinne des Dirk von Lowtzow'schen "Im Zweifel für den Teufel". Also, lieber sich ganz dem Irdischen ergeben, um weiterleben zu können, als Lichtgöttern, die einem eventuell das eigene Ich wegnehmen wollen.

Teppichfusseln

Wenn ich mit dir abstürz'
und mich selber ganz vergess'
seh' ich in deine Augen,
und wir machen uns ein Fest.

Wie ein Fussel unter'm Bett,
so will ich bei dir liegen,
deinen Schweiß auf meinem spür'n,
den Feind der Lust besiegen.

Ihn pumpen in den Unterleib,
in weichfeuchte Erlösung,
und stöhnen, wenn die Kette bricht,
und wir sinken in die Bösung.

Und die Teppichfusseln zucken,
und ich spür' mein böses Kind,
wir sind willenlos vor geilheit,
wenn wir wie die Fusseln sind.

***

Dieses Gedicht ist inspiriert von eigenen Erfahrungen und einigen Parts aus dem Oliver-Stone-Film "The Doors" und enthält ein leicht ironisches, abgewandeltes Selbstzitat aus meinem Gedicht "Tier" von 2014. Dabei handelt es sich, wie man leicht überprüfen kann, nicht um den Song "Tier" von Rammstein.


© by Patrick Rabe, Juli 2023